Mary - Königin von Schottland (2013)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Eine toughe Dreifach-Queen

Thomas Imbach hat einen Kostümfilm gedreht. Dieser Satz müsste eigentlich schon reichen, um alle Cineasten dazu zu bringen, sich Mary – Königin von Schottland anzusehen. Mit Werken wie Ghetto (1997) oder Lenz (2006) hat sich der Schweizer Filmemacher sowohl im Bereich des Dokumentar- als auch des Spielfilms als experimentierfreudiger Künstler erwiesen – und auch diesmal liefert er keine kinematografische 08/15-Ware. Imbach nimmt Stefan Zweigs Biografie Maria Stuart (1935) als Ausgangspunkt für seine Interpretation dieser historischen Figur, die (wie es bei Zweig heißt) zu jenen Gestalten der Geschichte zählt, die immer wieder nach Deutung und Dichtung verlangen, weil sie von einem Schleier der Ungewissheit umschattet werden und dadurch einen unerschöpflichen „Geheimnisreiz“ ausüben. Das Reiz- und Geheimnisvolle von Maria Stuart – beziehungsweise Mary – bleibt in der Verkörperung von Camille Rutherford erhalten; zugleich gelingt es dem Regisseur und (Co-)Autor aber, Mary sehr nahezukommen und sie als überaus moderne Frau zu zeigen.

Als Säugling wird Mary zur Königin Schottlands; sie verlebt in ihrem von politischen und religiösen Unruhen geprägten Reich eine unbeständige Kindheit, ehe sie nach Frankreich geschickt wird, um dort im Jugendalter den etwa gleichaltrigen Thronfolger François (Sylvain Levitte) zu ehelichen. Mary wird zur Königin Frankreichs – und bald zur 17-jährigen Witwe. Nach ihrer Rückkehr nach Schottland wird sie mit den Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten konfrontiert und muss sich unter anderem gegenüber dem Reformator John Knox (Tony Curran) und ihrem kühlen Halbbruder Moray (Edward Hogg) behaupten. Es kommt zu einer spontanen Heirat mit dem jüngeren Lord Darnley (Aneurin Barnard), mit welchem Mary einen Sohn bekommt. Später entdeckt die Monarchin und Mutter allerdings ihre Gefühle für den Earl of Bothwell (Sean Biggerstaff). Als Darnley ermordet wird, gilt Mary als Mittäterin.

Imbach legt den Fokus weniger auf die historischen Geschehnisse, als vielmehr auf die Psychologie seiner Titelheldin. Mary wird als kluge junge Frau mit vielen Facetten gezeichnet; mal handelt sie leidenschaftlich-emotional, mal ist sie um Umsicht bemüht – stets ist jedoch ihre Entschlossenheit (sowohl im Privaten als auch in ihrer Funktion als Herrscherin) erkennbar. Ihre in mancher Hinsicht ignorante Haltung gegenüber der Komplexität der Konflikte in ihrem Land wird dabei indes nicht ausgespart. Zwei Figuren werden als besonders bedeutsame Personen in Marys Leben präsentiert: Zum einen ihr Vertrauter Rizzio (Mehdi Dehbi), der auch nach seinem Tode noch in Traumsequenzen in Erscheinung tritt, und zum anderen ihre Cousine – Elisabeth I., Königin von England. Obgleich die englische Machthaberin im Film nie zu sehen ist, ist sie doch allgegenwärtig – sowohl als Kontrahentin (da Mary meint, ebenfalls einen Anspruch auf den englischen Thron zu haben) als auch als vermeintliche Seelenverwandte, der Mary etliche intime Briefe schreibt (diese aber nicht versendet). Während Mary die Tatsache, dass England zwei Königinnen hat, zunächst noch als „köstliche Knacknuss“ bezeichnet, wird die Rivalität mit Elisabeth mehr und mehr zur Obsession.

Mary – Königin von Schottland ist ein vergleichsweise leiser Imbach-Film – von den Wutschreien der Protagonistin (vor dem Spiegel oder zu Pferde) einmal abgesehen. In der Bildsprache changiert das Werk auf interessante Weise zwischen Kargheit und Schönheit. Eine sehr begrüßenswerte Entscheidung ist der weitgehende Verzicht auf Opulenz, durch die sich zahlreiche (reizlosere) Historienfilme auszeichnen. Die von Rudolf Jost entworfenen Kostüme sind eindrucksvoll – lenken jedoch nie von den Menschen ab, die in diesen Kostümen stecken. Imbach glückt in seiner Inszenierung eine Modernität, die deutlich subtiler daherkommt als etwa in Sofia Coppolas Marie Antoinette. Ganz zum Schluss erklingt dann Changing of the Guards von Bob Dylan – wie wunderbar!
 

Mary - Königin von Schottland (2013)

Thomas Imbach hat einen Kostümfilm gedreht. Dieser Satz müsste eigentlich schon reichen, um alle Cineasten dazu zu bringen, sich „Mary – Königin von Schottland“ anzusehen. Mit Werken wie „Ghetto“ (1997) oder „Lenz“ (2006) hat sich der Schweizer Filmemacher sowohl im Bereich des Dokumentar- als auch des Spielfilms als experimentierfreudiger Künstler erwiesen – und auch diesmal liefert er keine kinematografische 08/15-Ware.

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