NN

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Schmerzhafte Familiengeschichten

NN von Héctor Gálvez erzählt von der Exhumierung von Massengräbern, die die Folge des Konflikts zwischen Regierung und der Guerillaorganisation Sendero Luminoso in den 1980er Jahren waren. Damit nimmt sich der Film eines schwarzen Kapitels der peruanischen Geschichte an: Er zielt auf das Leiden, welches das Leben der Menschen noch heute bestimmt. Und meint damit nicht nur die Hinterbliebenen.
Fidel Carrasco (Paul Vega) leitet ein Team, das beauftragt ist, die Massengräber in den Bergen auszuheben, die Überreste der Leichname zu bergen und sie an die Familien weiterzuleiten. Die Archäologen haben Routine, graben aus, befreien Knochen und Kleidung vom Dreck, fotografieren und dokumentieren und rekonstruieren die Identität der Verschwundenen nach mehr als 25 Jahren. Die Überreste werden sorgsam in Särge gebettet und den Hinterbliebenen zur Bestattung überlassen.

Nun aber findet die Gruppe ein Skelett mehr als angenommen in einem der Gräber. Anhand eines Fotos, das in der Hemdtasche des Toten entdeckt wurde, versucht Fidel herauszufinden, um welche Person es sich dabei handeln könnte. Graciela, eine Frau, die seit dem 15. Januar 1988 ihren Mann sucht, sich an jeden Hinweis klammert und das blaue Hemd wieder erkennt, glaubt nun endlich Ruhe finden zu können. Doch so einfach erweist sich die Zuordnung der Überreste nicht.

Wie in vielen Ländern Südamerikas ist die Verschwundenen-Thematik auch in Peru wesentlich für die kulturelle Identität. Die Vergangenheit wird umgegraben und untersucht, um den Menschen, denen die Lieben genommen wurden, Frieden zu verschaffen. Doch das Geschehene bleibt ein undurchsichtiges Rätsel, was Gálvez Campos immer wieder in eindrücklich langen Einstellungen zeigt.

Doch der Film bleibt vage. Die erzählte Geschichte greift zu kurz. Das Geschehen um den unbekannten Toten stellt viele Fragen, deutet vieles an, bleibt aber unklar in seiner Aussage. Tut die aktuelle Regierung genug, um Vergangenheitsbewältigung zu ermöglichen oder hindert sie nicht die Menschen, die diese vorantreiben? Was passiert mit den vielen Kisten voller Erkenntnisse und Zeugnissen der Vergangenheit, die erst im Keller gestapelt und dann auf das Dach der Verwaltung geschafft werden, wo sie in der gleißenden Sonnen zu zerfallen drohen?

Eines aber zeigt NN: Nich nur die Hinterbliebenen leiden, sondern auch die Menschen, die sich ihrer annehmen. Menschen, die in schmerzhafte Familiengeschichten verwickelt werden, die ein gelbes Kleid eines Mädchens ausgraben und am Ende doch im Kleinen Gutes tun. Auch diese Menschen verzweifeln. Genauso wie diejenigen, die „ihre Verschwundenen“ noch nicht gefunden haben.

NN

„NN“ von Héctor Gálvez erzählt von der Exhumierung von Massengräbern, die die Folge des Konflikts zwischen Regierung und der Guerillaorganisation Sendero Luminoso in den 1980er Jahren waren. Damit nimmt sich der Film eines schwarzen Kapitels der peruanischen Geschichte an: Er zielt auf das Leiden, welches das Leben der Menschen noch heute bestimmt. Und meint damit nicht nur die Hinterbliebenen.
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