Muxmäuschenstill (2004)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die seltsame Moral des Herrn Mux

„Wenn ich Recht habe, dann können sich alle Roland Kochs, Dieter Bohlens, all die Auslaufmodelle dieser Republik, warm anziehen!“ Starke Worte, die der sauber gescheitelte, adrette Mittdreißiger namens Mux (Jan Henrik Stahlberg) dort von sich gibt. Doch es bleibt nicht einfach nur bei bloßen Worten, sondern der selbst ernannte Weltverbesserer lässt auch Taten folgen. Und zwar recht drastische. Da wird ein Verkehrssünder kurzerhand um 100 Euro „Geschwindigkeits-Übertretungspauschale“ sowie um sein Lenkrad erleichtert, um weitere Missetaten zu vereiteln.

Ziel der Aktion: Mux, ein junger Idealist will für eine neue Moral im Land eintreten und die Menschen wieder dazu bringen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Denn was ihn wirklich ankotzt, ist das fehlende Unrechtsbewusstsein, mit dem täglich unzählige Bagatelldelikte und Straftaten begangen werden. So zieht Mux aus, um seine Mitbürger das Fürchten zu lehren: Er enttarnt Schwarzfahrer und entlarvt Ladendiebe, er stellt Graffiti- Sprayer und stoppt Vergewaltiger. Doch die Missetäter müssen keineswegs nur finanziell bluten, mitunter wird Mux auch rabiat und drückt den Kopf eines Wiederholungstäters tief in den von ihm unsachgemäß entsorgten Hundekot.

Doch die fortwährende Sorge ums Allgemeinwohl wird langsam zuviel für den juvenilen Streiter für Verantwortung und Rechtsbewusstsein, so dass Mux den Langzeitarbeitslosen Gerd (Fritz Roth), einen tumben Tor mit Bernhardinerblick und Bierwampe, einstellt, um die Aktionen auf Video zu bannen. Doch der Grat zwischen Recht und Rechthaberei ist schmal und des Öfteren schießt Mux über das Ziel hinaus, wenn er beispielsweise einen Graffiti-Sprayer mit der Sprühfarbe blendet und dieser daraufhin seines Augenlichts beraubt vor eine S-Bahn stolpert. Trotzdem floriert das Geschäft und Mux expandiert schließlich mit seiner „Gesellschaft für Gemeinsinnpflege“, deren mediale Präsenz immer größere Ausmaße annimmt.

Als Mux schließlich auf einem seiner Wochenendausflüge der jungen Kellnerin Kira (Wanda Perdelwitz) begegnet, glaubt er in ihr den Inbegriff des Schönen, Reinen und Guten gefunden zu haben, sanft und ohne sexuelle Avancen umwirbt er die junge Frau und nennt sie „Mäuschen“. Doch schon bald stellt sich heraus, dass auch in der sich anbahnenden Beziehung der beiden Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Als Mux seine Angebetete schließlich in eindeutiger Situation mit einem anderen Mann erwischt, dreht Mux endgültig durch.

Muxmäuschenstill war der große Gewinner des diesjährigen Max-Ophüls-Festivals in Saarbrücken, wo der Film sowohl den Hauptpreis wie auch den Publikumspreis abräumen konnte. Selten war sich eine Jury so einig mit dem Publikum, denn oft genug liegen der Geschmack der Juroren und der Zuseher meilenweit auseinander. Dass ausgerechnet dieser Film ein solches Maß an Übereinstimmung hervorrief, ist allerdings schon verwunderlich. Denn Muxmäuschenstill ist ein denkbar unbequemer Film, der polarisiert wie kaum ein deutscher Film zuvor: Der Held ist eigentlich ein Anti-Held, ein moderner Michael Kohlhaas, der während seines einsamen Kampfes jedes Maß und Ziel aus den Augen verliert, eine traurige Gestalt, die ebenso anzieht wie abstößt. Und das Lachen, das die seltsamen Aktionen des Saubermannes hervorrufen, bleibt einem permanent im Halse stecken.

Und Ähnliches gilt auch für den Film selbst, denn lange bleibt vollkommen offen, welche Haltung der Regisseur Marcus Mittermeier und sein Autor Jan Henrik Stahlberg (der zugleich den sauberen Herrn Mux spielt) den moralischen Eskapaden ihrer Figur gegenüber einnehmen. So bleibt schließlich das Gefühl zurück, dass es unmöglich ist, diesen Film zu mögen oder nicht zu mögen. Viel eher ist der Film ein herzhafter Tritt in den Allerwertesten, der, wie es scheint, bitter nötig ist. Auch wenn es wehtut…

Muxmäuschenstill (2004)

Wenn ich Recht habe, dann können sich alle Roland Kochs, Dieter Bohlens, all die Auslaufmodelle dieser Republik, warm anziehen! Starke Worte, die der sauber gescheitelte Mittdreißiger namens Mux von sich gibt.

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Meinungen

v31lsd3 · 25.01.2006

Ein Film der einem zu denken gibt was von der geserllschaft tolleriert wird und worüber man einfach hinwegschaut weil, da nichts mehr selbstverständlich ist....