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Daniel Craig sagt Tschüss: Zum fünften und letzten Mal schlüpft der britische Schauspieler in die Rolle des berühmtesten Geheimagenten der Popkultur. Ähnlich wie im letzten Bond-Abenteuer „Spectre“ wechseln sich in „Keine Zeit zu sterben“ Licht und Schatten ab.

Keine Zeit zu Sterben (2021)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Letzter Blick über die Schulter

Schon der 24. Bond-Film Spectre hätte für den in Interviews damals etwas dienstmüde wirkenden Daniel Craig der letzte Auftritt als Agent mit der Lizenz zum Töten sein können. Inhaltlich bot sich ein Abgang durchaus an, fährt 007 am Ende doch mit seiner neuen Liebe Madeleine Swann (Léa Seydoux) ins Ungewisse. Tatsächlich ließ sich der britische Darsteller allerdings zu einem weiteren Spionageabenteuer überreden, das nach einigen Verzögerungen – ein Wechsel auf dem Regiestuhl von Danny Boyle zu Cary Joji Fukunaga und der Ausbruch der Corona-Pandemie waren Schuld – die großen Leinwände erreicht und nicht, wie zwischenzeitlich befürchtet, zu einer Streaming-Plattform abgewandert ist. Während der üppigen, über 160-minütigen Laufzeit wechseln sich gelungene Ideen mit weniger überzeugenden Momenten ab.

Die Wucht des Spectre-Einstiegs, der uns in den Trubel am Día de los Muertos in Mexiko-Stadt hineinschleudert, erreicht Keine Zeit zu sterben sicher nicht. Interessant ist der Auftakt aber allemal, da wir uns in einem winterlichen Home-Invasion-Szenario wiederfinden, das von den Maskenkillern des Slasher-Kinos inspiriert zu sein scheint: Die kleine Madeleine sieht sich hier einem Eindringling gegenüber, der ihren nicht anwesenden Vater Mr. White, einen skrupellosen Terroristen, töten will und ihre alkoholkranke Mutter erschießt. Zunächst sieht es so aus, als würde auch das Mädchen sein Leben lassen. Doch dann bleibt es verschont.

Von diesem Punkt springt der Film in die Zeit nach der Festnahme des größenwahnsinnigen Ernst Stavro Blofeld (Christoph Waltz), bei dem es sich um eine Art Stiefbruder Bonds handelt. Was die finalen Augenblicke des vorangegangenen Kapitels nahelegen, bestätigt sich im neuen Streifen. Der Doppel-Null-Agent hat seine Karriere an den Nagel gehängt und möchte das Leben mit Madeleine in vollen Zügen genießen. Die frostige Atmosphäre des Anfangs weicht einer in warme Farben getauchten, recht kitschigen Stimmung, die unter dem Motto „Liebesurlaub aus dem Werbeprospekt“ stehen könnte. Madeleines Hinweis, James blicke ständig über die Schulter, werde von seiner Vergangenheit noch verfolgt, deutet darauf hin, dass es nicht bei der Idylle bleibt. Inmitten eines verwinkelten, in einer atemberaubend zerklüfteten Küstenlandschaft liegenden italienischen Städtchens kommt es nur wenig später zu einer packend gefilmten Verfolgungsjagd mit mehreren irren Stunts, die beweist, dass Fukunaga (Beasts of No Nation) weiß, wie krachendes Blockbuster-Kino funktioniert.

Die gemeinsame Zukunft von Bond und Madeleine findet nach dem offenbar durch die Spectre-Organisation arrangierten Angriff auf den Ex-Agenten ein jähes Ende, da er ihr plötzlich nicht mehr über den Weg traut. Während er kurz vor und bei der Trennung den coolen, kontrollierten Kerl raushängen lässt, verharrt seine Partnerin in der langweiligen, abgestandenen Rolle des aufgelösten Nervenbündels. Ein erster Hinweis darauf, dass Keine Zeit zu sterben es nicht versteht, Léa Seydoux‘ Figur nach ihrer schon wenig facettenreichen Zeichnung in Spectre entscheidend aufzuwerten. Als sie von Bond in einen Zug verfrachtet wird, verabschiedet sich die junge Frau für die nächste Dreiviertelstunde aus der Geschichte.

