Mademoiselle Populaire

Eine Filmkritik von Silvia Bahl

Zeitgemäße Nostalgie

Filme wie The Artist und TV-Serien wie Mad Men zeugen von einer kollektiven Sehnsucht die popkulturelle Vergangenheit zu reinszenieren – mit dem selbstironisch reflexiven Blick der Postmoderne. Mademoiselle Populaire entführt uns in die späten fünfziger Jahre der Stiftröcke und Petticoats und erzählt auf äußerst charmante Weise von den Anfängen der Emanzipation. Bis ins kleinste Detail im perfekten Retro-Chic ausgestattet, bietet Régis Roinsards Regie-Debüt beste Unterhaltung, die allerdings auch stets an der Oberfläche bleibt.
Dass die Zeiten sich geändert haben, kommt auch allmählich in den kleinen Dörfern der Normandie an: die junge Rose Pamphyle (Déborah François) hält nichts davon, weiter im Lebensmittelladen ihres Vaters zu versauern und die von ihm arrangierte Ehe mit einem Landei einzugehen. Viele Möglichkeiten zum Selbstentwurf gibt es für Frauen zwar nicht, aber Rose übt nachts heimlich das Tippen auf der Schreibmaschine, die schon seit Jahren einsam und vergessen in Papas Schaufenster steht, denn jeder weiß: Sekretärin sein ist modern!

Dieser neue Beruf ermöglicht es zu reisen, für wichtige Männer zu arbeiten, eigenes Geld zu verdienen und ganz nebenbei auch noch die angesagteste Mode zu tragen. So packt die entschlossene Blondine ihre Koffer und bewirbt sich im Versicherungsbüro des attraktiven Louis Echard (Romain Duris), der zunächst von ihrer tolpatschigen Art wenig begeistert ist. Rose fehlt es gegenüber ihren unzähligen Mitbewerberinnen an gutbürgerlichem Feinschliff, jedoch besitzt sie dafür eine Fähigkeit, die alle anderen in den Schatten stellt und Louis Aufmerksamkeit weckt: ein Talent im Schnell-Tippen.

Rose bekommt den Job und darf fortan in einem städtischen Mietshaus für junge ledige Damen hausen, das von einer strengen Aufseherin in moralischer Hinsicht stets überwacht wird. Ihr neuer Chef hingegen hat schon höhere Pläne: der regionale Wettbewerb im Maschinenschreiben bietet sich an und hier tippen eine Horde skurriler Damen allen Alters um die Wette sowie Ruhm und Ehre. Rose schneidet verhältnismäßig gut ab, aber die Zwei-Finger-Technik hat ihre Grenzen. So entschließt sich Louis, sie in ein Trainingslager der besonderen Art zu schicken.

Ganz im Stil einer klassischen Rom-Com wird aus den ungleichen Protagonisten, die sich anfangs nur angewiderte Blicke zuwerfen, schließlich auf Umwegen ein Liebespaar, nachdem einige grundlegende Erkenntnisse gewonnen wurden. Dass man dies gerne hinnimmt liegt vor allem an den sehr sympathischen Hauptdarstellern, vor allem an Romain Duris (Der wilde Schlag meines Herzens), der mit seiner steifen Herablassung schon amüsant ist, ohne ein Wort gesagt zu haben. Die Komik entsteht oft einfach dadurch, dass der Zuschauer sich mit dem alltäglichen Chauvinismus der gar nicht so weit entfernten fünfziger Jahre konfrontiert sieht, welcher aus heutiger Sicht, ähnlich wie in Mad Men auch, trotzdem unvorstellbar erscheint.

Dass diese Serie recht offensichtlich in Thema und Ästhetik Pate gestanden hat, gibt Regisseur Roinsard offen zu und es schadet dem Film auch nicht – fantastisch anzusehen sind die liebevoll gestalteten Details und die bunten Traumsequenzen. Louis wirkt stellenweise wie eine Parodie auf die Serien-Hauptfigur Don Draper und seine Ex-Geliebte wird von The Artist-Star Berenice Bejo verkörpert, um die Retromanie noch einmal zu unterstreichen.

Die geschliffenen Dialoge haben stellenweise durchaus die Qualitäten einer Doris Day-Komödie, ebenso wie ihre Protagonistin selbst den Charme der amerikanischen Screw-Ball-Queen ausstrahlt. Allerdings lässt Roinsard am Ende alles zu sehr in Wohlgefallen aufgehen – der Schluss ist auf eine ärgerliche Weise kitschig und reduziert den Film dadurch in seiner Gänze etwas.

Insofern ist Mademoiselle Populaire etwas weniger bissig als er sein könnte und verfehlt die Chance, Geschlechterrollen wirklich zu hinterfragen oder einen aktuellen Bezug herzustellen — es bleibt bei braver Nostalgie. Wer allerdings nicht zuviel Tiefgang erwartet, wird mit konstant guter Unterhaltung und schicken Bildern belohnt, die zumindest einen charmanten Kinoabend garantieren.

Mademoiselle Populaire

Filme wie „The Artist“ und TV-Serien wie „Mad Men“ zeugen von einer kollektiven Sehnsucht, die popkulturelle Vergangenheit zu reinszenieren – mit dem selbstironisch reflexiven Blick der Postmoderne. „Mademoiselle Populaire“ entführt uns in die späten fünfziger Jahre der Stiftröcke und Petticoats und erzählt auf äußerst charmante Weise von den Anfängen der Emanzipation.
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Meinungen

Istvan · 03.11.2016

Ich fand Ihre Kritik recht treffend, aber eines würde ich gerne wissen: Wie könnte das denn Ihrer Meinung nach aussehen, "Geschlechterrollen" im Rahmen dieses Films zu hinterfragen?