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Der österreichische Regisseur David Schalko hat sich an ein Remake von Fritz Langs Klassiker „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ gewagt. Kann das gelingen?

M – Eine Stadt sucht einen Mörder (Miniserie, 2019)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Psychogramm einer Gesellschaft

Eine Totale einer Häuserschlucht von oben. Es schneit, die Hochhäuser ziehen wie in einen Schlund hinunter. Dort geht ein Kind, ein Mädchen, ohne Jacke. Aus dem Off hört man einen Radiosprecher, der von einem vermissten Mädchen spricht. Aus Afghanistan war sie geflüchtet, nun fehlt jede Spur der Neunjährigen. Das Mädchen mit der roten Jacke indes begegnet einem Clown mit weißen Ballons, der sofort an Stephen Kings Es erinnert. Er fragt sie, ob sie einen will, doch sie lehnt ab und geht weiter nach Hause. Aber es ist offensichtlich, dass sie dennoch nicht in Sicherheit ist. Tatsächlich schickt die schlechtgelaunte Mutter sie noch einmal hinaus in die Kälte, sie hat ihre rote Jacke auf dem Spielplatz liegen lassen. Und von dort kehrt Elsie nicht mehr zurück. Als die Mutter sie suchen geht, findet sie die Jacke, an der gerade ein Fuchs schnüffelt – und sieht einen Mann (Udo Kier) in Fuchspelzjacke und mit einer Leica.

Mit den ersten Bildern von David Schalkos Serien-Remake M – Eine Stadt sucht einen Mörder wird dreierlei deutlich: Fritz Langs Film aus dem Jahr 1931 wird deutlich in Bild und Ton referenziert, die Geschichte wird modernisiert und seine Inszenierung ist von einem deutlichen Stilwillen getragen. Das wird sich in allen sechs Folgen fortsetzen, an deren Anfang jeweils die Sequenz einer fallenden Schneekugel steht, die auf dem Boden zersplittert. Immer wieder wird von verschiedenen Figuren die aus M bekannte Melodie aus Edvard Griegs Peer Gynt gepfiffen, der Ballonverkäufer ist auch hier gleichsam unheimlich und wichtig; es gibt Verweise auf Rechtspopulismus und verschiedene artifizielle Settings. Als der Täter dann schließlich enttarnt wird, wird auch er ein M auf dem Rücken seiner Jacke tragen. Allerdings im knalligen Rot und nicht mehr im Kreide-Weiß.

Die Referenzen an M – Eine Stadt sucht einen Mörder erstrecken sich über Einstellungen, über Motive und über die Geschichte. Wird Fritz Langs Film häufig dahingehend gedeutet, dass er den Faschismus vorhergesehen habe, so erzählt David Schalko, der das Drehbuch mit Evi Romen geschrieben hat, von einem Österreich, in dem ein neurechter, populistischer Innenminister (Dominik Maringer) mit optischer Ähnlichkeit zu dem amtierenden österreichischen Kanzler Sebastian Kurz und ein Medienmacher (Moritz Bleibtreu) die Öffentlichkeit manipulieren, um Bürger- und Grundrechte auszuhebeln. Ein Österreich, in dem moralische Grundsätze oder ethische Bedenken nichts mehr wert sind, Bilder von toten Mädchen veröffentlicht, Morde verheimlicht und der Notstand verhängt wird. Hier drängen sich einerseits Parallelen zu den gesellschaftlichen und politischen Mechanismen der Weimarer Republik regelrecht auf, aber das Drehbuch trägt auch medialen und psychologischen Weiterentwicklungen Rechnung.

Tatsächlich passt die Geschichte eines Serienmörders, dessen Opfer Kinder sind und der eine Gesellschaft dazu bringt, nach Lynchjustiz zu schreien, gut in diese Zeit, in der Empörungswellen aufeinander folgen und ihnen allzu leicht nachgegeben wird. Diese Entwicklung wird vor allem von dem Innenminister und dem Medienmacher getragen, allerdings ist dieser Strang in seiner Gesamtheit sowohl erzählerisch als auch visuell der schwächste. Ein eitler Politiker, der gerne telefoniert, während er sich nackt im Spiegel bewundert, ist zu naheliegend.

