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Nach dem seine vorherigen Filme an Schwung verloren hatten, kehrt Pedro Almodóvar nun mit „Leid und Herrlichkeit“ auf die Kinoleinwand zurück. Ob der Film wieder an frühere Werke anzuknüpfen vermag?

Leid und Herrlichkeit (2019)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Melancholischer Rückblick

Es fühlt sich ein bisschen an wie ein langsamer Abschied. Pedro Almodóvars „Leid und Herrlichkeit“ ist eindeutig ein autobiografisches Kontemplieren des Regisseurs selbst. Der inzwischen 70-Jährige hatte mit seinen vorherigen Filmen eindeutig seinen Schwung verloren. Eine Krise ließ sich erahnen. Doch mit „Leid und Herrlichkeit“ kommt er nun, wenn auch in leiserer Manier, mit Wucht wieder zurück ins Kino. Wie sehr man ihn vermisst hat, merkt man schon in der ersten Sekunde des Films, in dem sein alter Mitstreiter Antonio Banderas das Alter Ego des Regisseurs mimt.

Salvador Mallo (Antonio Banderas) heißt der alternde Filmregisseur in Leid und Herrlichkeit, der anfänglich vor allem erstmal im ersteren, im Leid, badet. Sein Körper ist ein einziges Syndrom, zerfressen von Krankheiten und Wehwehchen, die dem Zuschauer gleich am Anfang einmal in allen Einzelheiten aufgezählt werden. Vor allem der Rücken, die Migräne und eigenartige Schluckprobleme machen Salvador zu schaffen. Arbeiten kann er deswegen nicht mehr, sagt er. Und so dümpelt er in seiner Wohnung vor sich hin, die, wie ein Bekannter einmal so treffend formuliert, eher einem Museum ähnelt. Doch dann ein Lichtblick: eine Kinemathek beschließt, seinen Film „Sabor“ zu restaurieren und wiederaufzuführen. Dies führt Salvador auf eine Reise in die Vergangenheit. Er besucht seinen Hauptdarsteller von damals, Alberto (Asier Etxeandia), mit dem er sich bei den Dreharbeiten überwarf und seit 30 Jahren nicht mehr gesprochen hat. Alberto ist überrascht, doch die beiden nähern sich an über eine gemeinsame Runde Heroin. Für Salvador ist es das erste Mal und es tötet nicht nur die Schmerzen in Kopf und Rücken, sondern schickt ihn auf eine noch tiefere Reise in die Vergangenheit, in der er seine Kindheit im Spanien der 1960er Jahre, seine geliebte Mutter Jacinta (Penelope Curz) und sein erstes schwules Begehren erinnert.

Doch die Vergangenheit kommt nicht nur im heroingefüllten Dämmerschlaf. Als Alberto einen Text bei Salvador entdeckt, der dessen Liebe zum Kino erklärt, führt er diesen in einem kleinen Theater in Madrid auf. Zufällig im Publikum sitzt Federico (Leonardo Sbaraglia), der seine eigene Geschichte wiedererkennt. Er ist Salvadors alter Liebhaber aus fernen Zeiten, die große Liebe, die nicht zu retten war.

Stück für Stück und zwischen der Jetzt-Zeit, den 1960er und den 1980er Jahren hin und her changierend, setzt sich das Leben Salvadors wieder zusammen. Es sind vor allem die Augenblicke leidenschaftlicher Liebe, egal ob zur Mutter, zum Kino, zu alten Freunden oder zu anderen Männern, die zu ihm heimkehren in einem Moment, in dem er im Leiden unterzugehen droht. Das könnte sehr leicht ins Melodramatische, ins völlig Weinerliches abdriften, doch Almodóvar balanciert seinen Film hervorragend. Bei aller Melancholie bleiben stets die leidenschaftliche Liebe und irgendwie auch der Wille zum Leben im Vordergrund. Als Salvador vor einer weiteren Operation erzählt, dass er vielleicht wieder arbeiten wird, fragt der Arzt: „Drama oder Komödie?“. Almodóvar lässt sein Alter Ego antworten: „Das weiß man erst am Ende“. Ein kluger Satz, der Leid und Herrlichkeit perfekt umreißt. Es ist beides, so wie eben auch das Leben.

