Log Line

Zuletzt zeigte Disney mit The Jungle Book, wie bezaubernd und fotorealistisch zugleich eine digital animierte Version der beliebten Geschichte aussehen kann. Nun versucht auch Andy Serkis, ihr mit CGI und Motion Capturing neues Leben einzuhauchen. Ob es gelingt?

Mogli: Legende des Dschungels (2018)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Der dunkelste Dschungel

Nach der neuen Disney-Variante des Dschungelbuchs (The Jungle Book, USA 2016) erscheint nun Andy Serkis‘ „Mogli: Legende des Dschungels“. Wie beim Disney-Remake handelt es sich auch bei Serkis‘ Film um den Versuch, mit modernster CGI und aufwändigem Motion Capturing neues Leben und nie dagewesene Nähe auf die altbekannte und beliebte Geschichte zu übertragen. Schade nur, dass „Mogli“ dabei völlig aus den Augen verliert, worum es im Herzen der Erzählung geht.

Etwas näher an Kiplings Vorlage als die Disney-Fassung, erzählt auch Mogli vom titelgebenden Menschenjungen (Rohan Chand), der im Dschungel von Wölfen, dem Panther Baghira (Christian Bale) und dem Bären Balu (Andy Serkis) großgezogen wird. Doch nicht nur Tiger Shir Khan (Benedict Cumberbatch) sieht im Menschen eine Gefahr für das Gleichgewicht – die anderen Tiere ahnen ebenso, dass ein Menschenkind nicht für immer unter ihnen leben kann, und verstoßen den Jungen in das Dorf der Menschen.

Serkis‘ Version der Geschichte gestaltet sich deutlich dunkler und ernsthafter als die bekannten Verfilmungen des Stoffes – keine Lieder, keine humorvollen Nebenfiguren, hier geht es um das Überleben einer Gemeinschaft, um die Rollen ihrer Mitglieder, die Bedrohungen, denen sie sich ausgesetzt sehen. Immer wieder streift der Film die Fragen nach Zugehörigkeit und Heimat, nach Ausgrenzung und Einsamkeit. Mogli gehört nicht zu den Tieren, er ist kein Wolf wie die anderen – aber er gehört auch nicht zu den Menschen, deren Konventionen er nicht kennt.

Mogli ist immer nah an seiner Hauptfigur, am Erleben des Jungen, dem der Dschungel mit der Erkenntnis, dass er nie wirklich zum Rudel der Wölfe gehören kann, immer fremder wird, dem aber auch die Menschenwelt furchteinflößend fern ist. Auch die Tiere des Dschungels, die Wölfe, Baghira und Balu, haben Angst vor dem, was aus Mogli werden könnte, vor der Gefahr, die er als Mensch für ihr friedvolles Leben darstellt.

So existiert kaum eine Figur in diesem Film, die nicht von Angst oder Hass zerfressen wäre: Angst vor dem Anderen, Angst vor dem Eigenen, Hass auf die Menschen, Hass auf die Tiere – zwischendurch scheint es, als wäre ein Ausweg zu Frieden und Freundschaft eine völlige Illusion. Es gibt keine Pointen, keinen Witz, nur das bitterernste Überleben, den gewaltsamen Prozess, eine Gemeinschaft zu bilden und aufrechtzuerhalten. Auch wenn der Film schließlich nach Grausamkeit und Kampf den Schimmer von Gerechtigkeit und Frieden andeutet, ist der Weg dorthin hart und mit Verlust gepflastert. 

Einen großen Beitrag dazu liefert die Ästhetik der über-realistischen Dschungel-Vision von Motion Capturing-Meister Andy Serkis. Dessen Versuch, nie dagewesenen Fotorealismus in die Darstellung sprechender Tiere einzuführen, konnte bereits in den jüngsten Planet der Affen-Filmen (2011-2017) bestaunt werden – in der phantastischen Welt des Dschungelbuchs wirkt er jedoch völlig deplatziert und streift besonders bei Balu immer wieder die Gefilde des sogenannten uncanny valley, jener Region digitaler Animation, die gerade zu real und zu irreal zugleich ist, um funktionieren zu können.

Der Film erschafft somit eine düstere Welt, der jede phantastische Qualität, jede fantasievolle Magie abhandengekommen ist. The Jungle Book überraschte gerade deswegen, weil er einen Mittelweg zwischen beeindruckender Tier-Animation und weicher Anpassung dieser Tiere fand. Mogli dagegen macht mit jedem Bild seiner animierten Tiere deutlich, dass es sich um wilde Tiere handelt, um viel zu echte Tiere, mit denen ein Mensch niemals friedvoll befreundet sein kann. Dass gleichzeitig die Mimik der Tiere dennoch stark anthropomorph geformt ist, verstärkt nur den gruseligen, befremdlichen Eindruck des uncanny valley-Effekts.

Am Ende ist das größte Problem des Films ganz einfach: Er ist nicht kindgerecht. Er erzählt keine Geschichte, bei der es etwas zu lernen gäbe, außer dass das Leben hart und ungerecht ist, dass selbst der Kampf für das Gute immerzu Opfer bedeutet, dass es am Ende vielleicht so etwas wie Gerechtigkeit nur zu einem enormen Preis gibt. Gleichzeitig ist aber diese durchaus valide Sicht auf die Welt mit derart flachen und trotz des grandiosen Casts miserabel synchronisierten Dialogen (Tiefpunkt: die sonst wundervolle Cate Blanchett als Kaa) versehen, dass auch erwachsene Zuschauer*innen keine besonders interessante Erfahrung mit dem Film machen dürften. Abseits einer mäßig beeindruckenden Technik-Demonstration von Andy Serkis‘ unbestrittenem Können, weiß Mogli nichts weiter mit seiner Welt und seinen Figuren anzufangen.

Mogli: Legende des Dschungels (2018)

Ein Menschenkind, aufgezogen von Wölfen, muss dem bedrohlichen Tiger Shere Khan sowie seinen eigenen Ursprüngen entgegentreten. Unter der Regie von Andy Serkis und dem Namen seiner Produktionsfirma Imaginarium Productions werden wieder viele große Namen den Tieren ihre Stimme verleihen: Cate Blanchett (Kaa), Christian Bale (Bagheera), Benedict Cumberbatch (Shere Khan), Naomie Harris (Nisha) und Andy Serkis selbst (Baloo).

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Steffi · 24.01.2019

5 Sterne und ich hätte gern die DVD. Warum bekommt man die nirgens?

Andreas Niehaus · 17.12.2018

Grandioses Junglespektakel für Erwachsene.
Bildgewaltig und fern von allen Kinderfilmen. Baloo kein Tunichgut, sondern Ausbilder. Baghera als Mensch-erfahrener Jungleflüchtling. Am Ende Mowgli als Schutzpatron des Jungles und seiner Lebewesen.
Ein toller, ein grandioser Film. Gerade weil anders.
5 Sterne

Simon · 13.12.2018

Grausamer Aktion Film - gar nicht happy oder lustig wie die Disney Variante.
Kommt eher wie der "Killer Mogli" und seine Freunde im Blutrausch.

Tina · 10.12.2018

Dieser Film ist extrem grausam, realistisch und traurig. Szenen wie die mit dem Albino Wolf gehen echt unter die Haut und sind nichts für sensible Personen. Meiner Meinung nach ist es unverantwortlich den Film einem unter 16 Jahren zu zeigen, da es viel Gewalt und realistische Todes Szenen gibt.