Mein Traum oder Die Einsamkeit ist nie allein

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die theatralische Sinnsuche des Roland Reber

Es gibt sie noch – die wahren Independent-Filmer. Auch in Deutschland gedeihen abseits des Mainstreams und fern von den Zuschüssen der Filmförderanstalten Filme, die künstlerisch wie auch inhaltlich etwas wagen – und oft genug gewinnen. Einer dieser wenigen verbliebenen wirklich unabhängigen Filmemacher ist Roland Reber. Der Regisseur, dessen langjährige Arbeit am Theater auch bei seinen Filmen stets zu spüren ist, rief 1998 die wtp International Filmproduktion, Vertrieb & Verleih GmbH ins Leben und macht seitdem Filme, die in ihrer Anlage deutschlandweit einmalig sind – und zwar in jedem Sinne. Man mag von seinen Filmen halten, was man will – angepasst oder dem Mainstream auf der Spur sind sie jedenfalls nicht. Auch in seinem neuen Werk mit dem Titel Mein Traum oder Die Einsamkeit ist nie allein entführt der Regisseur sein Publikum wieder in ein bizarres und sehr theatralisches Panoptikum, in dem es wie stets um die Sinnsuche, um das Leben an sich und die Fluchtmöglichkeiten aus Routine und Erstarrung geht. Ob man sich darin wieder findet oder – und auch das ist eine häufige Reaktion bei den Filmen Rebers – den Saal vorzeitig verlässt, das hängt ganz davon ab, inwiefern man bereit ist, sich auf die Negierung beinahe aller filmischen Regeln einzulassen.
Im Mittelpunkt des Films steht ein Mann (Wolfgang Seidenberg) – Reber gesteht im keinen Eigennamen zu, um das universell Gültige der Person zu betonen –, der genervt von der alltäglichen Routine Reißaus nimmt aus seinem Leben und von seiner Frau (Marina Anna Eich). Bei seiner Flucht landet er auf einem leer stehenden, verlassenen Fabrikgelände, auf dem er auf eine Frau namens Godot (Mira Gittner) trifft, der er sich anschließt. Godot lebt buchstäblich im Dreck, sie sucht in den menschlichen Hinterlassenschaften nach Anzeichen und Spuren von Leben – zu welchem Zweck auch immer. Im Verlauf ihres Beisammenseins sieht der Mann – von Godot angeleitet – das eigene Leben immer wieder wie einen Film, wie eine Casting-Show vor dem inneren Auge an sich vorüberziehen. Sein Leben, die Menschen, die ihn umgeben und die ihm etwas bedeuten und letzten Endes auch er selbst – sie alle sind Akteure in einer Show, die sich Leben nennt…

Mein Traum oder Die Einsamkeit ist nie allein ist zweifelsohne ein Film mit einem gewaltigen Anspruch: Abseits der ausgetretenen Pfade des filmischen Erzählens geht es nicht allein um ein Thema, sondern um viele – Fragen der Identität und der Realität werden ebenso verhandelt wie Einsamkeit als „conditio humana“, der Film ist zugleich eine schrille Nummernrevue, eine beißende Medienschelte, eine philosophische Sinnsuche und ein extrem verfremdetes KUNSTwerk, das nur eines im Sinn hat – das Leben in aller seiner Fremdartigkeit, Absurdität und Vielfalt einzufangen und auf die Leinwand zu bannen. Roland Reber und sein Team, bei dem sich kaum einer allein auf eine Funktion beschränkt, ziehen alle Register, sie bedienen sich der Mittel des Theaters, der Performance Art, des Films und der gesamten Medienwelt, die meist als Parodien oder schräge Travestien daherkommen. Das ständige Pendeln zwischen höchstem Anspruch und größtmöglicher Banalität scheint nicht zufällig, sondern eher integraler Bestandteil eines künstlerischen Masterplans zu sein.

Immer wieder fühlt man sich an die Wiener Aktionisten erinnert, dann wieder gemahnt das Ganze an eine Horde wild gewordener Wanderschauspieler, deren größtes Vergnügen darin liegt, möglichst viele Spießbürger nach Kräften zu erschrecken. Wer einmal ein Jahresabonnement in einem beliebigen deutschen Provinztheater sein Eigen nannte, der weiß, wie sensibel manches Publikum immer noch auf das Wörtchen „Scheiße“ reagiert und wie sehr sich Herr und Frau Jedermann über den Anblick nackter Haut echauffieren können.

Dieses Oszillieren zwischen Extremen ist geradezu typisch für Rebers Filme, und es macht die Auseinandersetzung mit dem Filmemacher nicht gerade einfacher. Ob seine Botschaften auch beim großen Publikum ankommen, darf man bezweifeln. Zumal am Ende viele Fragen offen bleiben – frei nach Brecht. Eines aber hat Roland Reber mit Sicherheit erreicht – man kann den Film nur hassen oder lieben, man kann über manche Schwächen hinwegsehen, kann den trashigen Look mancher Special Effects ignorieren, manche verschwurbelte Lebenshilfe-Rhetorik überhören oder auch nicht. Gleichgültig lässt Mein Traum oder Die Einsamkeit ist nie allein einen mit Sicherheit nicht.

Mein Traum oder Die Einsamkeit ist nie allein

Es gibt sie noch – die wahren Independent-Filmer. Auch in Deutschland gedeihen abseits des Mainstreams und fern von den Zuschüssen der Filmförderanstalten Filme, die künstlerisch wie auch inhaltlich etwas wagen – und oft genug gewinnen.
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Meinungen

Amelie · 24.03.2008

Mir kam der Film wie ein schlechtes Theaterstück vor. Als Kinofilm nicht sonderlich geeignet.
Man kann sich wirklich nicht entscheiden, ob es ein missglückter oder ein sehr gut gelungener Film ist.
Vielleicht wirkt er nicht besonders beeindruckend, weil er schwierig zu verstehen ist....

Jan · 15.03.2008

Ein schwieriger Film.
Man weiß nicht, ob es der größte Amateurfilm aller Zeiten oder Kunst ist, die den Betrachter nun mal fordert.
Auf jeden Fall stellt er wichtige Fragen und hat eine große Ernsthaftigkeit.

Ein letztes Unikum in einer stromlinienförmigen Arthaus-Landschaft.

Ein Film, der einen noch Tage danach beschäftigt