Mein bester Freund (2006)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der wahre Werte der Freundschaft

Manchmal ist es einfach besser, nicht zu wetten. Diese Erfahrung muss auch der erfolgreiche Pariser Antiquitätenhändler François (Daniel Auteuil) machen. Als er auf einer Auktion eine antike griechische Vase ersteigert, offenbar sich ihm quasi en passant das Drama seines Lebens, denn um die Vase rankt sich eine Legende: Angeblich, so die Geschichte, soll der antike Held Achilles dieses Gefäß mit seinen Tränen gefüllt haben, als er vom Tod seines Freundes Patrokles auf dem Schlachtfeld vor den Toren Trojas erfahren haben soll. Diese Geschichte veranlasst seine Geschäftspartnerin Catherine (Julie Gayet) zu der Bemerkung, François habe sicher niemanden auf der Welt, der ihm nur eine Träne nachweine. Das kann der Angesprochene natürlich nicht auf sich sitzen lassen, und so kommt es zu der folgenschweren Wette, in deren Verlauf der Erfolg versessene Einzelgänger binnen 10 Tagen seinen besten Freund präsentieren soll. Sollte dies nicht gelingen, womit Catherine fest rechnet, geht die kostbare Vase in ihren Besitz über. Nun hat François ein Problem, denn die Suche nach einem wahren Freund gestaltet sich schwieriger als angenommen. Begleitet von dem schlichten, aber herzensguten Taxifahrer Bruno (Dany Boon) holt er sich eine Abfuhr nach der anderen und muss erkennen, dass sich niemand so recht zu ihm bekennen mag. Offensichtlich sind sein Auftreten und sein ganzes Verhalten so unerträglich, dass über das rein Geschäftliche hinaus niemand näheren Umgang mit ihm pflegen möchte. Zum Glück aber gibt es Bruno, der sich mit Freundschaft und den wirklich wichtigen zwischenmenschlichen Werten jenseits von beruflichem Erfolg bestens auskennt und der sich nun als wahrer Lehrmeister in Sachen Freundschaft erweist. Doch selbst ausgestattet mit Tipps, wie man sich Freunde macht, vermasselt François ein ums andere Mal die Sache, und fast schon sieht es aus, als müsse er sich von der Vase verabschieden, bis ihm plötzlich die Augen aufgehen, dass er bereits einen wirklich guten Freund sein Eigen nennen kann…

Jedem anderen Regisseur wäre Mein bester Freund / Mon meilleur ami vermutlich nicht so gut gelungen wie Patrice Leconte, birgt die eigentlich recht einfache Geschichte doch einige Fallstricke in sich. Schon recht früh ahnt man, dass sich just in jenem tumben Taxifahrer, der François durch die Gegend kutschiert, der Freund offenbaren wird, nach dem der arrogante Widerling die ganze Zeit sucht. Diese Vorhersehbarkeit nimmt im Normalfall einiges an Spannung weg, doch zugleich zeigt sich hier wieder einmal, dass Lecontes Stärken in der feinen Beobachtung der kleinen Marotten und Nöte seiner Figuren liegen. Diese Fähigkeit, immer wieder die Psychologien seiner Akteure bis ins Feinste hinein zu differenzieren, enthebt Leconte der Gefahr der allzu einfachen Lösungen, was sich auch in François’ Entwicklung auf beeindruckende Weise zeigt – der wandelt sich nämlich nicht von Saulus zum Paulus und wird ein besserer Mensch, die Begegnung mit Bruno verändert ihn nur ein klein wenig.

Es würde durchaus nicht wundern, wenn Hollywood den Stoff des Films für sich entdecken und zu einem Remake verwursten würde. Und fast hofft man ein wenig darauf, weil erst durch diesen sicherlich entstehenden Kontrast die Hinter- und Tiefsinnigkeit Lecontes klar zu Tage kommen würde. Angesichts des ganzen Menschelns und der klebrigen Süßigkeit, die naturgemäß in der Vorweihnachtszeit zum Vorschein kommt, wirkt Mein bester Freund / Mon meilleur ami wie der sehr relaxte und weise Ratschlag eines erfahrenen und sichtlich gelassenen Freundes, die Dinge des Lebens doch nicht immer so schrecklich ernst zu nehmen.
 

Mein bester Freund (2006)

Manchmal ist es einfach besser, nicht zu wetten. Diese Erfahrung muss auch der erfolgreiche Pariser Antiquitätenhändler François (Daniel Auteuil) machen.

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