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Ein solcher Film ist rar im deutschen Kino, und er heißt ganz einfach: „Liebesfilm“. Er macht Spaß, ist aber keine Komödie herkömmlicher Natur. Er strotzt vor kuriosen Einfällen, ist aber keine schwere Kost. Und er erzählt seine Liebesgeschichte, so wie sie eben ist – authentisch.

Liebesfilm (2018)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Wenn die Costa Concordia in der Spree versinkt

Eine Frau verliebt sich in einen Affen, und er sich in sie. Sie besucht ihn regelmäßig im Tierpark. Eines Tages bricht er aus seinem Käfig aus, schnappt sich die Frau und schleppt sie fort. Der Affe muss in einen anderen Zoo umziehen, die Frau sich von den Blessuren erholen. Als sie aus dem Krankenhaus entlassen wird, sucht sie den Affen und zieht seinetwegen nach Berlin. Wieder besucht sie ihn im Zoologischen Garten, aber er würdigt sie keines Blickes mehr. Nur eine Geschichte? Ja, eine erzählte Anekdote im Film, und Liebesfilm, der natürlich in erster Linie eine Liebesgeschichte erzählt, ist voller solcher verrückter Episoden.

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Lenz (Eric Klotzsch) lernt Ira (Lana Cooper) auf einer Party kennen, sie sind unter den letzten Gästen und sitzen sich am Lagerfeuer gegenüber, bis die Sonnenbrille von Lenz zu schmelzen anfängt und er Ira Komplimente macht. Von da an sind sie irgendwie zusammen. Lenz wohnt mehr bei Ira als in seiner WG, und Ira ist zwischendurch immer wieder unterwegs, in Peshawar oder sonst wo in Afghanistan, um VPN-verschlüsselte Dinge zu tun – so ganz versteht Lenz nicht, was sie tut, wenn sie nicht bei ihm ist, aber eigentlich ist ihm das auch egal. Ira schnallt sich ihre schusssichere Weste um, nimmt ihre Reisetasche und steigt ins Taxi, bis sie irgendwann wieder da ist.

Lenz dagegen macht – nichts. Er wandelt durch Berlin, nimmt die ein oder andere Droge, treibt sich auf Partys herum, tut aber jeden Montag so, als würde er gerade in einer wichtigen Vorstandssitzung weilen. Das jedenfalls antwortet er, wenn sein Vater (Hartmut Becker), der allmontaglich anruft, nachfragt, wie es ihm denn ginge. Ira nun krempelt das Leben von Lenz gewaltig um, denn – das stellt sich schnell heraus – irgendetwas läuft da anders als mit seinen anderen Frauenbekanntschaften.

Irgendwann rutscht Lenz ein „Ich liebe dich“ heraus, und plötzlich fragt Ira, ob er denn Kinder wolle. Diese Frage wirbelt wiederum alles durcheinander. Lenz ist sauer, er mag diese Frage nicht, er will noch nicht erwachsen werden und jetzt schon Kinder haben: Er wolle doch noch so viel machen. Auf Iras Frage, was dies denn sei, hat Lenz dann aber keine Antwort. Irgendwann ist Ira dann natürlich doch schwanger und das trifft Lenz wie ein Faustschlag ins Gesicht.

Die Liebesgeschichte, die Emma Rosa Simon und Robert Bohrer erzählen, ist – einfach! – eine Liebesgeschichte. Das ist das Großartige an Liebesfilm. Denn er erzählt sie so, wie sie passiert – ganz einfach. Die Handlung dieser Liebesgeschichte folgt keiner festgelegten Dramaturgie und hat keinen konventionellen Spannungsbogen, kein Ziel und keine Aufgabe. Deshalb wirkt der Film so authentisch, wie aus dem Leben geschrieben – wobei auch einiges an autobiografischem Material in den Film mit eingeflossen ist, wenn man dem Filmemacher-Paar glauben darf.

Vor allem die Details machen den Film so authentisch: Wenn Ira Zähne putzt und Lenz ins Bad kommt und sich ganz selbstverständlich auf die Kloschüssel setzt – Ira schaut erstaunt ob dieser Geste von Intimität, die einen weiteren Schritt in Richtung ‚echte Beziehung‘ darstellt. Oder wenn sich die beiden streiten und Ira im Taxi davon rauscht, nach fünf Metern das Auto zum Anhalten bringt, um sich doch noch einmal mit Lenz zu versöhnen, bevor sie wegfährt. Diese Alltäglichkeiten im Lauf einer jungen Liebe sind es, die die Geschichte glaubhaft machen. Gut beobachtet oder selbst erlebt oder beides.

Das Unspektakuläre der Haupthandlung wird gepaart mit einer Serie von spektakulären Einfällen der Sonderklasse, was kurios und kongenial zugleich ist. Der Kapitän, der die Costa Concordia an der Küste vor der Insel Giglio im Mittelmeer verlassen hat, findet ebenso Eingang in die Geschichte wie die Boeing des Malaysia Airlines-Flugs MH370, die über Thailand vom Radar verschwunden ist. Das Kreuzfahrtschiff liegt gekippt in der Spree, der Capitano besucht Lenz und erzählt ihm von der Liebe. Lenz aber wundert sich nicht, dass er sieht und erlebt, was andere lediglich im Fernsehen betrachten. Diese Ereignisse liegen wie eine surreale Ebene über der Geschichte im Berliner Hier und Jetzt, werden aber Teil der Handlung und erinnern an den magischen Realismus, den man sonst aus den südamerikanischen Filmnationen kennt. Diese Sequenzen überraschen, verwirren, verstören vielleicht gar, sie changieren zwischen Blödelei und Genialität und machen den Film zum überraschenden Erlebnis. Was begeistert, ist: Die Filmemacher haben einen großen Spaß daran, ihre Geschichte zu erzählen. Und das wiederum macht Spaß zuzuschauen.

Liebesfilm erzählt auch eine Heldengeschichte: Wunderbar verknüpft mit einer originellen Filmmusik, die ganz unterschiedliche Motive – auch persische Klänge und italienische Opernstücke – in die Handlung einspielt, versucht auch Lenz sich an verschiedenen Rollen: will mal verschwinden wie das Flugzeug der Malaysia Airlines und dann wiederum löwenstarker Held sein. Lenz ist weder Held noch Anti-Held, sondern irgendeine Form dazwischen. Er flaniert und probiert sich aus, sucht und findet Entwürfe, die alle ein Stückchen zu dem beitragen, was später sein Leben sein wird. So wie die einzelnen Episoden letztendlich eine Geschichte formen und auch die Anekdote um die Frau und den Affen Teil des Films wird. Eine schöne Sicht auf die Dinge, auf das Leben, eine ganz einfache, die doch so richtig ist.

Liebesfilm (2018)

Lenz ist ein Kreuzberger Rumtreiber: lustig, charmant, phantasievoll und entscheidungsunfähig. Als er sich in die toughe Ira verliebt, verbringen sie einen unbeschwerten Sommer miteinander. Bis Ira Lenz unmissverständlich klar macht, dass sie ein Kind will – immerhin geht sie auf die 40 zu … 

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Meinungen

Klaus Dörken · 07.05.2019

Ein Film, der einen mitreißt! Komisch, ernst, traurig und fröhlich.
Eine wunderschöne Geschichte!