Mark Lombardi - Kunst und Konspiration

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Narration in der Kunst

Recherchen waren die Leidenschaft des Künstlers Mark Lombardi. Nächtelang las er Sachbücher über Skandale der Vergangenheit und die Verflechtungen von Macht, Einfluss und Geld. Wichtige Details notierte er sich auf Karteikarten, über die er schon bald den Überblick verlor. Also nutzte er sie als Grundlage für großformative Diagramme, die Namen, Firmen und Ereignisse durch Pfeile und Zuordnungen miteinander verband. Auf diese Weise entstanden Bilder über die Verstrickungen der Bush-Familie, CIA-Mitarbeitern und Mafiosi in dem Houston S&L-Skandal, über die Iran-Contra-Affäre – oder auch die Verbindungen von der Finanzwelt und dem internationalen Terrorismus. Dann beging Mark Lombardi im Jahr 2000 kurz nach seiner ersten Einzelausstellung nach Angaben der Gerichtsmedizin und der Polizei Selbstmord. Erst nach seinem Tod wurde bekannt, dass er vom FBI überwacht wurde.
Dadurch eröffnet sich ein großer Raum für Spekulationen, denen sich Mareike Wegener in ihrer Dokumentation Mark Lombardi – Kunst und Konspiration nicht vollends hingibt. Stattdessen nähert sie sich dem Künstler und seinem Schaffen im Stil eines Politthrillers der 1960er und 1970er Jahre. Reflektionen an Gebäuden dominieren die Außenaufnahmen, Mark Lombardis Karteikartenkästen werden bedeutungsvoll aufeinander gestapelt, seine Freunde erzählen von abgehörten Telefonaten, der Heimatschutzbehörde und einer FBI-Beamtin, dazwischen sind viele Bilder ohne Ton geschnitten. Durch diese Montage gelingt ihr ein eindrucksvolles Porträt des Künstlers, das zwar Raum für Verschwörungstheorien lässt, sie aber nicht ins Zentrum stellt.

Weitaus zentraler ist das Thema der Narration in der Kunstwelt. Mark Lombardi hat seine Diagramme selbst als „Narrative Structures“ bezeichnet und mit ihnen eine Form gefunden, die auf der Basis öffentlich zugänglicher Informationen eine Deutung vornimmt, die von der Kunst oftmals gefordert wird. Es ist beeindruckend, wie hellsichtig er die Wege der Macht darstellt – und dabei Verbindungen entdeckte, die das Interesse des Heimatschutzes und Transparency International weckten. Zugleich sind seine Diagramme zugleich selbst Ausdruck von dem Suchen nach narrativen Strukturen – und von einer faszinierenden Schönheit. Sie erschließen sich keinesfalls auf den ersten Blick. Vielmehr steht der Betrachter vor ihnen und versucht, einem Strang zu folgen. Hier wäre es interessant gewesen, wenn Mareike Wegener exemplarisch einem Teil eines Diagramms gefolgt wäre, um nicht nur Einblicke in die Arbeitsweise des Künstlers, sondern auch die Rezeption seines Werkes zu geben. Aber sie beschränkt sich weitgehend auf die (konspirativen) Folgen, die seine Diagramme bei Ermittlungsbehörden auslösten.

Mareike Wegener behält in ihrer Dokumentation eine Distanz zu Mark Lombardi, die insbesondere in den Gesprächen mit seinen Eltern und Geschwistern deutlich wird. Sie sind im Film nahezu fotografisch gestaltet. Die Eltern und Geschwister sitzen frontal zu der Kamera und erzählen von ihrem Sohn und Bruder. Von Kindesbeinen an war er ein Einzelgänger, sein Talent zur Recherche entdeckte er auf dem College und sein Interesse an politischen Skandalen wurde durch Watergate geweckt. Nur eines wollen seine Eltern – und insbesondere seine Mutter – nicht glauben: Dass ihr Sohn Selbstmord begangen hat. Sie weist auf Widersprüche hin, aber auch hier deutet Mareike Wegener nicht, sondern lässt einfach erzählen. Dadurch wird immer deutlicher, dass es gerade angesichts der Rolle, die Skandale in Mark Lombardis Leben spielen, erstaunlich ist, wie unaufgeregt sich Mareike Wegener dem Künstler nähert. Allerdings bleibt dadurch beim Sehen ebenfalls eine Distanz zu einem Geschehen, das doch tatsächlich Stoff für einen Politthriller bietet.

Mark Lombardi - Kunst und Konspiration

Recherchen waren die Leidenschaft des Künstlers Mark Lombardi. Nächtelang las er Sachbücher über Skandale der Vergangenheit und die Verflechtungen von Macht, Einfluss und Geld. Wichtige Details notierte er sich auf Karteikarten, über die er schon bald den Überblick verlor. Also nutzte er sie als Grundlage für großformative Diagramme, die Namen, Firmen und Ereignisse durch Pfeile und Zuordnungen miteinander verband.
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