Lost and Found

Mit dem Omnibus durch Osteuropa

Einen Omnibus nennt man nicht nur ein Kraftfahrzeug, das dazu geeignet ist, mehrere Personen von A nach B zu transportieren, sondern auch einen Film, zu dem verschiedene Regisseure Teilsegmente beitragen, um ein vorher definiertes Ziel zu erreichen. Wenn man nun die Analogie zum Personentransport ernst nimmt und weiterdenkt, begreift man schnell, woran viele Filme dieser Gattung scheitern – es gibt salopp gesagt zu viele Fahrer, die sich zudem über die Richtung uneins sind. Auch Lost and Found, ein Omnibusfilm von sechs osteuropäischen Regisseuren, der nun in die Kinos kommt, krankt ein wenig an der Uneinheitlichkeit der verschiedenen Beiträge, kann aber durch einzelne Elemente als Gesamtkonzept zumindest teilweise überzeugen.

Entstanden ist der Film auf Anregung von Nikolai Nikitin, seines Zeichens Herausgeber des Filmmagazins Schnitt und Scout für die Berlinale mit dem Schwerpunkt osteuropäischer Film. Die teilnehmenden Regisseure wurden auf dem Berlinale Talent Campus rekrutiert, den passenden Rahmen für das Gesamtpaket, das den thematischen Schwerpunkt Generation hat, bildet der Animationsfilm Gene+Ratio von Mait Laas aus Estland, bei dem sich ein Streichholzmännchen – stellvertretend für den Zuschauer — auf eine atemberaubende Reise macht.

Unter den Filmen ist es vor allem der Beitrag Wunderbare Vera von Stefan Arsenijevic aus Serbien/Montenegro eine echte Entdeckung, bei dem eine frustrierte Straßenbahnschaffnerin kurzerhand die ihr anvertraute Tram entführt und auf diese Weise endlich ihr Glück findet. Erzählt wird diese Story mit viel Witz und einer Leichtigkeit, die die meisten der anderen Filme von Lost and Found leider nicht aufweisen können. Manches wie Ein kurzer Moment der Stille von Kornél Mundruzcó pflegt hingegen grau verhangene Tristezza, ausgelöst durch den Tod der Mutter. Auch im rumänischen Beitrag Das Mädchen und der Truthahn von Cristian Mungiu geht es um eine Mutter die im Sterben liegt. Ihre Tochter soll mit einem Truthahn als „Praxisgebühr“ in die Hauptstadt Bukarest fahren, um so die rettende Operation zu finanzieren. Heiterer wird es da im bulgarischen Beitrag Das Ritual von Nadejda Koseva, in dem eine Hochzeitsgesellschaft ausgelassen feiert. Allerdings fehlt dem Fest etwas ganz Entscheidendes – nämlich die beiden Hauptpersonen. Der einzige dokumentarische Beitrag Geburtstag von Jasmila Zbanic aus Bosnien-Herzegowina porträtiert zwei Mädchen aus Mostar, die beide am gleichen Tag geboren wurden. Doch weil das eine Mädchen aus dem reichen Westen der Stadt und das andere aus dem armen Osten kommt, sind sich beide noch nie begegnet.

Insgesamt bietet Lost and Found erstaunliche Einblicke in das Leben in Osteuropa, und wenn man bedenkt, dass die teilnehmenden Regisseure allesamt zum künstlerischen Nachwuchs gehören, so muss einem nicht bange sein vor der filmischen Zukunft des osteuropäischen Filmschaffens.

Lost and Found

Einen Omnibus nennt man nicht nur ein Kraftfahrzeug, das dazu geeignet ist, mehrere Personen von A nach B zu transportieren, sondern auch einen Film, zu dem verschiedene Regisseure Teilsegmente beitragen, um ein vorher definiertes Ziel zu erreichen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

blackmichel · 11.01.2007

Eine sehr gelungene Kompilation mit herausragenden, teils bewegend erzählten Episoden aus Osteuropa. Grandios ist der letzte Film "Wunderbare Vera", leidenschaftlich erzählt und mit lakonischem HUmor ausgestattet. Sehr empfehlenswert.