Man muss mich nicht lieben

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Ein Schritt vor und zwei zurück

Man muss mich nicht lieben / Je ne suis pas là pour être aimé beginnt mit einer Szene, in der wir einen Mann von hinten die Stufen eines kargen Treppenhauses langsam hinauf gehen sehen. Schwerfällig und resigniert sein Gang. Sein von Kummerfalten zerknittertes Gesicht sieht nicht gerade glücklich aus als er den Klingelknopf neben einer Tür betätigt, hinter der wir gleich eine junge, farbige Frau sehen, die ihre Schulden nicht mehr abbezahlen kann und bald ihre Wohnung räumen muss. Der Mann, Jean-Claude (Patrick Chesnais), der ihr diese Nachricht überbringt, wirkt nicht herzlos, nur routiniert, abgehärtet und längst arrangiert mit dem trostlosen Job eines Gerichtsvollziehers, der pfändet und Schuldner vor die Türe setzt.
Diese erste Szene fängt im Grunde schon in aller Gänze das ein, worauf der Film hinaus will und deutet mit verblüffend wenig Dialog und Handlung genau die Zurückhaltung an, die diese wunderbare Komödie von Stéphane Brizé ausmacht. Keine Komödie ohne Drama, ohne Tiefschläge, ohne menschliche Schwächen, mit denen wir uns selbst identifizieren können und von denen wir wissen, dass sie am Ende doch gut ausgehen. Erst können wir uns daran erheitern, wie deprimierend Jean-Claudes Leben doch ist: Wenn er morgens sein karges, pflanzenloses Büro betritt. Wenn er immer sonntags seinen bornierten Vater im Altersheim besucht und seine cholerischen Wutausbrüche beim Monopoly-Spiel ertragen muss. Wenn er seinen Sohn darum bittet, ihn zu warnen wenn seine Exfrau in der Stadt ist, um ihr aus dem Weg zu gehen. Wenn seine Sekretärin sich einen Dackel halten muss, um ihr tristes Bürodasein neben ihrem Chef einigermaßen zu ertragen. Ein regelrechtes Trauerspiel bis er durchs Fenster etwas erblickt, was ihn ganz unerwartet erwärmt und erweicht und nichts bleibt wie es war.

Schon erstaunlich ist es, dass dieser verstockte Mann nicht lange fackelt als er vis-a-vis seines Büros eine Tangoschule entdeckt und dort zu einer Probestunde aufwartet. Drucksend und stolpernd bewegt er sich über das Parkett. Das ist nicht sein Terrain, aber eine neue Welt, die er gefesselt und neugierig, wie in jeder Anfangseuphorie üblich, ganz für sich erkunden will. Seine erste Begegnung mit dem Tango ist auch die erste Begegnung mit Francoise (Anne Consigny), die ihre Augen nicht von ihm lassen kann. Sie fasst sich ein Herz, spricht ihn nach der Tanzstunde an. Es stellt sich heraus, dass seine Mutter ihr Kindermädchen war und schon ist der Bezug da. Der Anknüpfungspunkt, der Beginn einer gegenseitigen Versuchung, die so leidenschaftlich anziehend und abstoßend ist, wie ein Tango nur sein kann und gleichzeitig von Beginn an so erbärmlich zum Scheitern verurteilt ist. Die junge, lebensfrohe Francoise, kurz vor der Hochzeit mit einem erfolglosem Schriftsteller und der geschiedene Jean-Claude, in seinen Grundfesten plötzlich erschüttert — das ist erstklassiger Stoff für turbulentes Gefühlskino, vortrefflicher Zündstoff, für das, was fackelt, explodiert und wieder verglüht. Regisseur Stéphane Brizé lässt es so rührend ausgehen, dass wir uns ein besseres Ende kaum hätten vorstellen können.

