Mörderspiel

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Abgründe im Wunderland

Nachdem Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs am Boden lag, sorgte das Wirtschaftswunder der 1950er und 1960er Jahre für eine zuversichtliche Stimmung. Die Sehnsucht nach Harmonie und Optimismus äußerte sich im Genre des Heimatfilms, der in den beiden Jahrzehnten seine Blütezeit entfaltete. Anfang der 1960er Jahre öffnete sich angesichts des wirtschaftlichen Erfolgs aber auch wieder der Raum für Abgründe. Denn unter der Oberfläche der Rührseligkeit musste doch noch etwas anderes lauern, etwas, das beispielsweise Romane in Illustrierten mit Geschichten über Verbrechen befriedigten. Helmut Ashleys Mörderspiel ist genau an der Grenze zwischen Oberfläche und Abgrund angesiedelt.
Ein Mörder hat gerade eine Frau getötet, später wird klar, dass er ein Serienkiller ist. Als der Täter Klaus Troger (Harry Meyen) den gesäuberten Tatort verlässt, trifft er zufällig den Jungarchitekten Hein Kersten (Götz George). Beide verbindet eine lose Bekanntschaft und so schafft es Kersten, dass ihn Troger zu einer Party in eine Penthouse-Wohnung begleitet. Dort trifft sich eine illustre Schar der Gesellschaft zwischen Sensationsjournalistin Cornelia (Hanne Wieder), Schauspielerin Claudia Ahrends (Margot Hielscher), It-Girl Babsy Lenz (Anita Höfer), Lebemann Dahlberg (Georges Rivière), und ein paar Geschäftsleuten. Auch Trogers Ehefrau Eva (Magali Noël), die von ihm aber nichts mehr wissen will, ist anwesend. Während Troger Pläne schmiedet, wie er den lästigen Zeugen Kersten um die Ecke bringen kann, soll das sogenannte Mörderspiel die etwas steife Party auflockern. Dabei muss einer der Gäste als Detektiv in einem imaginären Mordfall ermitteln. Troger will die Gelegenheit nutzen. Als das Licht wieder angeht, liegt tatsächlich eine echte Leiche am Boden. Inspektor Arnold (Wolfgang Kieling) muss unter den schockierten Partygästen ermitteln.

Helmut Ashley baut die Situation eines in die Ecke gedrängten Mörders auf, der fürchtet entdeckt zu werden. Dabei weiß der Zuschauer, dass Troger zu brutalen Taten fähig ist, die Menschen in seiner Umgebung aber nicht. Das ist Suspense in Reinkultur und Ashley steigert die bedrohliche Situation noch, indem er Kersten, das potenzielle nächste Opfer, räumlich und persönlich an den Mörder Troger kettet. Kersten läuft ohne es zu wissen selbst zur Schlachtbank und bringt den möglichen Schlächter gleich noch mit.

Während sich die Penthouse-Wohnung zu einem gefährlichen Ort entwickelt, bietet sich zunächst ein ganz anderes Bild aus oberflächlicher Freizeitgestaltung. Unterschiedliche Teile der Gesellschaft, denen grundsätzlich eine gewisse bedeutungsvolle Stellung zwischen Kunst, Presse und Wirtschaft zu eigen ist, haben sich hier zu einem harmlosen Abendspaß versammelt. Dabei wirken Pokerrunde, allein an der Bar sitzende Gestalten und über Belanglosigkeiten räsonierende Gäste, deren einziger Zusammenhalt der Partyanlass zu sein scheint, wie der Ausdruck ihrer eigenen Erstarrung. Das Mörderspiel soll die nötige Spannung erzeugen und das tut es dann auch, aber auf so ernste Weise, wie sich das niemand der Anwesenden gewünscht hätte.

Die Oberfläche bricht plötzlich auf und entlarvt den reinen Optimismus angesichts des Sedativs „Wirtschaftlicher Erfolg“ als zu einlullend. Und so wirkt die gelangweilte, zumindest einen Teil der deutschen Gesellschaft symbolisierende Partyschar wie ein kollektiver Verdrängungsapparat, der angesichts des Irrglaubens fehlender Verbrechen diese als Gag nachstellen muss. Passend dazu wechselt die Bildsprache des meisterlichen Kameramanns Sven Nykvist zwischen glänzend-showartigen Illuminierungen der Figuren und düsteren Momenten. Mithilfe der visuellen Kontraste fordert Nykvist dazu auf, der Verführung der Oberfläche nicht bedingungslos zu trauen. Optimismus hat seinen wichtigen Platz, aber die kritische Note darf nicht verloren gehen.

Die DVD aus dem Hause Pidax weist leider ein paar Schwächen auf, dennoch kann man den Film recht gut ansehen. Bei manchen Schwenks sind kurzzeitig regenbogenartige Farbschlieren zu sehen und über dem gesamten Geschehen – manche Nahaufnahmen ausgenommen – scheint ein leichter Schleier zu liegen. Das wirkt sich auf die Schärfe aus, sodass das Bild etwas matschig wirkt. Der Kontrast hingegen ist einwandfrei, sodass die differenzierten Graustufen gut zur Geltung kommen.

Mörderspiel

Nachdem Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs am Boden lag, sorgte das Wirtschaftswunder der 1950er und 1960er Jahre für eine zuversichtliche Stimmung. Die Sehnsucht nach Harmonie und Optimismus äußerte sich im Genre des Heimatfilms, der in den beiden Jahrzehnten seine Blütezeit entfaltete. Anfang der 1960er Jahre öffnete sich angesichts des wirtschaftlichen Erfolgs aber auch wieder der Raum für Abgründe.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen