Logan - The Wolverine

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Das menschliche Antlitz der Superheldenmacht

Seit siebzehn Jahren verfolgen wir das Leben und den Werdegang von Logan, aka Wolverine (Hugh Jackman) nun schon im Kino. Und wir sind alle dabei ein Stück weit älter geworden. Dennoch überrascht es einen, dass auch Mutanten irgendwann alt werden. Und was dann? Was, wenn die vielen Kämpfe Narben auf Körper und Seele hinterlassen haben, die nicht mehr heilen? Was, wenn die Demenz ein Hirn wie das von Charles Xavier alias Professor X (Patrick Stewart) Stück für Stück zerfrisst? Wer pflegt diese ehemaligen Kämpfer, die sich seit langer Zeit verstecken und wehren müssen, wenn sie keine Familien haben? Berechtigte Fragen, denen sich James Mangolds dritter Teil der Wolverine-Serie stellt und damit nicht nur dessen Geschichte, sondern auch die der X-Men abschließt.
Logan — The Wolverine spielt im Jahr 2029 in einem Amerika, das fast postapokalyptisch erscheint. Die Trumpsche Mauer ist nicht gebaut, es stehen die alten Grenzzäune. Doch ansonsten scheint die Gesellschaft, die hier erahnt wird, eine zu sein, die, wenn vielleicht auch ungewollt, durchaus das Ergebnis der neuen amerikanischen Politik sein könnte. Jeder ist sich selbst am Nächsten, es geht nur um Geld und ums eigene Überleben. Die Mutanten sind seid langem verboten und verfolgt. Wer nicht erwischt wurde, versteckt sich. Doch es sind eh nur wenige übrig, denn vor 25 Jahren gab es plötzlich keine neuen mehr. Nur die Alten sind übrig. Logan verdingt sich als Limousinenfahrer an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Sein Wohnsitz: in Mexiko, abgelegen in einer alten Fabrik. Hier versteckt er auch Professor X, der inzwischen, mit über 90 Jahren, mental stark abgebaut hat, was bei einem telekinetischen Hirn wie seinem zu Problemen führt. Wenn er nicht ständig mit Medikamenten, die Logan auf dem Schwarzmarkt besorgt, ruhig gestellt wird, lösen seine Attacken seismische Aktivitäten aus, die hunderte Menschen töten können. Die Betreuung von Xavier übernimmt Caliban (Stephen Merchant), en Albino-Mutant, der als Tracker andere Mutanten erspüren kann. Logan selbst ist, wie er immer war: knarzig, konstant angepisst und immer auf der Hut. Doch auch er altert. Seine Kräfte haben nachgelassen, sein Körper ist übersät von Narben. Und mit nachlassender Heilungskraft macht ihm das Adamantium-Skelett zu schaffen. Es vergiftet ihn langsam. Den Schmerz lindert er durch konstanten Alkohol-Konsum. Und so haben sich die letzten Mutanten eingerichtet und warten eigentlich nur noch auf das Ende. Doch dann kommt Laura (Dafne Keen). Das junge Mädchen ist eine Mutantin, wenn auch eine künstlich erschaffene, die mit Hilfe einer Krankenschwester aus dem Labor von Transigen entfliehen konnte. Sie braucht Hilfe, um in kürzester Zeit an einen bestimmten Ort in North Dakota zu kommen, den sie aus den alten X-Men Comicbüchern kennt. Und nur Logan/Wolverine kann da behilflich sein. Doch der hat keinen Bock mehr auf das ewige Kämpfen, glaubt die Story nicht und begreift auch nicht, wie viel er mit dem Mädchen gemeinsam hat. Bis er von einer ganzen Armee und dem eigenartigen Dr. Rice überrollt wird, die auf der Suche nach Laura sind.

