Mannheim - Neurosen zwischen Rhein und Neckar

Wie Berlin, nur ohne Schwaben

Gleich zu Anfang gibt es einen heftigen Schnitzer in Mannheim — Neurosen zwischen Rhein und Neckar: Da wird in einer Voice-Over-Ouvertüre von dieser Fabrik gesprochen, auf der anderen Rheinseite, wo leider die Steuereinnahmen verbleiben, während der Dreck herüberweht mit dem Ostwind — doch hier empfehlen wir Regisseur Thomas Oberlies und Autor Daniel Morwek einen Kompass, liegt doch die BASF westlich von Mannheim. Gleich darauf wetzt der Film aber die Scharte wieder aus: „Mannheim war seine Stadt“, heißt es, und der Anklang an Woody Allens Manhattan weist den Weg, den dieser Film gehen will: Ein Spielfilm als Liebeserklärung an eine Stadt, gedreht von Mannheimern für Mannheimer – und auch durch Mannheimer: Über 200 Unterstützer per Crowdfunding haben den Film möglich gemacht.
Es ist die Geschichte dreier Kumpels, die in einer Bluesband spielen – womit gleich eines der Besonderheiten von Mannheim angesprochen wird, die Stadt der Musik, und das seit Kurfürst Karl Theodors Zeiten, Stichwort „Mannheimer Schule“. Diese drei aus drei Generationen: Enzo, der junge Möchtegern-Autor, Mike, verheiratet mit heftigem Kinderwunsch, Peter, beinahe 60 und ein Blues-Purist –, diese drei werden durch die junge Sängerin Aylin ganz schön durcheinandergebracht. Aylin nämlich mit ihrer Band „Dei Mudder steckt de Kopp in Topp“ ist gebucht für eine Vernissage, an der Peters großkotziger Bruder Goldmund (sic!) seine Skulpturen ausstellen wird. Und Peter klaut ihr mit einem Trick diese Auftrittsmöglichkeit für die eigene Band.

Im Folgenden kabbelt er sich des Öfteren mit Aylin, so lange, bis beide Respekt voreinander haben. Mike trifft sie im Kino, und auch wenn Aylin mit Woody Allen gar nichts anfangen kann, haben sie mit Almodóvar (den beide Almodovár aussprechen) eine gemeinsame Basis, vor allem schätzen beide sein Frühwerk. Enzo wiederum, na klar, verliebt sich in sie. Diese Handlung mit dreifachem Konflikt und klarem Ziel bei der Ausstellungseröffnung ist aber eigentlich gar nicht so wichtig: Komödiantisch zwar und durchaus witzig, ist der Film dezidiert inszeniert als ganz normale Geschichten von ganz normalen Mannheimern. Das führt einerseits zu kleinen Durchhängern in Dramaturgie und Timing – wenn die Kumpels miteinander rumalbern, ist es für die Kumpels sicherlich interessanter als für außenstehende Kinozuschauer, denen hier ungewollt die Redundanz des Alltäglichen vorgeführt wird. Andererseits aber kommt der Film damit auch seiner Absicht näher: Menschen zu zeigen, die in dieser Stadt leben und lieben und arbeiten und rumhängen, wie sie es in keiner anderen Stadt tun könnten.

Mannheim ist nicht Manhattan. Gegenüber Allens Vorbild-Film scheint hier alles etwas heruntergedimmt – wobei die Vorbildfunktion sich ohnehin eher auf den Aspekt beschränkt, die Stadt als Protagonisten im Film auftreten zu lassen. Dies gelingt zweifellos – dass mitunter in Inszenierung und Dialogen etwas Amateurhaftes durchblitzt, bezeugt vor allem die Liebhaberschaft, die Leidenschaft, mit der die Filmemacher ihr Projekt realisierten. Was sie wollen: Das erklären Thomas Oberlies und Daniel Morwek, Regisseur und Autor, im Film selbst, denn mit Enzos Romanvorhaben bauen sie eine selbstreflexive Ebene ein: Es geht darum, wie die drei Kumpels versuchen, ihr Leben zu leben, dabei immer wieder auf die Schnauze fallen und es weiter probieren. Und darum, wie ein Ort die Menschen formt, die dort leben, ihre Eigenheiten, ihre skurrilen Eigenschaften.

Das geht von stolzem Lokalpatriotismus bis zum Wunsch, wegzukommen. Und irgendwie kommt man Mannheim tatsächlich näher in dieser Story aus dem Künstlermilieu: Das Schloss mit den vielen Fenstern (eins mehr als Versailles!), die vielen Brautläden (mehr als Paris und Berlin zusammen), die US-Kasernen, die nun zu neuen Stadtvierteln aufgebaut werden… Die Kongruenz zwischen Stadt und Film wird etwas schief, wenn sich unsere drei Bluesmusiker wiederholt über moderne Skulpturenkunst lustig machen – und um des Gags willen der Film sich diese Vorbehalte zu eigen macht. Da kommt dann auf ungute (und sicherlich unfreiwillige Weise) etwas Provinzhaftes durch, was sich mit dem restlichen Feeling des Films nicht recht vertragen mag. Denn eigentlich geht es Mannheim wie seinen Protagonisten: Man sieht, was man hat; und man blickt neidisch darauf, was andere erreicht haben – der eine erfolgreiche Bruder ist weltbekannter Künstler, ein anderer hat sich immerhin ein eigenes Business aufgebaut, während Enzo an seinen Romanversuchen knabbert und die Wäsche nach Hause zu Mama bringt… Doch eigentlich kann man stolz sein auf sein Leben und auf das, was man erreicht hat: Niemand muss sich schämen. Nicht für sich selbst, nicht für Mannheim, nicht für diesen Film.

Harald Mühlbeyer

Mannheim - Neurosen zwischen Rhein und Neckar

Gleich zu Anfang gibt es einen heftigen Schnitzer in „Mannheim — Neurosen zwischen Rhein und Neckar“: Da wird in einer Voice-Over-Ouvertüre von dieser Fabrik gesprochen, auf der anderen Rheinseite, wo leider die Steuereinnahmen verbleiben, während der Dreck herüberweht mit dem Ostwind — doch hier empfehlen wir Regisseur Thomas Oberlies und Autor Daniel Morwek einen Kompass, liegt doch die BASF westlich von Mannheim. Gleich darauf wetzt der Film aber die Scharte wieder aus:
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Meinungen

hildegard volkmann · 15.05.2016

Der Mannheim Film hat mir sehr gut gefallen, er war witzig, die Personen im Film haben unterschiedliche Charaktere dargestellt. Nur von der Musik der beiden Bands hätte ich viel mehr hören können.....