Trotz aller ungewohnten Subtilität lässt einen der Film auch nostalgisch im typischen Almodóvar-Gefühl von früher schwelgen. Noch immer sind die Farben und Interiors knallbunt und verrückt, noch immer sind die Blicke sehnsüchtig, die Umarmungen fast eine Aggression, so leidenschaftlich werden sie vollzogen. Noch immer sind die Küsse lang und tief und fast ein fleischgewordenes Seufzen und Verlangen.

Dass die krassen, knalligen, überzogenen, herrlich queeren Tage des Filmemachers vielleicht vorbei sind, ist schade. Doch dieser neue, kontemplative Blick, er hat etwas. Ein Hauch von altem Kino weht in ihm. Ein Fellini, ein Bergman, eine Monroe, eine Taylor, sie alle vereinen sich in diesem stilleren Almodóvar, der das Kino noch immer mit seiner Leidenschaft bereichert. Hoffen wir also, dass dieser Film nicht sein Schwanengesang ist. Hoffen wir auf weniger Leid und noch ein bisschen mehr almodóvarsche Herrlichkeit.

Leid und Herrlichkeit (2019)

Ein Filmemacher, der seine besten Jahren hinter sich hat, erinnert sich an seine früheren Liebschaften, an Freunde von einst und an ehemalige Kollegen und verzweifelt zugleich an seiner Unfähigkeit, noch weiter Filme drehen zu können.

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Meinungen

wignanek-hp · 26.08.2019

Almodóvar hat seinen Biss verloren und der kommt auch mit diesem Film nicht wieder zurück. In keiner Sekunde hat mich dieser Film gefangen. Wo sind die verrückten Einfälle, die schrägen Figuren geblieben, die seine Filme bevölkert haben? Hier wird viel behauptet, aber man glaubt es nicht wirklich. Zugegeben, es gibt ein paar wirklich gute, anrührende Szenen, aber die reichen nicht, um die Geschichte, die ja zugegebenermaßen recht dünn ist, zu tragen. Vor allem die Szenen mit der alternden Mutter wirkten wie aufgesetzt und es bleibt dem Zuschauer verborgen, was seinen Kollegen so sehr an seinem neuen Text fasziniert. Die gezeigten Szenen der Performance wirkten wie eine schlechte Diashow und hatten anscheinend nur den Zweck, den alten Freund in die Geschichte einzuführen.
Es fehlt die Tiefe, die den Sinneswandel der Hauptfigur glaubhaft gemacht hätte. So bleibt alles mehr oder weniger an der Oberfläche, Behauptung eben. Vielleicht hätte dem Film eine Reduktion der Szenen gut getan. Dann wäre mehr Raum für die emotionale Aufarbeitung geblieben.

Fred · 01.08.2019

@galgovrim:
Sie waren aber schon im richtigen Kino? Der Film strotzt - aber nicht von Langeweile, sondern von Lachen, Weinen, Sehnen, kleine coolen Beobachtungen, grossen Erkenntnissen und Unverlogenem.
Und der Schluss ist doch einfach genial. ich zumindest fand ihn hoffnungsvoll und gleichzeitig ziemlich perfide. Eine hübsche Brechung einer perfekten Illusion.
Na ja, wahrscheinlich haben aber wir, der Verleih und ich, den falschen Film gesehen, oder können mit Ihrem kinokritischen Verstand einfach nicht mithalten.

galgovrim · 27.07.2019

Dieses traurige Spätwerk strotzt vor Langeweile. Die vielen Kritiker, die diese Schande hochjubeln, scheinen einen anderen Film gesehen zu haben. Zwei Stunden Tortur!
Warum bloß hat sich dafür ein Verleih gefunden?