Listen Up Philip

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Being Philip Roth

Listen Up Philip ist eine imaginierte Anti-Biografie des amerikanischen Autors Philip Roth oder eine verbitterte Betrachtung eines erbärmlichen Intellektuellen. Der 30-jährige Regisseur Alex Ross Perry hat einen egoistischen Film über narzisstische Menschen gemacht, der in sich eigentlich ein gewagtes Experiment ist, da er in seinem Look und in seiner hippen Sprunghaftigkeit eine gewisse Nähe zu Filmen wie Frances Ha von Noah Baumbach erahnen lässt, dahinter aber trotz einiger humorvoller Sequenzen weniger Freude am Leiden als ein Leiden am Leiden erklärt.
Im Zentrum der Handlung steht zumindest über weite Teile Philip (Jason Schwartzman), ein äußerst erfolgreicher, ausgezeichneter Autor, der sich so lange darum bemüht, seine Freunde, Ex-Freundinnen und Freundinnen verbal und psychologisch zu vernichten bis er sich selbst in einen deprimierenden Elfenbeinturm rettet, indem es eigentlich Nichts für ihn gibt. Er trennt sich von seiner Freundin, findet keinen Kontakt an einer Uni, an der er arbeiten muss und verliert spürbar die Lust auf alles. Allerdings sind das keine Schicksalsschläge sondern Befreiungsschläge für den jungen Mann. Ganz bewusst radiert er hier voller Selbsthass und Arroganz seine Umwelt aus seinem Leben. Wer eine klassische Charakterentwicklung mit Erkenntnissen und Besserungen erwartet, ist hier strenggenommen falsch. Aber der Film beinhaltet sehr viele Ebenen und wirft immer wieder neue Fragen und Wege auf.

Denn in der Verbitterung steckt dann auch irgendwann eine Erkenntnis: Ich bin so, es ist okay. So trifft Philip auf den älteren Schriftsteller Ike Zimmerman (Jonathan Pryce). Die Begegnung der beiden hat nichts mit dem Mentor und Schüler Gehabe zu tun, das man sonst so gerne sieht im amerikanischen Kino, sondern vielmehr schauen sich die beiden in ihre narzisstischen Augen und werden Freunde. Listen Up Philip bewegt sich mit einem unheimlichen Tempo sowohl bezüglich der gesprochenen Dialoge als auch des rotzigen Schnitts voran und man bekommt das Gefühl, Teil der sprunghaften Gedankenwelt des Protagonisten zu werden. Hierin liegt auch einer der spannenden autobiografischen Ansätze des Films. Dabei geht es nicht nur um den Autor Philip Roth, dessen Stil und Werk sicherlich hier und da Pate für den Films stand, sondern auch um Perry selbst, der sich in einem ähnlichen Alter und in einer ähnlichen Welt wie seine Figur bewegt (und zudem noch ähnlich aussieht). Bei allem Leid ist der Film nicht frei von Humor. Dieser findet sich meist in seiner schwärzeren Form in den Dialogen. Kurze trockene Nebenbemerkungen, die einen immer wieder schmunzeln lassen und in sich schon wieder schmerzvoll sind, weil sie aus derselben Intelligenz kommen wie die entmenschlichte Kühle gegenüber der Welt. In diesem Sinn ist Listen Up Philip tatsächlich ein durch und durch gelungenes Portrait eines Lebensgefühls.

