Lux - Krieger des Lichts

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Real Life Super Hero

Franz Rogowski spielt immer wieder totale Losertypen. Und das, obwohl er – ausgebildeter Tänzer! – über eine unglaubliche Körperlichkeit verfügt. In Hanekes Happy End ist er das geschundene Familienanhängsel, in Fikkefuchs ein armes Würstchen mit allzu großer Pussy-Sehnsucht. In Daniel Wilds Debütfilm Lux – Krieger des Lichts ist Rogowski ein Superheld in Berlin.

Real Life Super Heroes – ein Trend in den USA. Jetzt auch in Deutschland: Torsten will helfen, denn jeder, der hilft, ist ein Held. Torsten hat ein selbstgebasteltes Kostüm, darauf ist er stolz. Torsten verteilt Essenspakete an Obdachlose. Spannend? Ja: Menschlich spannend. Deshalb ist ihm ein Dokumentarfilmteam auf den Fersen. Er wird gefilmt bei seinen Hilfsaktionen, er redet über seine Gedanken zum Heldentum, seine Mutter darf über ihn erzählen. Die übliche Herangehensweise des Dokumentarfilms eben. Aber leider nicht spannend genug für den Produzenten. Wo ist die Action, wo ist der Sex? Kann man die ganze Chose nicht ein bisschen pimpen?

Wild fährt zweigleisig. Er porträtiert einen Helden des Alltags, der Vorbild sein will, ohne im Rampenlicht zu stehen, der im Kleinen helfen will, wo er kann. Und er porträtiert das Porträtieren dieses Losers, der einen Weg gefunden hat, sein Losertum zu überwinden. Weil „Superheld“, so wie Torsten es versteht, etwas fundamental anderes ist als „Superheld“, wie der Begriff in der Öffentlichkeit verstanden wird. Oder verstanden werden soll. Oder verstanden werden will.
Daniel Wilds Strategie: Er unterscheidet nicht mehr zwischen „objektiven“ Bildern seines Films und den subjektiven Bildern des Films im Film. Weil es eigentlich auch keine Unterscheidung mehr gibt – wenn alle ein Handy haben, ist die Welt Film, auch, wenn Lux von einem Hund angefallen und in demütigendster Haltung aufgenommen wird. Und andererseits: Wenn einer was tut, was keiner bemerkt – hat er es dann getan?

Vor allem in der ersten Hälfte gerät Torsten/Lux immer wieder in wunderbare situationskomische Momente, die Daniel Wild ganz selbstverständlich erzählt – ist ja, so die Fiktion, das wirkliche Leben. Wobei mehr und mehr dieses normale Leben nicht mehr von Torsten, sondern von außen gesteuert wird: Erst wer bekannt ist, kann etwas verändern, und mit Social Media ist das wohl kein Problem mehr. Das allerdings muss natürlich geplant, gescriptet und inszeniert werden. Wo James Gunns Super seinen Real Life Hero zum Psychopathen machte und Kick-Ass zum wirklichen Superhelden-Blockbuster wurde, ist es hier eine bissige Mediensatire, in die Wild seinen Film hineinführt, in dem Torsten zum Spielball wird, weil das Normale eben nicht reicht in dieser Welt.

Torsten will Superheld sein und klein bleiben. Ein Widerspruch, an dem er beinahe zerbricht – oder gänzlich? Im letzten Drittel führt uns Wild explizit in ein Truman-Show-Szenario hinein, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Für Torsten schon gar nicht: Der Kumpel im Knast, die Arbeit verloren, die Mutter verloren, die Freundin wollte nie eine sein. Etwas zu sehr packt Wild hier den Medienzynismus raus, die Satire wird beiseitegelassen fürs ganz große Drama – etwas viel auf den Schultern eines Superheldenfilms, der keiner ist, aber natürlich ein würdiger Träger des Heinz-Badewitz-Preises der Hofer Filmtage für den besten Debütfilm. Denn: Wo sind denn überhaupt die Möglichkeiten für große Taten, wenn in Filmen und Videoclips alles schon sehr viel packender erzählt ist?
 

Lux - Krieger des Lichts

Franz Rogowski spielt immer wieder totale Losertypen. Und das, obwohl er – ausgebildeter Tänzer! – über eine unglaubliche Körperlichkeit verfügt. In Hanekes „Happy End“ ist er das geschundene Familienanhängsel, in „Fikkefuchs“ ein armes Würstchen mit allzu großer Pussy-Sehnsucht. In Daniel Wilds Debütfilm „Lux – Krieger des Lichts“ ist Rogowski ein Superheld in Berlin.

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