Mixed Kebab

Eine Filmkritik von Paul Collmar

Manchmal sind vier Leben nicht genug

Wer jemand ist, das ist immer und vor allem eine Frage des Blickwinkels. Und so stellt sich die Hauptfigur in Guy Lee Thys´ Film Mixed Kebab zur Sicherheit gleich viermal vor: Gestatten? — „Ibrahim, Türke“. Dann: „Bram, Belgier“. Außerdem ist er noch Moslem und — wie er dann bekennt — schwul. Diese Reihung, diese verschiedenen Identitäten bringen Brams Dilemma treffend auf den Punkt. Im Prinzip vereinigen sich in Bram Aydin (Cem Akkanat) Widersprüche, wie sie auch andere Sprösslinge aus Migrantenfamilien in verschiedener Gestalt kennen: Sie kennen die Traditionen ihrer fernen Heimat, doch das echte Leben, das sie in ihren Gastländern leben, ist ein ganz anderes – und ja, es ist auch ein freieres. Dennoch, weil sie so aufgewachsen sind, dass sie gegenüber ihren Eltern und den Gepflogenheiten ihrer Herkunftsländer Respekt zeigen müssen, sind sie häufig dazu gezwungen, ein Doppelleben zu führen – wie eben auch Bram.
Doch er ist nicht der einzige, der seinen eigenen Weg zwischen verschiedenen Rollen und Identitäten finden muss: Auch sein jüngerer Bruder Furkan (Lukas de Wolf) schwankt zwischen Tradition und Fortschritt – wobei bei ihm die beiden Pole entschieden anders aussehen als bei Bram: Seine Rollenmuster bestehen aus den beiden Optionen Kleinganove oder sittenstrenger Fundamentalist. Ähnlich verhält es sich auch mit Brams Verlobter Elif (Gamze Tazim), die in Anatolien auf das vermeintlich bessere Leben in Antwerpen wartet und die erst in der Stadt, weit weg von der eigenen Verwandtschaft, Lippenstift auftragen kann. Wüsste sie freilich, dass aus dem süßen Leben in Belgien nichts wird, könnte sie sich den Aufwand sparen. Denn als ihr ferner Verlobter dem blonden Kevin (Simon Van Buyten) begegnet, ist es um ihn geschehen. Allerdings – und da kommt dann wieder die Sache mit den verschiedenen Rollen ins Spiel – ist das Leben, das Bram gerne mit Kevin führen würde, selbst im liberalen Belgien nicht so einfach, weil die Familie sehr eigene Vorstellungen von Ehre hat.

Mindestens so bunt gemischt wie Brams verschiedene Leben ist auch dieser Film, dem bei aller Vorliebe fürs Komödiantische ein überaus ernstes Thema zugrunde liegt, das vor kurzem erst die belgische Öffentlichkeit bewegte: Im Frühjahr dieses Jahres wurde in der Nähe von Lüttich der Leichnam von Ihsane Jarfi aufgefunden, der nach dem Besuch einer Schwulenbar von vier Männern zu Tode geprügelt worden war – man wollte ihm, so die Täter später, „eine Lektion erteilen“. Es war das erste Hate Crime in Belgien, bei dem das Opfer aufgrund seiner sexuellen Orientierung zu Tode kam. Auch wenn Mixed Kebab sich am Ende durchaus in eine ähnliche Richtung bewegt, überwiegen dennoch die komischen, die heiteren und einige Male auch derben Momente, die freilich des öfteren mit recht grobem Pinselstrich und unter Zuhilfenahme so ziemlich jeden Klischees derart vehement auf die Leinwand gezimmert werden, dass einem Hören und Sehen vergeht. Das Problem ist dabei, dass die zahlreichen Gags und teils sehr gewollten Lacher eben dieses ernsthafte Anliegen zu sehr in den Hintergrund treten lassen.

Das ist zwar durchaus erfrischend und kurzweilig anzusehen, mit der Zeit aber dämmert einem, dass das alles, was Guy Lee Thys da auf die Leinwand bringt, so neu gar nicht ist – Stephen Frears wagte Ähnliches bereits in den Achtzigern mit Mein wunderbarer Waschsalon / My Beautful Laundrette, mit dem Daniel Day-Lewis seine Karriere begann. Mit dem genannten Vorbild kann Mixed Kebab dann bei aller Frische immer noch nicht mithalten. Eine kesse Alternative im manchmal doch recht formelhaften New Queer Cinema ist er aber trotzdem. Auch deshalb, weil das Happy End, das der Film bereit hält, so bemerkenswert realistisch ausgefallen ist.

Mixed Kebab

Wer jemand ist, das ist immer und vor allem eine Frage des Blickwinkels. Und so stellt sich die Hauptfigur in Guy Lee Thys‘ Film Mixed Kebab zur Sicherheit gleich viermal vor: Gestatten? — „Ibrahim, Türke“. Dann: „Bram, Belgier“. Außerdem ist er noch Moslem und — wie er dann bekennt — schwul.
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