Lust ohne Grenzen

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Bis dass der Tod … ?

Michael Rowes erster langer Spielfilm“ „Lust ohne Grenzen“ gewann 2010 in Cannes die die Caméra d`Or, den unabhängigen Preis für den besten Debütfilm. Jetzt kommt er in den deutschen DVD-Verleih. Der Film ist eine feinsinnige Studie über eine junge Frau auf der Suche nach der großen Liebe, die dabei entdeckt, welche Möglichkeiten ihr ein erfülltes Sexualleben bieten kann. Gleichzeitig ist „Lust ohne Grenzen“ ein Statement zur großstädtischen Einsamkeit.
Laura (Mónica del Carmen) lebt ein recht einsames Leben als freie Journalistin in einem kleinen Apartment in Mexikostadt. Dieses wird geprägt von Konstanten wie den Konservendosen oder Litercontainer, die Laura vor dem Fernseher in sich hineinlöffelt, ihren unförmigen Schlafanzügen, die sie nur dann anzieht, wenn sie glaubt, alleine zu sein und zu bleiben, und ihren Blicken aus dem Fenster, mit dem sie das Leben ihrer Nachbarn registriert.

Hin und wieder wechselt Laura ihren Schlabberlook gegen ansehnliche Diskokluft, geht aus und kommt in männlicher Begleitung zurück in ihr Apartment. Ihre One-Night-Stands enden aber relativ schnell am frühen Morgen, wenn Laura sich schlafend stellt, damit sich der Mann aus der Wohnung schleichen kann, oder noch direkt in der Nacht, wenn der Liebhaber sein Handy zückt, bei Frau oder Freundin anruft und verspricht, gleich nach Hause zu kommen. Es wird schnell deutlich, dass Laura in diesen schnellen Sex-Zusammenkünften nicht so recht Zufriedenheit findet. Dann lernt sie Arturo (Gustavo Sánchez Parra) und eine ganz andere Art von Sexualität kennen lernt.

Arturo fordert sie als Partnerin heraus, drückt ihr beim Geschlechtsverkehr die Kehle zu, drückt sie gegen die Wand, wirft sie auf den Boden und pinkelt auf ihren nackten Körper. Arturo treibt die Grenzen bei jedem Mal weiter – und Laura leckt sofort Blut und findet immer mehr Gefallen an Arturos Praktiken. Und sie will noch weiter gehen: „Möchtest du mir die Kehle durchschneiden beim Ficken? In mir kommen, während du mich sterben siehst?“, fragt sie Arturo – und das mutige Schauspiel der beiden Darsteller erreicht seinen Höhepunkt. Laura hat im Kalender einen Tag rot markiert – der Tod ihres Vaters am 29. Februar, der sich nun im Schaltjahr – so auch der Originaltitel Año bisiesto (auf deutsch „Schaltjahr“) – jährt. An diesem Tag möchte auch sie sterben – in einem weißen Kleid und in den Armen von Arturo, doch dieser hat sich schon längst in Laura verliebt.

Wie einst in Pedro Almodóvars Kult-Film Matador (1986) zeigt auch Lust ohne Grenzen, wie nah beieinander Sexualität und Schmerz, Lust und Demütigung, Liebe und Tod sein können. Die Liebenden – von beiden Darstellern sehr authentisch gespielt – gehen in ihrer Leidenschaft bis ans Äußerste, schinden und lassen sich schinden und sitzen kurz darauf harmonisch beieinander auf der Couch, schauen fern und sprechen über ihre Träume.

Lust ohne Grenzen thematisiert gleichzeitig das Verloren- und Einsamkeit in der großen Stadt. In den (Telefon-)Gesprächen von Laura und ihrem Bruder wird deutlich, dass Laura von Oaxaca in die Landeshauptstadt gezogen ist und seitdem ihr Glück als politische Journalistin versucht. Viel von Mexikostadt oder Großstadt sieht man jedoch nicht auf der Leinwand. Man beobachtet Laura bei einem Einkauf in einem Supermarkt, ansonsten spielt sich das Geschehen durchgängig in Lauras kleinem Apartment ab. Laura geht hinaus und schließt – nach einem Schnitt – die Tür wieder auf, tritt ein, hinter ihr ein Mann.

Die Kameraführung unterstützt das Kammerspiel: Der Film ist von langen Einstellungen gekennzeichnet, bei denen die Kamera fest positioniert ist, sich nicht bewegt, sondern das einfängt, was vor ihr geschieht. Währenddessen treten die Figuren auch einmal aus dem Bild, und die Kamera folgt ihnen nicht; Teile ihres Körpers sind abgeschnitten, aber dies stört nicht, sondern betont vielmehr den dokumentarischen Charakter.

Lust ohne Grenzen

Michael Rowes erster langer Spielfilm „Lust ohne Grenzen“ gewann 2010 in Cannes die Caméra d`Or, den unabhängigen Preis für den besten Debütfilm. Jetzt kommt er in den deutschen DVD-Verleih. Der Film ist eine feinsinnige Studie über eine junge Frau auf der Suche nach der großen Liebe, die dabei entdeckt, welche Möglichkeiten ihr ein erfülltes Sexualleben bieten kann. Gleichzeitig ist „Lust ohne Grenzen“ ein Statement zur großstädtischen Einsamkeit.
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