Lauras Stern und die Traummonster (2011)

Eine Filmkritik von Lida Bach

Monster gibt’s nicht – oder?

Wir werden immer kleiner, jeden Tag ein Stück. Seit Lauras kleiner Bruder (Sandro Ionnotta) seinen Beschütz-mich-Hund hat, schrumpfen die Ungeheuer aus Tommys Träumen bedenklich. Ohne Kinderängste, die sie aufplustern, sehen Stielauge (Bernhard Hoecker), Fresso (Markus Maria Profitlich), Tentakel (Desiree Nick) und Beule (Maddin Schneider) wortwörtlich ganz klein aus, nur der Ärger ihres Chefs, dem Schlangenmonster (Oliver Kalkofe), wächst. Solange der Beschütz-mich-Hund ihm nicht mehr von der Seite weicht, fürchtet sich Tommy vor nichts mehr — außer den auf Rädern gezogenen Spielzeug-Wachhund nicht im Schlepptau zu haben. Laura (Annabel Wolf) macht sich um den kleinen Bruder immer mehr Sorgen, die sie nachts ihrem Stern erzählt. Nur er kann ihr helfen, als die Traummonster den Beschütz-mich-Hund entführen. Doch im Traumland, in das die Geschwister in Lauras Stern und die Traummonster reisen, wartet auch die fürchterliche Traumtruppe des Chefs, die dank Tommys zurückgekehrten Ängsten einige Tentakeln und Beulen größer geworden ist.

Wer nur gegen seine Ängste ankommt, wenn er sich dafür an anderen festklammert, verheddert sich am Ende noch mehr darin. So ergeht es Tommy in Ute Münchow-Pohls und Thilo Graf Rothkirchs Zeichentrickabenteuer, als er beim Fußball über die Leine des Beschütz-mich-Hundes stolpert. Zu Beginn hat Lauras Bruder, um den die Geschichte noch mehr als um die Heldin von Klaus Baumgarts erfolgreicher Kinderbuchreihe kreist, seine Ängste nur scheinbar überwunden. Tatsächlich hält die Furcht vor Dachbodenschrecken und Kellermonstern ihn so fest im Griff wie er die Leine des Spielzeug-Hundes. In ebenso schlichter wie pointierter Bildsprache zeigen die in ihren leuchtenden Farben und der unkomplizierten Szenerie an Buchillustrationen erinnernden Zeichnungen Tommys sinnbildliche Abhängigkeit von dem Angstvertreiber, den er auf alles richtet, was ihm ungeheuer ist und sich aus seiner Perspektive in ein solches verwandelt. Ein alter Kleiderständer, ein alter Ball, eine kaputte Glühbirne und schon tanzen unheimliche Schatten durch den Keller, in den Tommys Spielzeug-Hund gerollt ist und mit ihm der geborgte Mut.

Dass er seine Angst nicht hinter sich lassen kann, weil er sie mit dem untrennbar mit der Verlustangst verbundenen Schutzmaskottchen im Schlepptau hat, fühlt Tommy in den von Sternenstaub glitzernden Treppentunneln, die Laura und ihn symbolisch auf den Grund ihres Unterbewussten führen. So funkelnd und wundersam lockend ist die Traumwelt, hinter deren Türen nicht nur die Geschwister, sondern auch Lauras Stofftiere Mimihase und Bär halb vergessene Träume wiederentdecken, dass die Monster vom Schlangenmonster zu Recht ermahnt werden, das Erschrecken zu üben: „Sonst gruselt sich hier nie einer!“ Die Metapher, die sich hinter der trotz des kindgerechten Tempos niemals betulichen Traumreise verbirgt, ist nicht so naiv wie die kuriosen Ungeheuer und der sanfte Humor auf den ersten Blick erscheinen. Ein Schutzgegenstand, den er immer dabei hat, schenkt Tommy Mut und noch ist nur ein Spielzeug die Waffe gegen das, vor dem er sich fürchtet. Dass Letzteres gar nicht bekämpft werden muss, weil das Fürchterliche erst durch die eigene Angst davor zum Fürchterlichen wird, ist die ebenso simple wie bedeutsame Botschaft, die Lauras Stern und die Traummonster in unaufdringlicher Weise vermittelt.

Tommy lernt etwas Besseres als seine Ängste zu bekämpfen: sie als Teil seiner selbst anzunehmen und ihnen zu begegnen, wie Chefs kleinem Lichtfänger. Der zittert vor Laura und Tommy so sehr wie seine Monsterkollegen vor Lichtstaub, Tommy vor seinen Traummonstern und Laura vor den Kellerschatten. Die ruhige Zeichentrickfantasie zeigt Angst als etwas, das allen begegnet, ob als Traummonster, Kellermonster oder Kinomonster, die ein kindlicher Zuschauer im verdunkelten Vorführungssaal ahnte. Was den Monstern mit Lauras und Tommys Furcht gelingt, gelingt den Geschwistern durch die Begegnung mit den Monstern: an ihr zu wachsen.
 

Lauras Stern und die Traummonster (2011)

Wir werden immer kleiner, jeden Tag ein Stück. Seit Lauras kleiner Bruder (Sandro Ionnotta) seinen Beschütz-mich-Hund hat, schrumpfen die Ungeheuer aus Tommys Träumen bedenklich. Ohne Kinderängste, die sie aufplustern, sehen Stielauge (Bernhard Hoecker), Fresso (Markus Maria Profitlich), Tentakel (Desiree Nick) und Beule (Maddin Schneider) wortwörtlich ganz klein aus, nur der Ärger ihres Chefs, dem Schlangenmonster (Oliver Kalkofe), wächst.

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