Der Film stellt eine „Ich bin ein Arschloch, aber es ist mir egal“-Haltung in Form und Inhalt aus. Es könnte durchaus ein typisches Problem unserer Zeit sein, dass wir eine solche selbstgenügsame Bequemlichkeit mit Ehrlichkeit verwechseln und wenn das so ist, dann passt die bewusste Schlampigkeit der Aufbereitung wunderbar in die lethargische Arroganz des Protagonisten Philip. Dieser wird verkörpert von Indie-Held Jason Schwartzman, der wie so oft selbst als völlig unsympathisches Wesen noch sehr lange in der Lage ist, so etwas wie Wärme auszustrahlen. Das liegt zum einen daran, dass Perry ihn mit ebenso oder gar noch selbstgenügsameren Menschen umgibt und zum anderen an der hauseigenen Niceness von Schwartzman, der einem tatsächlich Leid tut, wenn er sich selbst Leid tut. Kein anderes Mitglied im Cast kann mit dieser Ambivalenz aufwarten, sei es Jonathan Pryce als Ike Zimmermann und Freund von Philip oder Philips On/Off-Freundin Ashley, die von Elisabeth Moss gespielt wird. Dennoch interessiert sich der Regisseur sehr für seine nur scheinbaren Nebenfiguren. Dramaturgisch folgt der Film keineswegs wie der Titel vermuten ließe nur einer titelgebenden Hauptfigur. Mehrmals gibt es einschneidende Perspektivwechsel im Film.

Diese werden durch einen allwissenden Erzähler verstärkt, der einem in völlig übertriebener Manier die Hintergründe, Psychologien und zeitlichen Entwicklungen der Geschichte erläutert. Das Voice-over kann als Spiegelung auf den Literaturkontext des Films verstanden werden oder als fehlender Mut, in dieser reinen Alltäglichkeit der Intellektuellenszene zu verschwinden, die der Film immer wieder einzufangen vermag. Aber selbst das wäre wieder eine Spiegelung auf das Leben von Philip genau wie die etwas willkürlich erscheinenden Perspektivwechsel.

Beispielsweise erzählt Perry plötzlich von Ashleys Kampf nach der Trennung und ihren Versuchen in ein neues Leben zu gehen. Die formellen Spielereien und kantigen Hacken in der Erzählung erinnern an frühe Werke des Franzosen Arnaud Desplechin wie Ich und meine Liebe und natürlich stand der unantastbare Gott der New Yorker Intellektuellenszene, Woody Allen hier Pate. Allerdings-und das ist gut so- mit seinen ernsteren Tönen wie in Hannah und ihre Schwestern oder Ehemänner und Ehefrauen. Der 16mm Handkamera-Stil, der den herbstlichen Sommerlook eines New Yorker Mainstream-Modekatalogs nachempfindet, passt sich dem Fokus des Regisseurs auf das Schauspiel an. Hier wird praktisch immer so geschnitten, dass die Performance am bestmöglichsten aussieht und so sehr das funktioniert, so schade ist es, dass Perry seinen Schauspielern nicht etwas mehr Zeit gegeben hat, um ihre Leere wirklich spürbar zu machen. Dennoch ist gerade die Entscheidung auf Film zu drehen bemerkenswert.

Was bleibt ist eine Verweigerung von Nähe und beruhigenden Fluchtwegen, die einen derart souveränen Umgang mit den Klischees filmischer Erzählungen beweist, dass man in Alex Ross Perry trotz oder gerade wegen seines jungen Alters sicherlich einen der spannendsten Regisseure des Independent Cinema in den USA sehen kann. Listen Up Philip weiß das, Philip weiß das auch und nach dem Film wissen es alle.

Listen Up Philip

„Listen Up Philip“ ist eine imaginierte Anti-Biografie des amerikanischen Autors Philip Roth oder eine verbitterte Betrachtung eines erbärmlichen Intellektuellen. Der 30-jährige Regisseur Alex Ross Perry hat einen egoistischen Film über narzisstische Menschen gemacht, der in sich eigentlich ein gewagtes Experiment ist, da er in seinem Look und in seiner hippen Sprunghaftigkeit eine gewisse Nähe zu Filmen wie „Frances Ha“ von Noah Baumbach erahnen lässt, dahinter aber trotz einiger humorvoller Sequenzen weniger Freude am Leiden als ein Leiden am Leiden erklärt.
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