Liberal Arts

Eine Filmkritik von Orlindo Frick

Nicht zu süß und nicht zu sauer

Wir erinnern uns. Zach Braff, der in der Serie Scrubs den tollpatschigen und ewig träumenden J.D. spielte, überraschte 2004 mit einem Regiedebüt, das heute als Inbegriff der modernen Independent RomCom Formel gilt — Garden State. Ein verschrobenes, kleines Kleinod über die Melancholie und Orientierungslosigkeit einer ganzen Twentysomething-Generation. Josh Radnor – alias Ted Mosby aus der Sitcom How I Met Your Mother – und Liberal Arts mit Braff und Garden State zu vergleichen, bietet sich aus vielerlei Gründen an. Neben einer ähnlichen Produktionsgeschichte sind beispielsweise auch inhaltliche Parallelen zu finden.
Jesse Fisher (Josh Radnor) ist 35 und des Großstadtlebens müde. Da kommt ihm eine Einladung seines alten Universitätsprofessors Hoberg (Richard Jenkins) gerade recht, zu Ehren von dessen Ruhestand in die ländliche Heimat zurückzukehren. Dort lernt er die 19-jährige Elizabeth (Elizabeth Olsen) kennen. Zibby – wie sie von allen genannt wird — studiert Theater an der Universität und Jesse zeigt sich sichtlich fasziniert von der jungen Frau. Zibby entfacht in ihm die Leidenschaft und den Eifer längst vergangener Tage, als es ihn an dieser Universität noch nach Wissen dürstete. Sie verlieben sich ineinander, jedoch wissen beide, dass ihre Beziehung keine Zukunft hat. Der Uni-Alltag konfrontiert die beiden mit einer Reihe seltsamer Gestalten, was Jesse zu der Frage führt, in wen oder was er sich da eigentlich in Wahrheit verliebt hat.

Es ist die gleiche Generation wie bei Garden State, der Liberal Arts auf den Zahn fühlt. Nach wie vor auf der Suche nach ihrer Identität, waren sie einst aufgebrochen, aber sind nirgends angekommen, was sie wieder zum Ausgangspunkt zurückführt. Doch wo Garden State sich den daraus entstehenden Fragen widmete, nutzt Radnors Film diese Melancholie als Basis für seine Interpretation über das richtig und falsch von Beziehungen, die nicht dem Ideal entsprechen. Sowie die Frage, welche inneren Dämonen mit solch einer Beziehung besänftigt werden wollen.

Elizabeth Olsen, die junge Schwester der berühmten Olsen Zwillinge, spielt wie bereits in Martha Marcy May Marlene als würde sie aus Jahrzehnten Schauspielerfahrung schöpfen. Sie, Richard Jenkins und Allison Janney verleihen dem Film Charakter und helfen ihm über so manchen Holperstein hinweg. Josh Radnors Leistung beschränkt sich auf die solide Regiearbeit, vor der Kamera mimt er das ihm seit HIMYM vertraute Stereotyp des alternden, aber nie erwachsen werdenden Manboys. Der ewig junge, coole, immer freundliche, aber schüchterne Jedermann, von denen die Welt heute nur so wimmelt.

Das Herzstück des Films bildet eine simple Szene. In dieser hadert Jesse mit dem nicht unerheblichen Altersunterschied, fühlt sich dabei von sich selbst ertappt und beginnt zu rechnen. Er 35, sie 19. Er schreibt es sich auf. Geht mehrere Szenarios durch, bis er eines findet, das ihm sein Gewissen beruhigt —  87 und 71. Jetzt fühlt er sich besser. So einfach diese Szene erscheint, so wird sie im Kontext der angehängten Szenen zur Prämisse des ganzen Films.

Radnor ist ein Liebhaber des Genres. Die romantische Komödie der 80er-Jahre, als sich Harry und Sally trafen, hat es ihm ebenso angetan wie deren moderne Variante in Filmen wie (500) Days of Summer. Nur weiß er nicht, ob er nun dem Ideal oder der Realität entsprechen soll. Erst am Ende findet der Regisseur einen befriedigenden, aber wenig eleganten Weg, sich aus der Liebesmisere zu ziehen.

Liberal Arts ist ein Film, der sich bemüht. Amüsant, nachdenklich, schön. Über Liebe, Literatur, das Erwachsenwerden und Ewigjungbleiben. Josh Radnor gelang zweifelsfrei kein zweites Garden State, aber ein ansehnlicher Indiewood-Vertreter – nicht zu süß, nicht zu sauer – mit einem wunderbaren Schauspielensemble und kleinen, gut beobachteten Weisheiten, die das Leben parat hält.

Liberal Arts

Wir erinnern uns. Zach Braff, der in der Serie „Scrubs“ den tollpatschigen und ewig träumenden J.D. spielte, überraschte 2004 mit einem Regiedebüt, das heute als Inbegriff der modernen Independent RomCom Formel gilt — „Garden State“. Ein verschrobenes, kleines Kleinod über die Melancholie und Orientierungslosigkeit einer ganzen Twentysomething-Generation.
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