Fünf Jahre nach den Ereignissen in Italien kommt es in London zu einem Einbruch in ein Geheimlabor und zur Entführung des Wissenschaftlers Valdo Obruchev (David Dencik). Hektische Betriebsamkeit bricht aus, weil ein hochgefährlicher Kampfstoff entwendet wurde. An den inzwischen auf Jamaika lebenden Bond wendet sich daraufhin sein alter CIA-Freund Felix Leiter (Jeffrey Wright), dessen Hilfegesuch – so verlangt es die klassische Dramaturgie – der Aussteiger allerdings fürs Erste ablehnt. Hat er seine widerwillige Haltung überwunden, muss er sich nicht nur mit seinem inhaftierten Erzfeind Blofeld auseinandersetzen, sondern auch mit einem Mann namens Lyutsifer Safin (Rami Malek), der von persönlichen Rachemotiven angetrieben wird.

Wo eine der Schwächen von Keine Zeit zu sterben liegt, zeigt die Wiederbegegnung zwischen dem Protagonisten und seinem Stiefbruder im Gefängnis. Eine Szene, die nur wenige Minuten dauert, aber erneut das beunruhigende Charisma hervortreten lässt, das Christoph Waltz bereits in Spectre zu verströmen wusste. Safin dagegen wächst über das Klischee des grausamen Wirrkopfs nicht hinaus – egal, wie sehr sich Rami Malek auch bemüht, gegen die Profillosigkeit seines Bösewichts anzuspielen.

Im Hinblick auf Bonds Umgang mit Frauen gibt sich der 25. Film der Reihe in einigen Situationen erfreulich reflektiert und modern. Ein mögliches sexuelles Abenteuer wird beispielsweise mehrfach ironisch unterlaufen und vereitelt. Gleichzeitig fühlt sich die Darstellung mancher weiblicher Charaktere aber seltsam rückständig an. Statt beherzt in das Geschehen einzugreifen, sehen wir Madeleine ihren James zumeist anhimmeln und über seinen Tatendrang staunen. Unterentwickelt sind trotz kleiner aktionsbetonter Zugeständnisse auch die CIA-Agentin Paloma (Ana de Armas), die in ihrem offenherzigen Kleid als Blickfang inszeniert wird, und die nach Bonds Renteneintritt neu eingestellte Schwarze 007-Agentin Nomi (Lashana Lynch). Spannend dürfte es sein, wie in kommenden Franchise-Titeln mit dieser Figur umgegangen wird. Muss sie einfach wieder ihren Platz räumen? Oder könnte sie ihre Position behalten und vielleicht sogar noch stärkere Akzente setzen?

Ähnlich wie sein Regiekollege Sam Mendes in Spectre schüttelt auch Fukunaga über den an spektakulären Schauplätzen spielenden Film verteilt diverse furios inszenierte Actionsequenzen aus dem Ärmel und wartet mit einer Reihe interessanter Bildeinfälle auf. Biegt die öfters als in den letzten Reihenkapiteln humorig aufgebrochene, manchmal etwas konfuse, zumindest mit einer echten Überraschung garnierte Handlung auf die Zielgerade ein, hält sich die emotionale Wirkung leider in Grenzen, obwohl die ganz großen melodramatischen Gesten ausgepackt werden. Die aufwühlende, erschütternde Kraft des 23. Bond-Beitrags Skyfall verfehlt Keine Zeit zu sterben auf jeden Fall recht deutlich – und beschert Daniel Craig damit gewiss nicht den bestmöglichen Abschied.

Keine Zeit zu Sterben (2021)

Bond hat den Dienst quittiert und genießt ein geruhsames Leben auf Jamaika. Doch mit der Ruhe ist es schnell vorbei, als sein alter Freund Felix Leiter von der CIA auftaucht und ihn um Hilfe bittet. Doch die Mission, bei der ein entführter Wissenschaftler befreit werden soll, erweist sich als ungleich gefährlicher als zunächst vermutet. Denn Bond sieht sich mit einem Widersacher konfrontiert, der über eine gefährliche neue Technologie verfügt.

