Limbo (2014)

Typisch Deutsches aus Dänemark

Limbo spielt in Dänemark und wurde von der Dänin Anna Sofie Hartmann in Szene gesetzt. Diese stammt jedoch – ebenso wie das Geld für den Film – von der Berliner DFFB; und ihr Werk steht ganz in der Tradition des kopflastigen deutschen Kinos.

Irgendwo zwischen coming of age, Genderdebatten, Herbstwetter und dem Leben in der Provinz changiert Limbo hin und her. Gesprochen wird wenig – und wenn, dann nur in Gruppen, etwa im Unterricht oder beim Trinken. Doch selbst da sind es immer eher Andeutungen und Satzfetzen. Ein paar Worte hier, ein paar Sätze dort. Sie sagen nicht viel, die Menschen in diesem Film; niemals formulieren sie etwas aus. Vor allem nicht im Einzelgespräch, das oft in einer bleiernen Sprachlosigkeit stecken bleibt, die im Dunkel des Herbstes verschwindet. Und dann ist es schon wieder vorbei. Andeutungen, Andeutungen, Andeutungen. Nur an einer Stelle wird einmal etwas ganz klar ausgesprochen – wenn Sara formuliert, was sie für Karen empfindet. Wobei selbst das sofort wieder abgewürgt und weggepackt wird. Die Kamera dreht ab, die Szene ist beendet, die Sprache wird nie wieder darauf kommen.

Also sind es die Bilder, die hier sprechen müssen, da die Figuren Halbschatten sind – kleine, dänische Geister in der Stadt mit der Zuckerfabrik. Die Zuckerherstellung – auch sie wird gezeigt. Mit statischen Bildern kommen die Rüben vom Feld zur Fabrik. Abladen, einsammeln, kochen, Zuckerkristalle schweben über einen Monitor. Ein wunderbares Bild dafür, wie dieser Film Emotionen und Gedanken vermittelt: Er zeigt, wie der Prozess der Zuckergewinnung abläuft. Wie der Zucker aber schmeckt, wie er sich anfühlt, wie Millionen Synapsen auf ihn reagieren und Hormone ausschütten, die den Menschen in einen kurzen Rausch versetzen – das zeigt der Film nicht.

Was Limbo hingegen gut gelingt, ist das Erfassen der sozioökonomischen Umstände sowie der Umgebung, in der Karen und Sara sich bewegen. Irgendwo zwischen ruhigen, warmen Orten und dem kalten, spröden Draußen gehen aber die Figuren in der Kopflastigkeit des Filmes verloren. Und mit ihnen der Zuschauer, der zwar das Rohmaterial geliefert bekommt und dazu Ansichten von Prozessen sowie Momentaufnahmen, Andeutungen, Halbsätze, die aber nicht zu einem menschlichen Ganzen führen. Zu weit entfernt, zu theoretisch sind die Menschen und ihre Schicksale in Limbo, als dass man ein Gefühl oder gar eine Beziehung für sie aufbauen könnte.

Was bekommt man mit von Sara oder Karens Leben? Von ihren Gefühlen, ihrem Weg, ihren Gedanken und Problemen? Nichts. Was zeigt der Film von den Geschlechterrollen, die hier erörtert werden sollen, das über die kurzen Diskursmomente hinausgeht? Was möchte der Film vermitteln, welche Dinge möchte er in mir bewegen? Ich weiß es nicht. Das permanente Abbrechen, das Nichtbesprechen, Nichtzeigen, all diese Akte der Verweigerung und des Vorenthaltens münden in ein beherrschendes Gefühl: jenes der Nicht-Teilhabe, des Ausgeschlossenseins seitens des Zuschauers. Das macht den Film letztendlich zu einem gut fotografierten Bilderreigen, der emotional nicht bewegt, weil er nichts preisgeben will. Wenigstens ein klein wenig sollte man den Zucker schmecken dürfen, um dem Prozess des Zuckermachens mehr als nur nüchterne Daten abgewinnen zu können.

(Festivalkritik San Sebastian 2014 von Beatrice Behn)

Limbo (2014)

„Limbo“ spielt in Dänemark und wurde von der Dänin Anna Sofie Hartmann in Szene gesetzt. Diese stammt jedoch – ebenso wie das Geld für den Film – von der Berliner DFFB; und ihr Werk steht ganz in der Tradition des kopflastigen deutschen Kinos.

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