La Nana - Die Perle

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Ein Hausdrachen wird zahm

Wie ist das, wenn man 20 Jahre bei derselben Familie als Dienstmädchen arbeitet? In Sebastian Silvas präziser Psychostudie lautet die Antwort: ganz schön schwierig und manchmal unfreiwillig komisch.
Die Hausangestellte Raquel (Catalina Saavedra) hat sich ihren Platz in der Familie Valdés über lange Zeit erobert. Aber die heimliche Herrin ist zugleich eine Gefangene. Nicht, weil die Familie mit den drei Kindern die Untergebene ausbeuten würde. Raquel ist eine Gefangene ihrer selbst. Sie steckt fest in ihrer Rolle und möchte, dass alles so bleibt – trotz ständiger Kopfschmerzen und den nicht zu übersehenden Anzeichen, dass Raquel mit ihren Aufgaben völlig überfordert ist.

Als die Familie es gut meint und Raquel durch ein zweites Dienstmädchen entlasten möchte, bricht Raquel erst recht zusammen. Sie sieht ihre Position bedroht, die ihr Sicherheit und Anerkennung verschafft. Mit ihrer unterwürfigen, aber versteckt aggressiven Haltung ekelt sie die ersten beiden Konkurrentinnen schnell wieder aus dem Haus. Aber alles wird anders, als die lebensfrohe Lucy (Mariana Loyola) in Raquels Leben tritt.

Warum sich die verbitterte Frau über die Jahre in einen heimlichen Hausdrachen verwandelt hat, das skizziert Regisseur Sebastian Silva mit leichter Hand und wenigen Strichen. Meist ist die Kamera nah bei den Gesichtern, schwenkt nervös von einem zum anderen und fängt so die fiebrige Atmosphäre unterdrückter Spannungen ein. Fast alles spielt sich in Innenräumen ab – auch dies ein Zeichen, dass die passiv-aggressive Protagonistin nicht aus ihrer Haut heraus kann, dass sich unter der angepassten Oberfläche die Emotionen stauen.

Ebenso wie die Hauptdarstellerin wurde auch der Film beim Sundance Festival 2009 in der Kategorie World Cinema mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Das ist nicht nur eine Anerkennung für die zweite Regiearbeit von Sebastian Silva. Es ist auch ein Zeichen für die Renaissance des chilenischen Autorenkinos, das sich erst in den letzten Jahren von den Folgen der Diktatur erholt hat. Sebastian Silva entwickelt in La nana / The Maid eine Synthese aus dichtem Kammerspiel, genau gezeichneter Psychostudie und einem lakonischen Humor, der das selbstverschuldete Unglück mit Nachsicht betrachtet. Und dadurch die Fallen freilegt, in die die eifersüchtige Dienerin immer wieder tappt.

Dass sie auch anders kann, würde man dieser Raquel eigentlich nicht zutrauen — so dicht und geschlossen legt Catalina Saavedra die Rolle an. In ihrem Blick ist alles versammelt, was sich ein Leben lang in Körper und Psyche eingebrannt hat: das Klammern an ein bescheidenes Glück, die Überanpassung und die damit verknüpfte Anspruchshaltung, die sich hinter verdeckten Vorwürfen versteckt. Wie die Schauspielerin diese Fassade Schritt für Schritt lockert, wie sie sich zaghaft erste Freiheiten zugesteht, das ist sehenswert und glaubhaft. Denn dieses monströse Duckmäusertum, gepaart mit aberwitzigen Machtspielen, wäre gar nicht nötig gewesen. Eigentlich.

La Nana - Die Perle

Wie ist das, wenn man 20 Jahre bei derselben Familie als Dienstmädchen arbeitet? In Sebastian Silvas präziser Psychostudie lautet die Antwort: ganz schön schwierig und manchmal unfreiwillig komisch.
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