Mistaken for Strangers

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Mein Bruder, der Indie-Rock-Star

Ja – man könnte sie tatsächlich fälschlicherweise für „strangers“, für zwei einander völlig Fremde, halten: den schlanken, seriös wirkenden Matt im schicken Maßanzug und den rundlichen Tom, der im Slacker-Outfit und mit (nach-)lässiger Langhaar-„Frisur“ daherkommt. Doch die beiden sind Brüder. Matt Berninger – der ältere – ist Frontmann der erfolgreichen Band The National; Tom wohnt noch zu Hause bei den Eltern in Cincinnati und dreht dort Splatter-Movies auf Amateurniveau (etwa über „einen Barbaren in der Identitätskrise“).
Als Matt seinem Bruder vorschlägt, als Helfer mit auf Welttournee zu kommen, sieht Tom darin sogleich die Chance, einen Dokumentarfilm über die Band und ihre Tour zu machen. Rasch vernachlässigt Tom seine eigentlichen Pflichten (Handtücher und Wasserflaschen bereithalten, die Gästeliste hinterlegen et cetera), um sich seinen Rockumentary-Ambitionen zu widmen. Mit seiner Unzuverlässigkeit löst er im perfekt durchorganisierten Konzert-Betrieb Chaos und Unmut aus – bis er für die Band und insbesondere für das Management untragbar wird. Der (Möchtegern-)Filmemacher rückt daher seine eigenen Probleme sowie sein Scheitern als Künstler in den Mittelpunkt seines bedrohten Werks – und erhält abermals die Unterstützung seines Bruders.

Die Frage, inwiefern Toms Slackertum eine Selbstinszenierung und der Dilettantismus Absicht ist, um Mistaken for Strangers ausreichend Konflikt- sowie Unterhaltungspotenzial zu verleihen, ist letztlich wohl müßig. Entscheidend ist, dass das Ergebnis zweifelsohne einen hohen Amüsier- und zudem auch einen gewissen Anrührfaktor besitzt. Neben einigen schönen Konzertausschnitten und Backstage-Einblicken, wie man sie in einer konventionell gemachten Band-auf-Tour-Chronik in der Hauptsache erwartet, gibt es diverse herrlich absurde Fremdschäm-Passagen, die wie eine Parodie auf die Gattung des Dokumentarfilms anmuten. Tom – der eher ein Heavy-Metal-Anhänger ist und den ganzen Indie-Kram eigentlich ein bisschen prätentiös findet – führt mit Matt und den anderen vier Band-Mitgliedern erstaunlich konzeptlose Interviews, in denen er seine Gesprächspartner mit Nonsens-Fragen irritiert. Überdies gibt er den fünf Musikern seltsame Regieanweisungen und nötigt ihnen ein paar lustig-theatralische Posen für sein filmisches Werk ab.

Anrührend ist Mistaken for Strangers, wenn es um die Geschwisterdynamik geht. Die Beziehung der ungleichen Brüder wird als emotionales Gemisch aus Liebe, Genervt-Sein, Anerkennung, Neid, Vertraut- und Fremdheit erkennbar; beiden gelingt es, im jeweils anderen ganz ungeahnte Seiten zum Vorschein zu bringen. Da es sich bei den übrigen vier Mitgliedern von The National um zwei Brüderpaare handelt, hätten deren Verhältnisse zueinander eventuell noch näher beleuchtet werden können, um die Sache zu bereichern. Toms Film ist, alles in allem, ein wenig zu narzisstisch und eng gefasst; doch ohne Frage hat das „schwarze Schaf“ der Berninger-Familie hier ein Werk mit reichlich Herzblut und Humor geschaffen.

Mistaken for Strangers

Ja – man könnte sie tatsächlich fälschlicherweise für „strangers“, für zwei einander völlig Fremde, halten: den schlanken, seriös wirkenden Matt im schicken Maßanzug und den rundlichen Tom, der im Slacker-Outfit und mit (nach-)lässiger Langhaar-„Frisur“ daherkommt. Doch die beiden sind Brüder. Matt Berninger – der ältere – ist Frontmann der erfolgreichen Band The National; Tom wohnt noch zu Hause bei den Eltern in Cincinnati und dreht dort Splatter-Movies auf Amateurniveau (etwa über „einen Barbaren in der Identitätskrise“).
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