Love (2011)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

"No signal"

Einsamkeit und der Kitt, der uns alle zusammenhält – das ist schon gewaltiger Stoff für einen 90-Minuten-Film, ein Debüt noch dazu. Aber William Eubank geht es wahrscheinlich genau darum, ums große Ganze. Auf jeden Fall geht es ihm nicht darum, noch einen weiteren Science-Fiction-Streifen der durchschnittlichen Actionklasse abzuliefern.
Love fängt deshalb auch gleich in einem Kontext an, den man womöglich nicht erwartet: mitten im amerikanischen Bürgerkrieg. Hier ist nicht die Rede von Wissenschaft und Zukunft, hier geht es für einen Soldatentrupp ums Überleben, um den letzten Kampf, der aber womöglich schon so gut wie verloren ist. Captain Lee Briggs (Bradley Horne) wird dennoch fortgeschickt, er soll einen Krater erkunden, der in der Umgebung gefunden wurde. Und während seine Kameraden im Kampf ums Leben kommen (was Eubank, der auch die Kamera führte, in spannend komponierten Slow-Motion-Szenen fast schon verharmlosend schön einfängt), steht Briggs am Rand des Kraters und staunt.

Über was er da staunt, was überhaupt die Exposition dieser ersten fünfzehn Minuten mit dem Rest des Films zu tun haben soll, all das wird erst viel später deutlich. Eubank lässt sich Zeit mit seiner Story, und auch das hat einen einfachen Grund: Da sie weniger den Gesetzen traditioneller Erzähllogik verpflichtet ist, als einem assoziativen, träumerisch fortschreitenden Duktus, kann sich das alles auch erst mit der Zeit entfalten.

Plötzlich werden dann Krater und Soldat durch den Weltraum ersetzt, am oberen Bildrand dominiert ein Stück des blauen Planeten: Lee Miller (Gunner Wright) hat diese Aussicht, er hält als einziges verbliebenes Besatzungsmitglied im Jahr 2039 die Internationale Raumstation ISS in Gang. Es ist ein einsames Geschäft, mit Ton- und Videobotschaften der Verwandten auf der Erde, kurzen, aber dennoch persönlichen Gesprächen mit den Bodenstationen in Houston, Cambridge und anderswo. Bis es Kommunikationsstörungen gibt, der Kontakt plötzlich abreißt: „No signal“. Vorher schon deutete sich vage an, dass auf der Erde womöglich nicht alles zum rechten steht, dann gehen auf einmal dort unten die Lichter aus – und Miller ist völlig allein und isoliert in seinem kleinen Blechhaufen im All.

Man darf schon ein bisschen beeindruckt sein von dem Durchhaltevermögen, das Regisseur Eubank für Love an den Tag gelegt hat. Mit einem Budget von gerade einmal 500.000 US-Dollar werkelte er dem Vernehmen nach vier Jahre lang an dem Film, das ISS-Set entstand angeblich mit einfachsten Mitteln im Vorgarten seiner Eltern (eine Erzählung, die durch entsprechende Publicity-Fotos Bestätigung zu finden scheint).

Dem Endprodukt sieht man diese Beschränkungen, so man nicht direkt danach sucht, praktisch nicht an. Stattdessen nutzt Eubank den Raum, um seine Qualitäten als Kameramann – als solcher war er vor Love an zahlreichen Kurzfilmen und zwei Langfilmen beteiligt – besonders scheinen zu lassen. So gelingt es ihm, den engen Raum der ISS, auf der sich der Film fast vollständig abspielt, immer um den Protagonisten Miller herum, abwechslungsreich und lebendig erscheinen zu lassen.

Gunner Wright, in seiner ersten Hauptrolle nach nur wenigen kleinen Filmauftritten, spielt diese Figur sehr unaufgeregt, mit jenen Zwischentönen, die ihn in seiner Situation glaubwürdig erscheinen lassen. Denn natürlich wird sein Miller nach und nach zum Wunderling, je länger er allein, ohne Ansprache und mit ständig sinkender Hoffnung, im Weltall bleibt. Wright gibt ihm dafür kaum wahrnehmbare Ticks, Eubank sorgt für das nach und nach verlotternde Setting – das zieht sich lange genug hin, um auch den Zuschauer ein wenig zu langweilen, aber das passt vielleicht bei einem solchen Film nur allzu gut.

Aufklärung darüber, wohin der Film eigentlich weisen soll, darf man sich trotz oder gerade wegen des seltsamen und sicher vieldeutigen Endes nicht unbedingt erhoffen – Love gehört zu jenen neueren Science-Fiction-Filmen, die sich mehr für das Innere der Menschen interessieren als für technischen Fortschritt und Alieninvasionen. Ein solches Kino war sicher nie ganz verschwunden, aber derzeit ist es mit Filmen wie Another Earth, Perfect Sense und natürlich Moon wieder ein wenig sichtbarer geworden. Mit Duncan Jones‘ Mondgeschichte ist Love natürlich sofort nach seiner Erstaufführung verglichen worden – zu groß sind die oberflächlichen Ähnlichkeiten (einsamer Mann im All wird wunderlich, Kontakt zur Erde reißt ab), als dass man darauf verzichten könnte.

Aber Love interessiert sich nicht für den etwas bemühten sozialkritischen Dreh, den Moon an seinem Ende macht, Eubank greift nach den ganz großen Sternen der Filmgeschichte, neben vielen anderen vor allem Stanley Kubrick: Dessen 2001 – Odyssee im Weltraum steht hier in mehr als einer Szene Pate in Geist und Ästhetik. Dass er daran nicht gänzlich scheitert, liegt vor allem daran, dass er weder nachäfft noch wirklich versucht, die Größe des Vorbilds zu erreichen.

Stattdessen wird Love zu einer rätselhaften, gelegentlich sicher unvollkommenen und noch unbeholfenen Meditation über den Menschen als soziales Wesen – der Filmtitel verrät es ja schon. Ätherisch schwebt der Film so gleichsam über den Realitäten der Welt, nicht zuletzt auch durch die Musik der amerikanischen Rockband Angels & Airwaves, für die Eubank zunächst Musikvideos gedreht hatte – bis sich die Band entschloss, ihm diesen Film zu finanzieren. Ein Film über die Conditio humana, finanziert mit dem Geld einer Rockband – das ist fast zu schön, um wahr zu sein.

Love (2011)

Einsamkeit und der Kitt, der uns alle zusammenhält – das ist schon gewaltiger Stoff für einen 90-Minuten-Film, ein Debüt noch dazu. Aber William Eubank geht es wahrscheinlich genau darum, ums große Ganze. Auf jeden Fall geht es ihm nicht darum, noch einen weiteren Science-Fiction-Streifen der durchschnittlichen Actionklasse abzuliefern.
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