Lektionen in Finsternis (1992)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Verstörende Impressionen einer grauenhaften Katastrophe

Als die irakische Armee im Februar 1991 gegen Ende des so bezeichneten Zweiten Golfkriegs auf dem Rückzug aus Kuwait, das der Irak seit August 1990 gewaltsam annektiert hatte und erzwungen durch den von den USA dominierten Kampf nun wieder verließ, Millionen von Rohöl in den Persischen Golf entließ und etliche Ölfelder des Emirates auf der Arabischen Halbinsel in ein fürchterliches, dauerhaftes Flammeinferno verwandelte, ließ der Filmemacher Werner Herzog die unermesslichen Auswüchse dieser Katastrophe und ihre gewaltigen Löscharbeiten vom Hubschrauber aus mit der Kamera dokumentieren. Diese unfassbar brennenden Bilder hat er zusammen mit weiteren Impressionen des verwüsteten Landes und seiner zutiefst ver- und zerstörten Menschen unterlegt mit schwermütiger klassischer Musik in den Film Lektionen in Finsternis gebannt, der bei den Internationalen Filmfestspielen von Berlin 1992 in der Sektion Forum uraufgeführt und dort vom Publikum mit teilweise heftig entsetzten, spontanen Reaktionen rezipiert wurde.

Dass sich ein Akt der Zerstörung vom ästhetischen Standpunkt aus betrachtet ebenso faszinierend gestalten kann wie ein schöpferischer, stellt offensichtlich die provokante, gewagte Perspektive Werner Herzogs dar, aus welcher er sich in seiner Dokumentation dem Phänomen einer apokalyptisch anmutenden Kriegswillkür mit schrecklichen, traumatisierenden Folgen für Land und Leute nähert. Der unfassbaren Wucht der damaligen Katastrophe begegnet der Regisseur mit einer atmosphärisch stilisierten Inszenierung wirkungsmächtiger Bilder sowie Akzenten persönlicher Schicksale, die aus Berichten betroffener Menschen bestehen. Auf diese Weise entsteht ein skurriles Szenario aus harten, elenden Realitäten und der höchst ambivalenten Poesie einer brachialen Verwüstung, die von in diesem Zusammenhang geradezu sakral auftrumpfenden Klängen europäischer Komponisten wie Gustav Mahler, Giuseppe Verdi und Sergei Prokofjew flankiert wird – ein schauriges Schauspiel, dessen historischer Hintergrund unkommentiert bleibt.

Allein der Titel dieser collagenhaft konstruierten Dokumentation transportiert bereits einen Moloch an signifikanten Assoziationen literarischer wie filmischer Bezüge – von Joseph Conrads Heart of Darkness / Herz der Finsternis bis zu Ingmar Bergmans En lektion i kärlek / Lektionen in Liebe –, dessen crosskultureller, diffus anmutender Charakter sich im Verlauf des Films etabliert. In diesem Sinne lässt sich Lektionen in Finsternis als zutiefst emotional motivierter, geradezu verzweifelter und mitunter hilfloser Versuch eines engagierten Filmemachers deuten, das gewaltige Grauen einer vielschichtigen Kriegskatastrophe noch während sich diese ergeignet zu bannen, zu zeigen, zu verfremden und zu verurteilen, ohne dabei moralisch, sondern vielmehr visuell und künstlerisch in From einer eigensinnigen Meditation darüber zu argumentieren. Verstörend und empörend wirkt dieses Werk Werner Herzogs, das es wagt, den zerstörerischen Flammen einer verheerenden, durch Menschen bewusst verursachten Naturkatastrophe eine ästhetische Faszination beizugesellen.
 

Lektionen in Finsternis (1992)

Als die irakische Armee im Februar 1991 gegen Ende des so bezeichneten Zweiten Golfkriegs auf dem Rückzug aus Kuwait, das der Irak seit August 1990 gewaltsam annektiert hatte und erzwungen durch den von den USA dominierten Kampf nun wieder verließ, Millionen von Rohöl in den Persischen Golf entließ und etliche Ölfelder des Emirates auf der Arabischen Halbinsel in ein fürchterliches, dauerhaftes Flammeinferno verwandelte, ließ der Filmemacher Werner Herzog die unermesslichen Auswüchse dieser Katastrophe und ihre gewaltigen Löscharbeiten vom Hubschrauber aus mit der Kamera dokumentieren.

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