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Sie war der Schrecken der Klosterschule. Früher mal. Konnte Mitschülerinnen Krankheiten und Schwangerschaften einreden. Feierte in der Kirche schwarze Messen. Inzwischen ist Luz Taxifahrerin in Köln. Wo aber ist das Böse hin, das in ihr gesteckt hatte?

Luz (2018)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Dämonie

Eine Art Foyer. Links ein Portier. Wachmann? Sachbearbeiter? Er blickt vom Schreibtisch auf Computer. Nimmt keine Notiz von der Frau, die rechts durch die Glastür kommt. Begleitet von minimalen Soundtrack-Akkorden schlurft sie in den Raum. Schlurft wie ein Zombie. Oder wie eine Irre. Oder wie … man weiß es nicht. Schlurft. Zum Getränkeautomaten. Es dauert, sie schlurft ja. Seltsam eckige Bewegungen. „Willst du so dein Leben verbringen!“, schreit sie den Portier an, auf Spanisch. Filmtitel, schwarz auf rot: Luz.

Auftakt zu einem merkwürdigen, bemerkenswerten Film, den Tilman Singer als Abschlussarbeit an der KHM Köln drehte: Ein Horrorfilm der Un-Orte, in dem die Vergangenheit exorziert werden will und dabei doch nur heraufbeschworen wird. In einer heruntergekommenen Bar macht sich Nora an den Psychologen Dr. Rossini ran, sie ist verführerisch und gefährlich, beide trinken eine Menge Cocktails und Nora erzählt: Aus ihrer Zeit in Chile, in der katholischen Nonnenschule, ihre Zeit mit Luz. Die hat mentale Manipulationsfähigkeiten. Redet den Mitschülerinnen ein, krank zu sein oder schwanger. Missbrauch und Homoerotik klingen an. Im Klo der Bar wird gefickt – bzw.: Noras Mund leuchtet; und beim Kuss bekommt Rossini einen spastischen Anfall. Er ist angesteckt.

Konferenzraum. Polizeiliches Verhör. Viele leere Stühle. Kommissarin, Dolmetscher, Luz. Und der Psychologe. Ein einfaches Re-Enactment: Luz, Taxifahrerin, verwundet, ist während der Fahrt aus ihrem Auto gesprungen. Wie war das? Stühle als Automodell. Und langsam schwingt sich der Film ein in die Situation dieser Fahrt vom Flughafen in ein Hotel, der (Wieder)Begegnung von Luz und Nora. Das ist alles sehr seltsam, die Situation, das Verhalten der Personen – die Kommissarin stört immer dazwischen! Dr. Rossini ist ungehalten. Er benutzt Hypnose. Luz, in Trance, macht ihre Erinnerung, ihre Imagination zur Realität. Ein Vorfall aus dem Nonnenkloster spielt mit. Nebel zieht auf. Dämonisch stehen alle unter einem Bann. Ist Satan am Werk? Wenn ja: Wer oder was ist das Böse?

Langsam entwickelt sich alles. Aber es schleicht voran, das Spiel von Hypnose, Vergangenheit, Fantasie und Wahrheit wird ernst. Eine obszöne Persiflage des Vaterunsers wirkt als höllische Zauberformel: „Vater unser, wieso bist du solch ein Wichser? Siehst du ein Mädchen, zeigst du dein wahres Ich. Dein Reich stinkt. Dein Wille geschehe im Schritt eines Großvaters. Lasst uns heute den Sohn der Maria ficken.“ Der Dolmetscher in seinem Holzkasten sieht bei allem zu. Und wir auch: Und wir können es nicht wirklich fassen, weil es nicht wirklich erklärt wird. Besessenheit, Trauma, Psychospiele und das Böse – eine Art Kammerspiel bei diesem polizeilichen Luz-Verhör, doch in der Kammer steckt alles drin, was einen Horrorfilm ausmachen sollte. Nicht die Schocks, nicht Blut und Ekel. Sondern ein Nervenzerren, ein Unter-die-Haut-gehen. Eine Symbiose von Handlung, Set-Design, Musik. Und die Frage, ob es so etwas wie ein unschuldiges Böses gibt.

Luz (2018)

In einem Nachtlokal verwickelt die von einem Dämon besessene Nora den Polizeipsychotherapeuten Dr. Rossini in ein Gespräch. Sie erzählt von ihrer alten Schulkameradin Luz auf einer chilenischen Mädchenschule. Bald bemächtigt sich der Dämon des ahnungslosen Therapeuten.

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