Manuel

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Samstag, 2. Oktober 2010, WDR, 14:40 Uhr

„Ach, was muß man oft von bösen Kindern hören oder lesen!“ – Der zehnjährige Harvey Cheyne (Freddie Bartholomew) ist ein wahrhaft fieses, verwöhntes Früchtchen, das es ganz ausgezeichnet versteht, seine Umgebung nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Im Gegensatz zu seinen berühmten Gesinnungsgenossen Max und Moritz jedoch birgt Harveys Schicksal durch die Begegnung mit einem charismatischen Fischer die Möglichkeit zur Läuterung, wie der Spielfilm Manuel nach der Geschichte Captains Courageous des britischen, imperialistisch orientierten Schriftstellers Rudyard Kipling (Das Dschungelbuch, Kim) auf ganz zauberhafte Weise erzählt.
Sein Vater Frank Burton Cheyne (Melvyn Douglas) ist als verwitweter, vermögender Geschäftsmann ganz von seiner Arbeit absorbiert, und so gibt der kluge, gerissene Harvey sowohl zu Hause als auch bei seinen Mitschülern unangefochten den Ton an, zumal er pekuniäre Mittel in Hülle und Fülle zur Verfügung hat. Eines Tages jedoch werden seine ausgebufften Eskapaden in der Schule nicht mehr geduldet, und Mr. Cheyne beschließt, sich nunmehr gründlich um seinen außer Rand und Band geratenen Filius zu kümmern. Zu diesem Zweck treten die beiden kurzerhand eine Kreuzfahrt auf einem Luxusdampfer an, doch auch hier zettelt Harvey gleich wieder Unfug an. Allerdings purzelt das verwöhnte Bürschchen in diesem Zuge über Bord in den dunklen Ozean, wo er von dem zufällig in der Nähe rudernden Fischer Manuel (Spencer Tracy) gerettet wird, der ihn mit auf sein Fischerboot unter dem Kommando von Kapitän Disko (Lionel Barrymore) nimmt, das gerade zur Fangsaison aufbricht. So sehr sich Harvey auch bemüht, die Fischer mit Drohungen und finanziellen Versprechungen dazu zu bewegen, ihn so rasch wie möglich irgendwo abzusetzen, kann er hier seinen Kopf nicht durchsetzen und ist gezwungen, sich die kommenden drei Monate an Bord nützlich zu machen – ein schwerer Schlag für den zeternden und widerspenstigen Jungen. Doch allmählich beginnt Harvey, sich in sein Schicksal zu fügen und schließlich Teil der Crew zu werden, was vor allem durch die unzimperliche, doch herzliche Unterstützung von Manuel gelingt, der es versteht, den Jungen aus der Reserve zu locken. Eines Tages aber kommt ein Unwetter auf, und es ist Manuel, der in den Fluten versinkt …

Mit einem hervorragenden Ensemble, wunderbaren Schwarzweißbildern und einer bewegenden Geschichte mit einer ganz eigenen, warmen Atmosphäre ist Victor Fleming (Vom Winde verweht / Gone with the Wind, 1939, Johanna von Orleans / Joan of Arc, 1948) mit Manuel aus dem Jahre 1937 gleichsam ein Abenteuerfilm wie auch ein einfühlsames, eindrucksvolles Coming-of-Age-Drama gelungen. Für seine wahrhaft wunderbare Darstellung des Fischers Manuel wurde Spencer Tracy mit einem Oscar prämiert, für den er bereits im Jahre zuvor für seine Rolle als Father Mullin in San Francisco nominiert wurde und den er mit dem legendären Klassiker Teufelskerle / Boys Town von 1938 erneut erhielt. Und es ist in der Tat dieser großartige Schauspieler, dessen charismatische Präsenz auch Manuel zu einem ganz besonderen Film macht, dessen leise, weise Töne und tiefgründige Traurigkeit den Zuschauer auch nach dem hoffnungsfrohen Schluss noch nachdenklich begleiten – eine Geschichte, die in ihrer Zeitlosigkeit auch heutzutage geeignet ist, gerade für Söhne und Väter ein inspirierendes, gemeinsames Programm für einen Samstagnachmittag zu bieten.

Manuel

„Ach, was muß man oft von bösen Kindern hören oder lesen!“ – Der zehnjährige Harvey Cheyne (Freddie Bartholomew) ist ein wahrhaft fieses, verwöhntes Früchtchen, das es ganz ausgezeichnet versteht, seine Umgebung nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
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