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Meinungen

Spyro · 27.11.2021

ich verstehe die schlechten Kommentare nicht!!!!

Der Film hat menschlich gesehen alles bewegt an Emotionen in mir, es ist sicherlich schade das ein Held verloren geht, aber auch das ist OK!!!
Bond Filme kenne ich schon als ich Kind aus den 80 Jahren bin 47, daher war das ENDE sehr tragisch aus meiner Sicht.

Der Held der Tragödie hätte seine Liebsten nie erleben können und somit war der Wille zu
überleben nicht da!!! Oder glaubt was glaubt Ihr.....

Ich persönlich habe Tränen in den Augen gehabt, als er Telefoniert hat !!!!! Dazu stehe Ich.

Sicherlich werde ich James Bond vermissen, was vielleicht auch die Enttäuschung ist der Fans die schlechte Worte schreiben. Wir alle haben ein MHD, dass war der für BOND..

RUHE in Frieden

Goldfinger · 04.11.2021

Der schlechteste Bond Film aller Zeiten. Eine Legende wurde verhunzt. Ein zweitklassiger Film. Ein Schnulze mit einem weinenden James. Nichts mehr geschüttelt eher gerührt. Alleine Lea Seydoux ist ein Lichtblick. Dieser Abgang kann nur das Ende einer legendären Verfilmung bedeuteten. Danke Ian Fleming

Bond-Fan · 27.10.2021

Wie kann man einen Bond-Film so dermaßen verhuntzen??? Der Film hatte ja eigentlich echt Potential, aber das war mit Abstand und denkbar schlimmste Schluss aller Zeiten...

Ernst Blofeld · 10.10.2021

Es hat alles seine Zeit, die von JB ist genauso zu Ende wie die von Asterix und dieser letzte Film ist auch so lächerlich. Dieser Film ist so ziemlich genau das Gegenteil dessen was ein Bond ursprünglich mal war: Pulp! Nicht ganz so prollig hart wie Spillane's Mike Hammer aber gewiss auch kein politisch korrekter Agent, mit einem Team von aus heutiger Sicht guten Menschen. Selbst Tom Sellek als Magnum PI war da cooler! Trösten wir uns, auch dieser Unsinn geht irgendwann wieder zu Ende. Spätestens nach der versprochenen Klimakatastrophe.

Martin Betzwieser · 04.10.2021

machten aus dem charmanten, eleganten Mann von Welt mit dem lockeren Spruch auf den Lippen einen unzivilisierten Banausen und humorlosen Proleten.
Schon in CASINO ROYAL musste Geheimdienstpartnerin Vesper Lynd (Eva Green) Bonderst beibringen, wie man(n) Abendgarderobe trägt. Etwas später beleidigt er Vesper im Dialog als blöde Kuh. Jeder kennt den sprichwörtlichen „Vodka-Martini – geschüttelt, nich gerührt“ aus 20 Bond-Filmen – ein Klassiker. Im Casino Royal bestellt Bond direkt nach dem „Blöde-Kuh“-Dialog an der Bar einen Vodka Martini. Der Barmann fragt:
„Geschüttelt oder gerührt?“ - „Sehe ich aus, als ob mich das interessiert!“
Damit hatten mich Bond und Craig verloren.

