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Die Liebesaffäre zwischen Marianne Ihlen und Leonard Cohen bildet den Ausgangspunkt zu der Künstlerbiografie, die Nick Broomfield anhand der Beziehung der beiden rekonstruiert. Allerdings gerät Marianne Ihlen dabei schnell als „Muse“ ins Hintertreffen. Manche Dinge ändern sich eben nie.

Marianne & Leonard: Words of Love (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der Poet & die „Muse“

Drei Jahre ist es her, dass der Singer/Songwriter Leonard Cohen, der für viele auf einer Stufe mit dem Literaturnobelpreisträger Bob Dylan steht, am 7. November 2016 verstarb. Pünktlich zu dessen Todestag startet in den deutschen Kinos „Marianne & Leonard: Words of Love“ von Nick Broomfield (Whitney. Can I be me), der sich einer — so wird behauptet — prägenden Liebesgeschichte in der Vita des Musikers widmet: der Beziehung zu der aus Norwegen stammenden Marianne Ihlen, die Cohen in dem Song So Long, Marianne besang.

Kennengelernt haben sich die beiden auf der griechischen Insel Hydra, auf der sie in den 1960er Jahren zusammenlebten — teilweise zumindest. Denn als Cohens Karriere startete, verbrachte er nur noch die Hälfte des Jahres dort. Ausführlich schwelgt der Film zu Beginn in sonnendurchfluteten Archivaufnahmen, die das Bild eines griechischen Hippie-Idylls zeichnen, in dem Cohen zuerst seinen schriftstellerischen Ambitionen nachging, bevor er sich der Musik zuwandte. Drogen wie Acid und Speed, Baden im Meer, Sex unter freiem Himmel prägten den Alltag auf der Insel, auf der Cohen wie ein Besessener an seinen damals noch rein literarischen Werken arbeitete, unterstützt und inspiriert von Marianne, die selbst, wie sie in einer Interviewpassage bekennt, die einzige Nicht-Künstlerin auf der Insel war — oder sich zumindest so vorkam.

Auch Broomfield gehörte in den 1960er Jahren zu den Besuchern der Insel; dort lernte er 1968 Marianne Ihlen und deren Sohn Axel kennen — ebenso wie der Dokumentarist D.A. Pennebaker, der 1967 nach Hydra gereist war, um dort einen Dokumentarfilm über Marianne Ihlen zu drehen. Aus diesem niemals vollendeten Werk stammen einige der Archivaufnahmen, aus deren Fundus Marianne & Leonard: Words of Love schöpft.

Doch im Laufe der Beziehung schleichen sich schnell erste Misstöne ein: Als Cohen berühmt wird und zugleich auf dem Höhepunkt der Hippie-Bewegung das Ideal einer freien Liebe sich verbreitet, ist eine zumal weit entfernte Geliebte für den Sänger nicht mehr genug. Der Versuch, in New York zusammenzuleben, geht schief.

Je weiter der Film in der Zeit voranschreitet und je mehr er sich von dem Moment des ersten Zusammentreffens und -lebens entfernt, desto mehr gerät Marianne Ihlen trotz des Bemühens um eine Balance in den Hintergrund des Films, der doch eigentlich eine Doppelbiografie zu sein intendiert. Und das liegt neben dem Ungleichgewicht bezüglich des Materials auch an einer frühen und schrecklich altväterlichen Setztung, die die Beziehung zwischen Marianne Ihlen und Leonard Cohen von Anfang an als nicht gleichberechtigt erscheinen lässt. Immer wieder fällt unhinterfragt das Wort „Muse“ und reproduziert damit das mindestens Jahrhunderte alte Bild eines Genies, der seine Inspiration aus dem möglichst ungebundenen Beisammensein mit Frauen (gerne jüngeren) bezieht.

Sieht und hört man genau hin, dann fallen die Strategien der Etablierung und Verfestigung eines strukturellen Ungleichgewichts überdeutlich ins Auge und reproduzieren doch genau die Rollenbilder und -klischees, die die Beatniks und Hippies eigentlich überwinden wollten: Die Genialität Cohens wird ebenso ausführlich gepriesen wie sein gutes Aussehen, er sei Ihlen in ihrer Unsicherheit ob ihrer körperlichen Unzulänglichkeiten und ihrer sexuellen Unerfahrenheit ein Lehrmeister gewesen. Am Schluss ist er der gefeierte Weltstar, während sie ein braves, bescheidenes und langweiliges Leben in Oslo führt und dem Star auf der Bühne aus der ersten Reihe zuwinken darf.

Zwar nimmt am Ende die Beziehung, so zumindest will es der Film wissen, noch eine Wendung zum Guten, als sich Cohen von Marianne mit einem emotionalen Liebesbrief verabschiedet, nachdem er erfahren hatte, dass sie an Leukämie erkrankt war und sterben würde. Dennoch hinterlässt Marianne & Leonard: Words of Love einen insgesamt zwiespältigen Eindruck, weil man das Gefühl nicht los wird, dass die Narration eher starren Formeln und vorgefassten Denkmustern folgt und so ein ums andere Mal Klischees und Banalitäten zurechtbiegt, die Zwischentöne und allzu Hässliches schlicht auslassen.

Marianne & Leonard: Words of Love (2019)

Dokumentarfilm über die Liebesbeziehung zwischen dem Musiker Leonard Cohen und Marianne Ihlen. 

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