Meek´s Cutoff (2010)

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Abkürzung ins Ungewisse

Drei Siedlerfamilien ziehen mit ihren Wagen durch das steinige und trockene Land im amerikanischen Westen. Sie werden von Stephen Meek geführt, der ihnen einen Weg fernab der eigentlichen Reiseroute zeigen soll. Doch die Expedition durch noch vollkommen unbefahrenes Land gerät allmählich zu einem Desaster. Schon bald fehlt es an Wasser und die Bedrohung durch die Indianer tut ihr Übriges. Das ist die Grundkonstellation von Kelly Reichardts Film Meek’s Cutoff. Für ihn hat sich die Regisseurin, die erst kürzlich mit Wendy & Lucy überzeugen konnte, dem Westerngenre angenommen.

Die Grundzüge ihrer Erzählung basieren auf wahren Begebenheiten. So ist der titelgebende „Meek Cutoff“ ein Weg, der 1885 von den Brüdern Joe und Stephen Meek begründet worden ist. Mit ihrer waghalsigen Expedition abseits des Oregon Trail brachten sie damals nicht nur sich, sondern beinahe 1000 Menschen mit knapp 200 Wagen in Lebensgefahr.

Reichardt nutzt in ihrem Film allerdings nur die rudimentären Fakten. Sie ist schließlich eine Filmemacherin der Reduktion. So ist das Personal in Meek’s Cutoff übersichtlich. Reichardts Stammschauspielerin Michelle Williams spielt eine der Frauen, die sich unter den Siedlern befinden. Zusammen mit ihr erleben wir die körperliche Anstrengung des Zugs. Die flirrende Hitze überträgt sich gemeinsam mit dem trägen Rhythmus des Films auf den Zuschauer. Die Wagen müssen durch Wasser gezogen, die Essens- und Wasserrationen regelmäßig kontrolliert werden – und schließlich wollen alle endlich am Ziel ankommen.

Dennoch erzählt Reichardt hier keine Geschichte im klassischen Sinne. So verzichtet sie vollkommen auf eine Exposition. Man erfährt nichts über die Ausgangslage der Siedler, woher sie kommen und warum sie sich entschlossen haben Stephen Meek zu folgen. Reichardt interessiert sich viel mehr für die Spannungen und Konflikte, die zwischen den Figuren während der quälenden Reise entstehen. Subtil und still inszeniert sie die langsam stärker werdenden Zweifel der Siedler gegenüber Stephen Meek, der sie durch das gefährliche Land führt. Und ständig deuten die rohen Bilder auf eine Gefahr hin, die alle das Leben kosten könnte und dabei muss es nicht unbedingt der Indianer sein, den sie festnehmen, damit er ihnen den Weg zum Wasser weist.

Meek’s Cutoff ist sicher ein Film, der sich erst durch mehrmaliges Sehen vollkommen erschließen wird. Doch ein weiterer Punkt ist verblüffend. Betrachtet man das Westerngenre, dann fallen einem natürlich die schwachen Frauenfiguren auf. In Western besitzen Frauen weniger eine dramaturgische Funktion, sondern vielmehr eine rein symbolische. Frauen sind Sinnbilder der Häuslichkeit und damit der Sicherheit nach der sich die Helden (also die Männer) meistens sehnen. Bei Reichardt ist das anders. So ist die Siedlerin, die von Williams gespielt wird, die Einzige, die sich vorsichtig dem gefangenen Indianer nähert. Sie ist es auch, die Stephen Meek immer offener misstraut und seinen Weg für den falschen hält. Die schrittweise Handlungsfreiheit zeigt Reichardt, indem sie am Anfang des Films Williams noch ständig mit Siedlerhaube in halbnahen Einstellungen etabliert. Je mutiger sie wird, desto näher rückt die Kamera. Es sind aber nur Nuancen, keine Emanzipation, die Reichardt hier herbeiruft.

Fernab von jeglicher Wildwestromatik ist Meek’s Cutoff ein intensiver Film über die stillen Zweifel und das erschütterte Vertrauen geworden. In seinen stärksten und radikalsten Momenten erreicht Reichardt eine ästhetische Wucht, die an das frühe Werk eines Monte Hellmann erinnert.
 

Meek´s Cutoff (2010)

Drei Siedlerfamilien ziehen mit ihren Wagen durch das steinige und trockene Land im amerikanischen Westen. Sie werden von Stephen Meek geführt, der ihnen einen Weg fernab der eigentlichen Reiseroute zeigen soll. Doch die Expedition durch noch vollkommen unbefahrenes Land gerät allmählich zu einem Desaster.

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