Mord im Orient-Expreß

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Sonntag, 25. Januar 2009, Das Vierte, 20:15 Uhr

Wer diesen legendären, wunderbar frisch inszenierten Klassiker nach dem ebenso berühmten Krimi von Agatha Christie trotz zahlreicher Aufführungen im Fernsehen noch nie vollständig und in aller Ruhe gesehen hat, bekommt hier seine Chance. Mord im Orient-Expreß / Murder on the Orient Express versammelt ein exzellentes, engagiert aufspielendes Ensemble zu einer höchst spannenden Begegnung mit der Figur des exzentrischen französischen, pardon: belgischen Privatdetektivs Hercule Poirot, der hier stilecht überwältigend von Albert Finney verkörpert wird. Regisseur Sidney Lumet gelang eine eng an der Romanvorlage orientierte, mit liebevollen Details ausgestattete Verfilmung des aufregend konstruierten Stoffes, die unter anderem für sechs Oscars nominiert war und 1975 eine der begehrten Trophäen für Ingrid Bergman als Beste Nebendarstellerin erhielt.

In Istanbul ist der berühmt-berüchtigte und bis hin zum unvermeidlichen Schnauzbart perfekt in seinem ganz eigenen modischen Entwurf gestylte Detektiv Hercule Poirot (Albert Finney) unterwegs, als er dringend zurück nach London verlangt wird. Dieser messerscharfe, schräge Denker hat offensichtlich Freunde in aller Welt, und auf Grund seiner guten Kontakte zum Direktor der Eisenbahnlinie, Signor Bianchi (Martin Balsam), bekommt er doch noch einen Platz im Schlafwagen des ausgebuchten Orient-Expresses, der bald darauf seine Reise durch die karge Winterlandschaft antritt. Noch ahnt Poirot allenfalls, welch illustre Gesellschaft sich im Zug eingefunden hat, doch als im nächtlichen Jugoslawien der Amerikaner Mr. Ratchett (Richard Widmark) ermordet wird, macht er rasch die Bekanntschaft der verschüchterten Missionarin Greta Ohlsson (Ingrid Bergam), des jovialen Colonel Arbuthnot (Sean Connery), der malerisch-majestätischen Prinzessin Dragomiroff (Wendy Hiller) sowie der übrigen höchst interessanten Reisenden, denn Signor Bianchi vertraut ihm die Nachforschungen zu diesem Mord an.

Als die Eisenbahn schließlich fernab jeden Ortes in den gewaltigen Schneemassen abrupt ihre Fahrt unterbrechen muss, bis ein Räumungstrupp eintrifft, spitzt sich die ohnehin extrem angespannte Situation noch einmal mehr zu, denn Poirot muss davon ausgehen, dass sich der Mörder noch im Zug befindet. Zudem kristallisiert sich heraus, dass wohl kaum der Zufall diese Reisegesellschaft zusammengebracht hat, die im Verborgenen stärker zusammenhängt, als es den Anschein hat. Es beginnt ein Gefecht der Fragen und Antworten, an dessen Ende nicht so sehr eine letztliche Wahrheit von Bedeutung ist, sondern vielmehr eine moralische Entscheidung.

Mord im Orient-Expreß / Murder on the Orient Express stellt nach wie vor einen klugen, unterhaltsamen Film mit einer geschickt konstruierten Referenz auf ein früheres Verbrechen dar, dem es erstaunlich gut gelingt, die anregende Vielschichtigkeit seines literarischen Ursprungs zu repräsentieren. Ein unverzichtbares Kleinod der Filmgeschichte!
 

Mord im Orient-Expreß

Wer diesen legendären, wunderbar frisch inszenierten Klassiker nach dem ebenso berühmten Krimi von Agatha Christie trotz zahlreicher Aufführungen im Fernsehen noch nie vollständig und in aller Ruhe gesehen hat, bekommt hier seine Chance.

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