Mädchen in Uniform

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Frauenfilm-Avantgarde

Es ist das Schicksal mancher großer Filmstoffe, dass ihr Remake weitaus bekannter ist als die Originalfassung. Die tragische Geschichte um ein junges Mädchen, das seine heftige Zuneigung zu einer Lehrerin in einem strengen, militärisch geführten Pensionat zur Zeit der Weimarer Republik eines Tages öffentlich bekennt und damit einen Skandal auslöst, wird meist sofort mit Romy Schneider und Lilli Palmer in Verbindung gebracht, die in der populären Neuverfilmung von 1958 die Hauptrollen innehatten. Die Originalfassung, die von der Regisseurin Leontine Sagan nach dem Theaterstück „Gestern und heute“ von Christa Winsloe inszeniert wurde, gilt eher als Geheimtipp, obwohl sie als erster expliziter Frauenfilm in die Filmgeschichte eingegangen ist und im Gegensatz zum Remake offensiv und differenziert mit dem Thema der Erotik und Liebe unter Frauen umgeht.
In Strenge, Disziplin und Armut werden die Schülerinnen des Mädchenpensionats erzogen, in das die 14jährige Offizierstochter Manuela von Meinhardis (Hertha Thiele) gebracht wird, deren Mutter bereits eine Weile verstorben ist. Das emotional vernachlässigte Mädchen sieht trostlosen Zeiten entgegen, die allerdings durch die Freundschaft ihrer verborgen widerständigen Leidensgenossinnen und ihre widerspenstigen, frechen Späße rasch aufgehellt werden. Zudem verliebt sich Manuela in die charismatische Lehrerin Fräulein von Bernburg (Dorothea Wieck), für die beinahe alle Schülerinnen schwärmen, da diese den jungen Frauen in mutigem Kontrast zur Pensionatsphilosophie mit Zuneigung und Verständnis begegnet. Es ist offensichtlich, dass die Lehrerin ebenfalls ganz intensive Gefühle auch erotischer Art für das Mädchen hegt, doch sie weist Manuela dennoch immer wieder in die Grenzen einer notwendigen Schicklichkeit, argwöhnisch vom Lehrkörper und vor allem von der Direktorin (Emilia Unda) beobachtet.

Die unterdrückten Emotionen und verhaltenen Empfindungen stürzen Manuela zunehmend in ein Chaos der Sehnsüchte, das am Abend auf der euphorischen Feier einer Theateraufführung nach reichlich Punsch zum Ausbruch kommt. Offenherzig ergeht sich das angetrunkene Mädchen in einer flammenden, pikanten Liebeserklärung an die hübsche Lehrerin, die auch der Direktorin zu Ohren kommt, die daraufhin sofort die moralischen Alarmglocken schrillen lässt und Manuela streng isoliert von jeglichem Kontakt im Krankenzimmer unterbringt. Während sich ihre Mitschülerinnen ganz arg um sie sorgen und für den anstehenden Besuch der Prinzessin planen, die repressiven Zustände in der Einrichtung offiziell anzuprangern, verschlechtert sich das Befinden der verwirrten Manuela drastisch, die nur eine undeutliche Erinnerung an die Vorkommnisse hat und sich von der ganzen Welt verlassen wähnt. Der Druck der Ereignisse legt sich über das gesamte Pensionat und löst grundsätzliche Diskussionen über die Art und Weise des Umgangs mit den Schülerinnen aus, doch die Direktorin setzt alles daran, beim Besuch der Prinzessin, die die Einrichtung protegiert, den Eindruck glücklicher Mädchen und eines reibungslos funktionierenden Betriebs vorzugaukeln, und bei dieser Präsentation darf auch Manuela nicht fehlen …

Mädchen in Uniform gehört zu den ersten deutschen Tonfilmen, war kommerziell enorm erfolgreich und wurde international begeistert aufgenommen sowie 1932 auf dem ersten Filmfestival in Venedig mit einem Preis für den technisch besten Film ausgezeichnet. Unter den Nationalsozialisten wurde der Film verboten und erst 1977 wieder im Fernsehen ausgestrahlt, wobei seine ungebrochene Faszination wiederentdeckt wurde und die filmische Originalfassung der Geschichte in lesbischen und feministischen Kreisen zu einem Kultfilm avancierte. Die ausschließlich weiblichen Darstellerinnen, allen voran Hertha Thiele und Dorothea Wieck, aber auch Ellen Schwanneke als hartnäckig rebellische Ilse von Westhagen, agieren mit bemerkenswert differenzierter Intensität, die der Geschichte ein hohes Maß an Authentizität verleiht. Jenseits der gesellschaftspolitischen Bedeutung der damaligen Zeit ist Mädchen in Uniform mit der sensiblen Darstellung der Befindlichkeiten heranwachsender Frauen auch heute noch ein beeindruckender Film mit nicht geringer Aktualität, denn verwirrende Empfindungen und das schwer auslotbare Oszillieren zwischen Nähe und Distanz sind nach wie vor Aspekte, die gerade in Jugendzeiten besonders bedeutsam sind.

Mädchen in Uniform

Es ist das Schicksal mancher großer Filmstoffe, dass ihr Remake weitaus bekannter ist als die Originalfassung. Es ist das Schicksal mancher großer Filmstoffe, dass ihr Remake weitaus bekannter ist als die Originalfassung. Die tragische Geschichte um ein junges Mädchen, das seine heftige Zuneigung zu einer Lehrerin in einem strengen, militärisch geführten Pensionat zur Zeit der Weimarer Republik eines Tages öffentlich bekennt und damit einen Skandal auslöst, wird meist sofort mit Romy Schneider und Lilli Palmer in Verbindung gebracht, die in der populären Neuverfilmung von 1958 die Hauptrollen innehatten.
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