Einige Kritiker bezeichnen Patrick Chesnais als den französischen Bill Murray und wenn man sich anguckt, wie weltfremd und reglos der amerikanische Darsteller durch seine Filme wie Lost in Translation oder Broken Flowers tapert, dann kommt das seinem französischen Kollegen tatsächlich sehr nahe. Chesnais ist ein brillanter Schauspieler, seine Hauptrolle in Man muss mich nicht lieben scheint ihm wie auf den Leib geschrieben. Doch als Stéphane Brizé das Drehbuch verfertigte, hatte er nur irgendeinen einsamen, müden, starrköpfigen Mann um die 50 im Kopf. Mit Chesnais ist ihm ein regelrechter Glücksgriff gelungen. Für die Rolle von Francoise ließ Brizé vortanzen. Anne Consigny gewann die Partie, sie passte nicht nur beim tanzen am besten zu Chesnais, sondern verkörpert genau den Typus von Frau, der nach außen hin genau weiß, was er will, aber innerlich ganz nach was anderem sucht.

Man muss mich nicht lieben / Je ne suis pas là pour être aimé ist eine wahre Entdeckung des diesjährigen Kinosommers, der garantiert Lust auf mehr französisches Kino macht.

Man muss mich nicht lieben

Man muss mich nicht lieben / Je ne suis pas là pour être aimé beginnt mit einer Szene, in der wir einen Mann von hinten die Stufen eines kargen Treppenhauses langsam hinauf gehen sehen. Schwerfällig und resigniert sein Gang.
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Meinungen

· 05.10.2008

Ich tanze seit mehreren Jahren Tango und finde dass die ausgesuchten Tangos genau zu den einzelnen Filmabschnitten und Stimmungslagen passen. Wozu bedarf es da überflüssiger Worte? Die Film ist absolut realistisch: Vater - Sohn Konflikt gleich 2x; die Angst des Freundes mit der zukünftigen Ehefrau einen Tanzkurs zu besuchen. Auch toll der Mut der Sekretärin dem eigenen Chef die persönliche Meinung zu sagen ohne zu verletzen. Schön wie der Protagonist sein Leben Stück für Stück verändert. Das Ende finde ich realistisch: Als Tänzer weiss ich wie schwierig es ist eine zuverlässige Partnerin zu finden mit der man vereint und harmonisch diesen Tanz durchleben kann. Es kann für beide ein Gewinn bedeuten. Am schlimmsten wäre für mich ein Ende à la Hollywood gewesen.

Gast · 23.01.2008

Ein wunderschöner und intensiv poetischer und auch erotischer Film, der die Seele berührt. Er hat mich and Misseau Arnaut (oder wie man das noch schreibt...) erinnert. Schade, dass ich ihn nicht aufgenomen habe. Lange nicht mehr so etwas Gutes gesehen!

· 28.09.2006

viele Stellen sind sehr lebensnah: die Sprachlosigkeit, das Nicht-Herauslassen der Gefühle, der Kontrast zwichen Musik und dem Handeln.

Alex · 07.08.2006

ein Film der nachdenklich macht - und einen dazu ermutigt, seinen Traum zu leben und sich nicht fremdbestimmen zu lassen. Allerdings sind einige Szenen sehr langweilig. Vieles soll ohne Dialoge dem Betrachter klar gemacht werden, kommt aber nicht ganz rüber. Das Ende ist vorhersehbar. Und leider realitätsfremd. Lohn sich trotzdem, vor allem für jeden der gerne tanzt!

Der Antigast ;-) · 04.08.2006

spinner.... du bist sooo alternativ anspruchsvoll was ? lächerlich

· 30.07.2006

HALLO PETER
TOLL DASS MAN IMMER WIEDER
LEUTE TRIFFT FÜR DIE FILME
WIE" FLUCH DER KARIBIK" GEMACHT WERDEN-FÜR EUCH MUSS ES JA AUCH WAS BUNTES ZUM ANSCHAUEN GEBEN

peter · 30.07.2006

das war wohl ein wirklich deprimierender und auch schlechter film.
gefühlslose figuren, deren innere leere nur durch die mangelhafte inszenierung übertroffen wird.
farblose charaktere, die unglaubwürdig sind.
aber das unglaubwürdigste ist, daß sich die schöne francoise in diesen ausgebrannten depro-typen verliebt.
der tango, einer der tollsten tänze, der visuell auch eine wonne ist, wird hier total langweilig und unambitioniert ins bild gesetzt. man hat eigentlich nur die ganze zeit das gefühl, daß die alle wirklich nicht tanzen können.

die ganze stimmung des films ist irgendwie 70er

sehr schade