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Wie viele Filme über Marie Curie braucht die Filmwelt?

Marie Curie - Elemente des Lebens (2019)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Forscherin, Ehefrau, Geliebte

In den vergangenen sieben Jahren gab es vier Filme über Marie Curie: einen Fernsehfilm, einen Dokumentarfilm, 2016 den Kinofilm „Marie Curie“ und nun folgt „Marie Curie – Elemente eines Lebens“. Eine bedeutende Wissenschaftlerin mit einer berühmten Ehe und einer berüchtigten Liebschaft – wer könnte da schon widerstehen?

Marjane Satrapis Film handelt demnach auch alle wichtigen Stationen von Marie Curies (Rosamund Pike) Leben ab: die Hindernisse, die ihr als Frau und Polin von dem französischen Wissenschaftsestablishment entgegengebracht werden, die Begegnung und Ehe mit Pierre Curie (Sam Riley), der erste Nobelpreis, von ihrem Ehemann alleine entgegen genommen, Pierres früher Unfalltod, die skandalisierte Affäre mit einem ehemaligen Studenten, der Hass, der ihr aus der Gesellschaft entgegenschlägt und der zweite Nobelpreis. Dazu aber erzählt sie auch von dem späteren Leben Marie Curies, in dem sie mobile Röntgengeräte entwickelt und mit ihrer Tochter Irène (Anya Taylor-Joy) auf die Schlachtfelder im Ersten Weltkrieg gebracht hat. Damit zeigt sie zweierlei: Mit dem Tod von Pierre Curie endete nicht die Forschungskarriere Marie Curies. Und in der Familie Curie gibt es mehr als eine außergewöhnliche Frau.

Ohnehin stellt sich Satrapi weit mehr die wissenschaftliche Arbeit Marie Curies ins Zentrum als beispielsweise Marie Noëlle in ihrem Film Marie Curie, in dem der Forscherdrang so eng mit Marie Curies Sexualität verbunden war, dass sie immer wieder nackt zu sehen war. Stattdessen inszeniert Satrapi die Einzigartigkeit der Verbindung von Marie und Pierre Curie durch eine wundervolle Sequenz, in der die Schatten von Marie und Pierre in ihrer ersten Nacht, die sie miteinander verbringen, auf der Wand miteinander verschmelzen und dann in den Sternenhimmel aufsteigen. Dazu kommt das sehr gelungene Zusammenspiel von Rosamund Pike und Sam Riley, in dem sowohl die Zuneigung und das Vertrauen das Paars deutlich wird, aber auch stets zu erkennen ist, wie sehr Marie Curie um ihre Eigenständigkeit und Sichtbarkeit trotz eines unterstützenden Partners kämpfen musste.

Diese Eigenständigkeit wird ihr auch in diesem Film zugesprochen. Anstatt zu erzählen, dass Marie Curie auch Albert Einstein getroffen hat, konzentriert sich Satrapi auf Marie Curies Leben, von dem es auch ohne die berühmten Männer, die sie getroffen hat, genug zu erzählen gibt. Hinzu kommt, dass ihre Entdeckungen zudem weitreichende Folgen hatten. In Sequenzen werden auf die Hiroshima-Katastrophe, Tschernobyl und die Krebs-Therapie eines Jungen hingewiesen. In ihnen zeigt sich sehr deutlich, dass der Film auf der Graphic Novel Radioactive von Lauren Redniss basiert – und diese Verweise dort besser funktionieren als im Film.

Das liegt insbesondere an dem Drehbuch von Jack Thorne, dem es nicht gelingt, diese Sequenzen stimmig in den Film einzubauen – so wirken sie vor allem moralisierend. Ohnehin sagen auch die Figuren immer wieder Sätze, die darauf deuten, als seien sie sich ihrer Bedeutung in ihrer Zeit bewusst, oder die auf Debatten verweisen, die erst viel später geführt wurden.

Nicht alles ist in Marie Curie – Elemente eines Lebens gelungen, besonders stark ist der Film am Anfang und Ende. Aber immerhin bewegt er sich weit mehr von dem Privatleben hin zu der beruflichen Leistung Marie Curies hin. Außerdem lässt Marjane Satrapi immer wieder Experimentierfreude erkennen. Und die war ein wesentliches Element in Marie Curies Leben.