Logan — The Wolverine ist ein etwas ungewohnter Hybrid-Film. Was zuerst ins Auge springt, ist die Gewalt, die dieser Film mit sich bringt. Sie übertrifft in ihrer Art, ihrer Exponiertheit und Massivität sogar die Vorgängerfilme. Unzählige Menschen werden hier gemetzelt, so manche davon völlig unschuldig und noch dazu eher unmotiviert. Dutzende Male sehen wir Klauen durch Köpfe stoßen, Gliedmaßen werden abgetrennt, Leute gemeuchelt. Hier vollzieht sich ein doppelter Paradigmenwechsel in Sachen Superheldenfilm: Einerseits wird hier kein „familienfreundlicher“ Film mehr gezeigt, Logan ist in den USA mit einem R-Rating (ähnlich wie FSK 16) versehen worden. Normalerweise ist für Superheldenfilme ein PG-13, also ab 13 Jahren üblich. Inhaltlich zeigt diese massive Gewalt aber auch die Verrohung der dystopischen Gesellschaft und auch die der Hauptfigur, die ihren Kampf gegen ihre tierischen, aggressiven Instinkte am Ende verloren hat.

Die Gewalt des Filmes wird allerdings immer wieder konterkariert von der restlichen, sehr Superhelden untypischen Geschichte. Logan — The Wolverine geht hier einen ganz anderen Weg. Bis auf übliches Gemetzel kommt es kaum zum Einsatz von Mutantenkräften. Es gibt auch nur in einer ganz bescheidenen Art die sonst üblichen Aufgaben, die erfüllt werden müssen und die epischen Endkämpfe. Viel mehr ist dieser Film geprägt von seiner Melancholie. Logan — The Wolverine ist ein Werk über da Altern und über den Weltschmerz, der die letzten Tage dieser Mutanten bestimmt, die alles verloren haben und so sehr sie sich bemühten am Ende doch nicht allzu viel retten konnten. Es ist ein Film über Menschen, die müde sind und denen die Welt nichts mehr zu bieten hat. Es ist ein Film über Menschen, die die Kraft nicht mehr haben gegen eine Gesellschaft aufzubegehren, die sie nicht will. Logan und Xavier sind im klassisch Shakespearschen Sinne tragische Helden. Und ihre gemeinsame Freundschaft, die sehr starke Züge einer Vater-Sohn-Beziehung angenommen hat, ist es, die Logan auf einer menschlichen und emotionalen Ebene wirklich interessant macht. Die beiden haben nur sich und niemand anders auf der Welt und Logan, der mit der Menschheit eigentlich abgeschlossen hat, pflegt hier seinen Ziehvater am Ende seiner Tage. Es ist schon ungewohnt, diese einst so machtvollen Kreaturen nun zu sehen, wie der eine dem anderen auf die Toilette hilft und wie Logan, geschwächt von Alter und Krankheit, auf Lauras Schoss ein paar Stunden schlafen muss.

Mangold zieht mit Logan — The Wolverine den perfekten Schlussstrich für die X-Men. Von allen Mutanten und Superhelden zeichneten sie sich schon immer als diejenigen aus, die Zeit ihres Lebens um ihre Würde und Menschlichkeit gekämpft haben. Die Würde nimmt ihnen der Film nicht, vielmehr erlaubt er ihnen, ihre Würde und Menschlichkeit zur Gänze auszuspielen und um sie zu kämpfen. Ein würdiger und überraschend trauriger Abgang. Zwischen all den andern Posern, Protzern und Supermegahelden wird man sie vermissen.

Logan - The Wolverine

Seit siebzehn Jahren verfolgen wir das Leben und den Werdegang von Logan, aka Wolverine (Hugh Jackman) nun schon im Kino. Und wir sind alle dabei ein Stück weit älter geworden. Dennoch überrascht es einen, dass auch Mutanten irgendwann alt werden. Und was dann? Was, wenn die vielen Kämpfe Narben auf Körper und Seele hinterlassen haben, die nicht mehr heilen?
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