Mobile Home

Die Kunst zu leben

Es gibt solche kleinen Filme, die nur von der Portraitierung ihrer Figuren leben. Mobile Home zeichnet kein großer Spannungsbogen aus, der Plot ist für den ein oder anderen Zuschauer bestimmt unbefriedigend. Und doch ist Mobile Home von François Pirot ein toller Film, weil er schonungslos das – wohl auch zukünftige – Scheitern eines jungen Mannes zeigt: Ein Film über einen Lebenskünstler, dem die Kunst aber nicht so recht gelingen mag.
Im Zentrum von Mobile Home stehen die beiden Mittzwanziger Simon und Julien, die sich an einem Abend entschließen, ihren (beziehungsweise eigentlich Simons) langgehegten Traum zu verwirklichen: Ein Wohnmobil zu kaufen und sich aufmachen auf die Reise ihres Lebens, die vielleicht auch ein ganzes Leben dauern kann – das betont Simon am Vorabend der Reise, als die beiden mit Freunden ihren Abschied feiern. Sie wollen zunächst durch Frankreich fahren, dort anhalten und arbeiten, wo es ihnen gefällt: bei der Ernte helfen, sich sozusagen das täglich‘ Brot verdienen.

Am nächsten Morgen starten sie, werden jedoch schnell von Simons Eltern eingeholt, die sich mit der Idee der großen Reise so gar nicht anfreunden können. Zumal Simon den Wohnwagen von dem Geld gekauft hat, das die Eltern eigentlich für die Gründung einer Familie und eines Eigenheims zusammengespart hatten. Simon liefert sich eine Verfolgungsjagd mit dem elterlichen Auto, die jäh auf einer matschigen Waldlichtung endet – und dann auch das Wohnmobil erst einmal zum Erliegen bringt. Nach einer kurzen Auseinandersetzung brausen Mutter und Vater – er besonders erbost – davon, und auch Simon und Julien fahren zurück in die Stadt und parken ihr mobiles Zuhause auf dem Parkplatz einer Autowerkstatt.

Die Heimatstadt wird somit zur ersten Station ihrer Reise. Sie campen auf besagtem Parkplatz und arbeiten in der Baumschule eines ehemaligen Kommilitonen. Sie kaufen im heimischen Lebensmittelgeschäft ein und kochen sich ihr eigenes Essen. Doch schnell wird deutlich, dass sich vor allem Julien nur schwer von seinem Vater und dann auch von Sylvie, Schreibkraft in der Baumschule, trennen kann. Und auch Simon verliert sich in immer neuen Episoden seines Lebens, so dass der Aufbruch immer wieder verschoben wird.

Mobile Home ist vor allem ein Film über Simon. Und Simon ist ein Künstlertyp, der suchend durch die Welt zieht, aber sich dabei eher verliert, als sich findet. Die Episode des Komponierens zeigt dies sehr gut, die Begegnung mit einer alten Bekannten ebenso, nach welcher Simon selbst sagt: Wer andauernd sagt, er sei glücklich, mit dem stimmt etwas nicht. So ist das mit dem Komponieren: Nachdem Maya Simon für sein Musikstück gelobt hat und spätestens nachdem er der im Supermarkt angetroffenen Bekannten davon erzählt hat, dass er gerade dabei sei, ein Album aufzunehmen, setzt er sich immer stärker in den Kopf, dass genau dies seine neue Mission ist: Musik machen, Lieder schreiben, komponieren. Man sieht ihm zu, wie er die ganze Nacht im Wohnwagen singt und rockt; er geht nicht mehr auf das Tannenbaumgrundstück und lässt Julien von nun an alleine das Geld für die Reise verdienen; er geht zu seinen Eltern und holt seine E-Gitarre unter dem Bett im Kinderzimmer hervor – und macht dann bei der ersten Probe der reanimierten Band nur eine schlechte Figur mit ein paar Riffs, einem Satz, einem Motiv. Den Song jedoch hat er nicht geschrieben; als Komponist und Musiker ist er gescheitert.

Und so, das macht der Film deutlich, werden auch die nächsten Projekte von Simon enden – im Nichts. Er hat eine Idee, lässt sich davon begeistern und macht diese Idee zum – kurzfristig – einzigen Inhalt seines Lebens. Nach einigen halbherzigen Versuchen verhallt sie aber ebenso erfolglos im Nirgendwo wie das angeblich komponierte Lied. Simon fehlt die nötige Erdung, über die Julien verfügt. Dies wird allerdings erst später deutlich. Während Julien sich für den kranken Vater aufopfern, sich verpflichten kann, gelingt dies Simon nicht. Julien steht zunächst im Schatten von Simon, zeigt sich sprunghaft, nicht entscheidungsfreudig und fast kindlich (vor allem, wenn er mit seinem Metalldetektor durch die Gegend spaziert), lässt sich von Simon zur Reise durch Europa richtiggehend überreden. Doch am Ende tritt er als ein selbstbewusster Mann hervor, der weiß, was er ist und was er will. Simon hingegen wird weitersuchen müssen.

Damit erzählt Mobile Home die klassische Geschichte eines Road Movies, ohne dass die beiden Figuren eine wirkliche Reise machen. Die Reise findet vielmehr als Idee statt – auf den Parkplätzen ihrer Heimatstadt, im Ausprobieren neuer Dinge und im Leben in einem mobilen Wagen, der jedoch nur wenig von der Stelle bewegt wird. Sie besteht aus dem Suchen der Figuren, auch wenn sich zumindest Simon dies nicht eingestehen will: Für ihn, so konstatiert er, sei die Reise sein Leben und nicht die Suche nach dem Leben. Und hierbei ist die viel jüngere Maya schon um einiges weiter als Simon, der schon studiert hat und nun eigentlich – so sehen dies seine Eltern – eine Familie gründen könnte: Maya ist sich bewusst, dass sie noch nicht weiß, was sie im Leben machen will; sie findet es toll, im Moment zu leben, sich treiben zu lassen und einfach einmal abzuwarten, wohin einen eine Reise führt. Dieses Bewusstsein fehlt Simon und das, wer weiß, für immer.

(Verena Schmöller, Festivalkritik Französische Filmtage Tübingen 2012)

Mobile Home

Es gibt solche kleinen Filme, die nur von der Portraitierung ihrer Figuren leben. „Mobile Home“ zeichnet kein großer Spannungsbogen aus, der Plot ist für den ein oder anderen Zuschauer bestimmt unbefriedigend. Und doch ist „Mobile Home“ von François Pirot ein toller Film, weil er schonungslos das – wohl auch zukünftige – Scheitern eines jungen Mannes zeigt: Ein Film über einen Lebenskünstler, dem die Kunst aber nicht so recht gelingen mag.
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