KEINE ZEIT ZU STERBEN ist leider eine gute halbe Stunde zu lange, hat teilweise ein misslungenes Tempo und kommt schwer in die Gänge. Bond-Gegner Lyutsifer kommt nach der Rückblende vor dem Vorspann erst nach einer guten Stunde zurück. Dabei ist dieser Bond-Gegner Lyutsifer (Rami Malek, BHEMIAN RAPSODY) einer der uninteressantesten und schwächsten Bond-Gegner aller Zeiten. Als Sohn einer von SPECTRE ermordeten Familie nimmt er Rache an SPECTRE und hätte eigentlich Bond´s Verbündeter werden können. Seine Motivation wird überhaupt nicht klar. Die Figur ist schlecht geschrieben und lahm gespielt. Auch Lyutsifer´s Scherge mit dem Computer-Auge ist verschenktes Potential.
Auch Christoph Waltz kommt als Ernst Stavro Blofeld noch kurz in der Psychiatrie-Hochsicherheitszelle vor, wo er doch eher wie Hannibal Lecter wirkt als wie ein James-Bond-Soziapath.
Dieser Craig-Bond hat bei Handlung, Schauspielern und Spannung durchaus seine Momente. Die Nano-Roboter als gezieltes Tötungswerkzeug sind eine infame und originelle Idee. Diese Idee wirkt im Verlauf dieser Pandemie, in der merkwürdige Leute denken, Bill Gates und alle möglichen Regierungen wollen sie mit Mikrochips impfen, kontrollieren und töten, unabsichtlich sehr makaber.
Die anderen Geheimdienst-Leute bleiben weit unter ihren Möglichkeiten. Anstatt mal wieder einen Blick ins Waffenlabor zu werfen, sehen wir „Q“ fast nur am Bildschirm sitzen, Festplatten analysieren und Beobachtungskameras auswerten.
Seine Lebensgefährtin Madeleine Swann, Tochter des SPECTRE-Agenten Mr. White, verdächtigt Bond am Anfang des Verrats und verlässt sie auf hässliche Weise; das hätte es früher nie gegeben. Über die weitere private Beziehung und das Finale spoilere ich nicht, keine Sorge. Aber ich mache mir doch Gedanken, wie sie James Bond in der Zukunft glaubwürdig am Leben erhalten wollen.
Einige nostalgische Zitate aus früheren Bond-Zeiten waren ein bischen wenig, um den Mythos Bond zu erhalten – wenn sie überhaupt erkannt wurden. Dafür wurden zu viele James-Bond-Traditionen verraten. Und so war der Höhepunkt dieses James-Bond-Films für mich der Abspann mit dem unvergesslichen Bond-Song „We have all the time in the world“ von John Barry und Louis Armstrong aus „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ von 1969. Übrigens ist der Qualitätsabfall der Bond-Filme auch sehr gut bei der Filmmusik zu erkennen: Nachdem der langjährige Stammkomponist John Barry in den späten 80er Jahren abgelöst wurde und keine Bond-Aufträge mehr bekommen hatte, entwickelte sich die Filmmusik später in Richtung akkustische Körperverletzung – teilweise leider auch hier.

Fazit: Ich bin geschüttelt, nicht gerührt.

Uwe Henning · 03.10.2021

Sehenswert!
Eins vorweg, nörgelte Besserwisser finden immer was zum Meckern. Zu lang, zu viel Gefühle, Story und Logiklöcher etc. - ich finde, andere Bondfilme als Maßstab anzusetzen sollte man sich schenken. Anschauen und sich auf die Story einlassen - ja, dann ist es ein gelungener Film.
Meine persönliche Kritik:
Viele wirklich sehr gute Nebendarsteller, ein Hauptbösewicht, der hinter den Möglichkeiten etwas zurückbleibt und ein Ende, bei dem Budget vielleicht etwas einfallslos (Manche "Neuerungen" hätte man sich wirklich sparen können). Leider wirkt Daniel Craig (trotz bombastischer Action) manchmal etwas müde. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.
Fazit:
Eine gute Story, tolle Action, eine Prise Humor und durchaus authentische Emotionen fesseln den Zuschauer bis zur letzten Sekunde.

Für 007-Fans drängt sich die Frage auf: Wie und mit wem geht es weiter. Daniel Craig zu toppen oder sein Niveau zu erreichen dürfte nicht einfach sein.

Volker · 01.10.2021

Hallo,
habe mir gestern SOFORT denFilm angesehen und kann die teilweise negative Kritik nicht nachvollziehen, ich bin 007 Fan und finde, es ist ein würdiger Abschluss und vielleicht sollte man es bei den 25 Filmen belassen- besser wird es sicher NICHT.

George Lazenby · 01.10.2021

Bin entsetzt. Leider hat man die Reihe im wahrsten Sinne durch diese s Werk zu Grabe getragen.