Weitaus stärker ist die Serie in ihrem Blick auf das Private: Als Elsies Mutter (Verena Altenberger) ihre Tochter am verschneiten Abend schroff zurück auf den Spielplatz schickt, fragt sie wütend „Wann geht es endlich um mich?“ – und schon bald wird man erfahren, wie weit sie gegangen ist, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ihr Ehemann, Elsies Vater (Lars Eidinger), hat indes eine Affäre mit der Verkäuferin eines Kindermodengeschäfts und wird sein Kind nie verlassen. Die Einsamkeit in dieser Ehe ist kaum zu ertragen – und doch haben die Eltern in ihrer Trauer einen Zug Egozentrik, den auch andere Figuren haben. In erster Linie geht es ihnen um sich selbst.

Überzeugend sind zudem die Ermittlerfiguren – gerade die Kommissarin (Sarah Victoria Frick) ist in ihrer fleißigen Professionalität, die nicht durch ein persönliches Trauma groß erklärt wird, eine hinreißende Ausnahmeerscheinung. Dazu kommt die Polizeichefin (Johanna Orsini-Rosenberg), die zu gerne gegen den Innenminister bestehen würde, aber ahnt, dass sie es nicht schaffen wird.

Auch in der Unterwelt regiert eine Frau: die Verbrechenskönigin Die Wilde (Sophie Rois) hat das Sagen über Bettler und Huren und ist mit ihrem Stock, ihrer strengen schwarzen Kleidung ein weiteres Beispiel des unbedingten Kunstwillens dieser Serie. Die rote Jacke, das rote M, immer wieder werden rote Gegenstände in Szene gesetzt, Symbole etabliert. Sei es ein Fuchs – erst am Anfang auf dem Spielplatz, kehrt er später auf Elsies Tapete im Kinderzimmer wieder. Captain Hook tritt mehr als einmal auf, ohnehin agieren viele Figuren theatralisch bis rätselhaft. Aber das ist überwiegend sehr gelungen – beispielsweise in der verstörenden Trauer der Mutter –, bisweilen bemerkenswert prätentiös, wenn Lars Eidinger als trauernder Vater bis dahin angenehm zurückgenommen spielt und dann doch wieder nackt unter der Dusche hockt. Insgesamt aber sind es gerade diese Momente der Trauer um ein Kind, die überzeugen. Niemand hat Namen in dieser Serie, alle werden in ihrer Funktion bezeichnet. Bis auf die Kinder, die sterben.

In dieses artifizielle Setting und zu den großen Gesten passen die oftmals gestelzten Sätze, die regelrecht deklamiert werden. Sie verstärken die groteske Dramatik mancher Momente. Allein die finale Verhandlung über die Schuld des Täters vor der Unterwelt ist nicht nur eine deutlich futuristische Verneigung vor Fritz Lang, sondern auch eine Feier des überzogenen Schauspiels und eine wunderbare Inszenierung einer Inszenierung. Hier sticht die durchweg überzeugende Kameraarbeit von Martin Gschlacht noch einmal hervor. Das stilisierte nächtliche, verschneite Wien, die klaustrophische Weite der Unterwelt, das Graue der Bürokratie, die Künstlichkeit vermeintlich realistischer Bilder sind bemerkenswert. Hier wird das Grauen nicht ästhetisiert, sondern durch die Stilisierung noch verstärkt.

Sicherlich ist nicht alles gelungen an dieser bemerkenswert mutigen Serie. Udo Kier und Bela B als seltsame Typen sind ein wenig zu viel, das Motiv des Täters ist letztlich unnötig. Insgesamt aber ist M – Eine Stadt sucht einen Mörder eine seltsam-berückende Mischung aus aktuellem Sittenbild und hyperrealistischer Groteske, die in ihren besten Momenten vollends überzeugt. Hier hat ein Regisseur etwas gewagt. Und das ist ja leider im deutschen Fernsehen viel zu selten zu sehen.

