Madagascar 3: Flucht durch Europa

Eine Filmkritik von Florian Koch

Zirkusreife Vorstellungen

Das in Hollywood seit Jahren grassierende Fortsetzungsfieber hat längst auch den Animationsfilm erfasst. Ob Ice Age, Shrek oder Toy Story – alles geht in Serie, solange der Rubel rollt. Gerade außerhalb der USA lassen vom Pech verfolgte Nager oder andere tierischen Witzfiguren die Kassen klingeln. Bestes Beispiel ist die Madagascar-Franchise aus dem Hause Dreamworks. Allein die ersten beiden Teile lockten in Deutschland jeweils über sechs Millionen Besucher in die Kinos. Ein phänomenales Ergebnis, das Madagascar 3: Flucht durch Europa durchaus wieder erreichen könnte. Denn der im halsbrecherischem Tempo erzählte 3D-Familienspaß hat tatsächlich einige neue Ideen auf Lager.
Eigentlich könnten Löwe Alex (US-Stimme: Ben Stiller), Zebra Marty (Chris Rock), Nilpferd Gloria (Jada Pinkett Smith) und Giraffe Melman (David Schwimmer) ihr Leben in Freiheit genießen. Aber gerade Alex plagt in Afrika das Heimweh. Er sehnt sich nach der Bewunderung, die er im New Yorker Zoo erfahren hat. Kurzentschlossen schmiedet er einen angeblich todsicheren Reiseplan. Die Pinguine sollen die vier Freunde mit ihrem Luftschiff nach Hause bringen. Dummerweise haben die sich mit den Affen nach Monte Carlo abgesetzt, um im Casino richtig Kasse zu machen. Als Alex & Co unglücklich mit den Zockern zusammenstoßen, werden sie von der skrupellosen Tierfängerin Captain Chantel DuBois (Frances McDormand) gejagt. Mit letzter Kraft schaffen es Alex und seine Freunde in einem fahrenden Zirkus unterzukommen. Über den Umweg einer Europa-Reise wollen sie sich letztendlich doch nach New York durchschlagen. Aber DuBois ist ihnen dicht auf den Fersen, und auch die Zirkus-Gemeinde stellt sich als nicht gerade pflegeleicht heraus.

Ähnlich wie in der artverwandten Ice Age-Serie steht auch im Mittelpunkt von Madagascar eine Reise ins unbekannte – hier europäische – Neuland, auf der die tierischen Freunde vor allem den Wert der Solidarität kennenlernen sollen. Am Ende ist es – laut Film – unwichtig, wo man sich aufhält, sondern mit wem man zusammen ist. Um diese naive Botschaft möglichst unterhaltsam zu vermitteln, fahren die Madagascar-erfahrenen Regisseure Eric Darnell, Tom McGrath, Conrad Vernon alles auf, was ein kindgerechtes Actionspektakel bieten kann. Denn selten hat man einen Film gesehen, der so aufs Tempo drückt, und den Zuschauern so wenig Verschnaufpausen gönnt wie Madagascar 3: Flucht durch Europa.

Dank dem neuen Drehbuchautor Noah Baumbach geht in der spektakulär animierten, knallbunten Reizüberflutung glücklicherweise nicht jedwede emotionale Bindung verloren. Baumbach ist eigentlich ein Mann für feinsinniges Arthaus-Beziehungskino (Der Tintenfisch und der Wal), zeichnete sich aber auch für Wes Andersons gewitzten Stop-Motion-Animationsfilm Der fantastische Mr. Fox verantwortlich. Ihm gelingt es vor allem in der ersten Hälfte, zwischen all den irrwitzigen Verfolgungsjagden und knalligen Zirkuskunststücken Momente zu finden, die nicht nur Kinder berühren.