Marie Curie - Elemente des Lebens (2019)

In den 1890er Jahren ist Maria Sklodowska eine von nur wenigen Frauen ihrer Zeit, die sich einem Studium der Physik widmen. Zu diesem Zweck ist die hochintelligente 24-jährige Warschauerin gezwungen, nach Paris überzusiedeln. Als sie an der Universität die Bekanntschaft mit dem Physiker Pierre Curie macht, begegnet sie endlich jemandem, mit dem sie sich auf Augenhöhe austauschen, streiten und bald auch lieben kann. Bei ihrer gemeinsamen Arbeit stossen die beiden derweil auf bahnbrechende Forschungserkenntnisse, deren Auswirkungen sie noch gar nicht erahnen können. Marjane Satrapis unkonventionelles Biopic „Radioactive“ basiert auf dem Bildroman von Lauren Redniss.  Der Film erzählt von der Lebens- und Wirkungsgeschichte Marie Curies, der einzigen Frau, die in zwei Disziplinen den Nobelpreis gewann und in einer Männerdomäne dennoch zeitlebens um Anerkennung ringen musste.  

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Meinungen

Martin Zopick · 03.12.2022

Hier spielt Rosamund Pike eine altehrwürdige Forscherin. Eigentlich ist sie ja in der Welt von Jane Austin zu Hause. Auch in einem exzellenten Western hat sie deputiert. Hier hat ihr die Regie (Marjane-Persepolis-Satrapi) zu viel Inhalt übergestülpt. Der Spagat zwischen Naturwissenschaftlerin und Mutter von zwei Kindern ist eher dokumentarisch ausgefallen d.h. spannungsarm. Und da die Problematik der Radioaktivität ohnehin etwas kompliziert ist, versteht der Zuschauer meistens Peter Pan.
Es wird viel Wert auf die Beurteilung in der französischen Presse gelegt, auf Fremdenfeindlichkeit (Marie kam aus Polen) und auf die Missachtung der Stellung der Frau in der Gesellschaft. Außerdem gibt es Ausblicke auf die Auswirkungen einer Atombombe (Hiroshima) und auf Strahlenopfer. Die Nobelpreise flattern einfach so ins Haus und unterm Strich war Marie doch die bessere Forscherin im Vergleich zu ihrem Mann, der den männlichen Bonus voll auskostete. (Marie: ‘Du bist der klügste Mensch auf der Welt, aber ich bin noch klüger‘.) Die Methode von Frau Satrapi ist streng wissenschaftlich, die Figuren reine Logikmonster. Und Marie flattert von einer Blume der Wissenschaft zu ihrem männlichen Begleiter, von der Forschung zum Kuss, Sex kommt nicht vor. Soll’s geben.

Stanislaw · 01.01.2022

Typisch deutsch, alles was nicht deutsch wird propagandistisch unterdrückt. Sklodowska? Nicht bekannt.

Hans im Glück · 04.12.2020

Ein Film, der einem eher als "egal" in der Erinnerung bleibt. Manche Dinge, wie z.B. die Besuche des Mannes bei der "Zaubererin" werden nur angeschnitten und überhaupt nicht mehr aufgenommen.
Zusätzlich (was ich nicht bewerten kann) kommt Marie Curie in dem Film unglaublich unsympathisch rüber. Vielleicht war sie das ja auch im echten Leben.

Elisabeth · 19.07.2020

Die Filmkritik von Sonja Hartl ist sehr gut.Ich stimme ihr in jedem Satz zu.Die Marianne Strapi Film zeigt perfekt privates und berufliches Leben von Marie Curie.Nicht zu viel und nicht zu wenig.Was sehr wichtig ist ,ihre charakter .Ihre polnische Herkunft und ihre polnische Nachname wurde genug oft erwähnt und jeder Zuschauer musste das mitbekommen.Auf Grund von anderen Biografien weiss man dass sie die neue Heimat ganz ins Herz geschlossen hatte.

Meggie · 16.07.2020

Warum wird diese hervorragende nicht als Marie Skłodowska-Curie bezeichnet? Sie kam aus Polen.
Hat sie ihren Mådchennamen abgegeben?

Ralf Kaminski · 18.07.2020

Ist das so wichtig, woher sie kommt? Wäre ihre Leistung geringer, wenn sie aus sagen wir Algerien käme?