M – Eine Stadt sucht einen Mörder (Miniserie, 2019)

 

In David Schalkos Neuinterpretation des Kinoklassikers M – Eine Stadt sucht einen Mörder wird ebenfalls gejagt – diesmal im schneebedeckten Wien. Während nach und nach immer mehr Kinder verschwinden, schieben sich opportunistische Politiker gegenseitig die Schuld zu und am Ende scheint jeder verdächtig. Ein mysteriöser Clown pfeift eine eindringliche Melodie, der sich niemand entziehen kann – auch nicht die Zuschauer*innen.

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Meinungen

Wuffi · 20.10.2019

Was für eine schlechte Serie, es gab teilweise tolle Bilder, aber die Story einfach zum gähnen langweilig, alles zieht sich in die Länge hinaus. Viele unlogische Szenen, nee - der Film ist einfach schlecht, bin echt enttäuscht.

Andre · 02.04.2019

Das ist mit Abstand das schlechteste was ich an Serie gesehen hab.
Unterirdische Dialoge, Logikfehler ohne ende und und und.

Lilli · 16.03.2019

Das schlechteste was ich seit langen gesehen habe.
Stumpf.... die Dialoge sind teilweise so unterirdisch
Alles zusammen gewürfelt was einen gerade eingefallen ist.
Die Schauspieler? Unterirdisch.
Ich dachte bei der ganzen Werbung das da was richtig gutes laufen wird. Leider nicht der Fall. Jetzt kann ich auf jeden Fall, wenn mich jemand fragt, was die schlechteste Serie für mich ist sagen es ist diese. Totale Enttäuschung.

Adrian · 02.03.2019

Es ist mir ein Rätsel, wie die erste Folge die Kontrollinstanzen passieren konnte. Die Folge habe ich als dermaßen schlecht empfunden, dass ich die folgenden nicht mehr sehen möchte. Ein Dutzend Charaktere werden auf das Publikum losgelassen, ohne dass sie eingeführt würden. Sympathieträger: Fehlanzeige. Die Charaktere: peinlich, tumb, unrealistisch. Dialoge und Handlung: unterirdisch. Man kann dem Zuschauer deutlich mehr zumuten. Die großen Vorbilder machen es vor. Etwas Positives zum Schluss: Kamera und Ausstattung überzeugen.

David · 28.02.2019

Die erste Folge war irgendwie gar nichts. Leider.
Ich habe mich seit einigen Wochen auf diese Serie gefreut, jetzt ist sie schon so zäh und irgendwie „abweisend“, dass ich nicht mal sicher bin, mich zur nächsten Folge zu schleppen.

Seemann · 20.02.2019

Ein Riesenschmarrn !

Helmut · 17.02.2019

Sehr gute Idee(Fritz Lang) und gute bildliche Adaption ins 21. Jahrhundert. Die Erwartungshaltung war da. Allerdings: die Protagonisten sind lächerlich überzeichnet (ohne komisch zu wirken)wie unfreiwillige Chimären aus Kottan- und Miami Vice Figuren, die schauspielerische Leistung ist überschaubar nur partiell überzeugend. Die Schnittübergänge sind länger als bei Serien aus den 80er Jahren, die Charaktere sind eigentlich durchwegs unsympathisch oder laden zum Fremdschämen ein. David Lynch sollte über die platten Homagen nicht erfreut sein - Beispiel dafür wie der ORF glaubt einfach den Stoff eines echten Klassikers hernehmen, recht schlecht inszenieren, aufblasen und durch Vorschlaghammermarketing erfolgreich reden will. Dabei gab es gerade in den letzten Jahren gute Beispiele wie man solche Miniserien authentisch und spannend gestalten kann (schwedisch/Dänisch/ Fernsehen: Die Brücke, Kommissarin Lund, Borgen, Französisch/Amazon: Black Spot)