Besonders zu Herzen geht das Porträt des russischen Tigers Vitaly (Bryan Cranston), der einst der Star des Wanderzirkus war, aber nach einem Unfall an einem Trauma leidet, und nur noch am Borschtsch Gefallen findet. Den eitlen Ehrgeizling drängte es einst nach immer neuen Rekorden. Aber ein Sprung durch einen nur fingergroßen Reifen ging schief, der Zirkus bald pleite. Wie dieser raubeinige Melancholiker mit dem Schicksal hadert, und die Ängste besiegt, das ist hinreißend inszeniert. Ganz wunderbar auch die Idee, den eigentlich unmöglichen Sprung, das Zauberkunststück, nicht zu zeigen und der Imagination der Zuschauer zu überlassen. Der dritte Teil der Animationsreihe hat endlich auch einen herrlich fiesen Antagonisten zu bieten. DuBois, eine besessene Löwenjägerin, ist nicht nur eine begeisterte Vespa-Fahrerein und eine exzellente Schnüfflerin, sie hat auch ein Faible für die große Edith Piaf. Überhaupt ist der Musikeinsatz wieder ein beliebtes Stilmittel, um Figuren, Situationen und auch Orte zu charakterisieren. Natürlich darf bei der Ankunft der Tiere in Rom Verdis La donna è mobile nicht fehlen – ebenso wenig wie das Kolosseum als ersten optischen Klischee-Anker. Und als die New Yorker Tiere mit ihrer Leidenschaft neuen Zunder in den verkommenen alten Zoo bringen, wird bei der Show Katy Perrys Partynummer Fireworks gespielt.

Bei all den immer wieder verblüffend detaillierten Animationen, den rauschhaft rasanten Kamerafahrten und amüsanten Seitenhieben (dem Papst wird der Siegelring geklaut) darf nicht vergessen werden, dass der Untertitel „Flucht durch Europa“ eigentlich eine Mogelpackung ist. Letztlich macht der Film nur in Monaco und Rom länger halt, London und die Schweizer Alpen werden nur kurz gestreift. Auch die unterschwellige Botschaft, nur mit dem amerikanischen Showbiz-Gedanken einen klassischen Wanderzirkus wiederbeleben zu können, ist nicht unproblematisch, bedenkt man doch, wie erfolgreich gerade der Russische Staatszirkus war und ist. Außerdem muss die Idee, einen Zirkus nur mit Tieren zu bestücken, wie ein Stachel im Fleisch von Tierschützern wirken. Denn artgerecht war die Haltung von Raubkatzen oder Elefanten im Zirkus eigentlich nie.

Vergisst man aber einmal, dass Madagascar 3: Flucht durch Europa die Tiefe einer Pixar-Produktion wie Wall-E abgeht, kann man dem dritten Teil der Reihe wenig Vorwürfe machen. Im Gegenteil. So eine hohe Gagdichte gab es in den ersten beiden Filmen nicht, die Animation ist hochklassig und das Spielen mit vor allem italienischen Klischees unterhält nicht nur jüngere, sondern auch ältere Kinogänger – sofern ihnen der Film nicht zu schnell ist.

Madagascar 3: Flucht durch Europa

Das in Hollywood seit Jahren grassierende Fortsetzungsfieber hat längst auch den Animationsfilm erfasst. Ob „Ice Age“, „Shrek“ oder „Toy Story“ – alles geht in Serie, solange der Rubel rollt. Gerade außerhalb der USA lassen vom Pech verfolgte Nager oder andere tierischen Witzfiguren die Kassen klingeln. Bestes Beispiel ist die „Madagascar“-Franchise aus dem Hause Dreamworks. Allein die ersten beiden Teile lockten in Deutschland jeweils über sechs Millionen Besucher in die Kinos. Ein phänomenales Ergebnis, das „Madagascar 3: Flucht durch Europa“ durchaus wieder erreichen könnte.
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Meinungen

Cappujunkie · 06.10.2012

"So eine hohe Gagdichte..." ...Herr Koch hätte dabei aber noch erwähnen dürfen, das die Qualität des Humors bei weitem nicht an die ersten beide Teile heranreicht, zumindest nicht für erwachsene Zuschauer.