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Unschuldig angekettet – in Burkina Faso ist das das Schicksal unzähliger psychisch Erkrankter. In ihrem ersten langen Dokumentarfilm begleitet Lilith Kugler zwei unermüdliche Kämpfer, die diesen Zustand beheben wollen.

La Maladie du Démon - Die Krankheit der Dämonen (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Geistige Ketten

Wer als psychisch Erkrankter oder Epileptiker in Burkina Faso ärztliche Hilfe benötigt, hat es schwer. Im ganzen Land gibt es nur neun Psychiater und etwas mehr als 100 ausgebildete Fachkräfte. Unter dem festen Glauben, die Erkrankungen rührten von Dämonen her, ketten viele Angehörige erkrankte Familienmitglieder an. Regisseurin Lilith Kugler hat zwei Streiter für eine bessere Zukunft begleitet.

Die Lage ist zum Haareraufen, doch Tankpari Guitanga und Timothée Tindano bleiben gefasst. Ruhig und sachlich schildern der Pfarrer und seine Fachkraft ihren Alltag. 2015 hat Guitanga den Hilfsverein Yenfaabima gegründet. Einmal im Monat hält er in seinem Wohnort Piéla eine Sprechstunde für psychisch Erkrankte ab. Doch diese reicht längst nicht mehr aus. Seit März 2019 kümmert sich der ausgebildete Krankenpfleger Tindano unter der Woche um die Patienten oder fährt durchs Land, um in anderen Landesteilen für Aufklärung zu sorgen.

Regisseurin Lilith Kugler geht ihren Film ganz ähnlich an wie ihre Protagonisten ihre Arbeit: ruhig, sachlich, um Aufklärung bemüht. Der Glaube an Dämonen ist in Burkina Faso fest verwurzelt. Die Erkrankten an Bäume oder in Erdlöchern anzuketten und sie dadurch vom Rest der Gesellschaft abzusondern, war und ist bis heute schlicht gängige Praxis. Die betroffenen Familien versuchen so, die Erkrankten vor sich selbst und sich selbst vor den Erkrankten zu schützen. Denn im Volksglauben ist die Dämonenkrankheit, für die unter anderem Epilepsie gehalten wird, ansteckend.

Kugler begleitet die zwei unermüdlichen Aufklärer bei ihrer Arbeit. Sie hört ihnen aufmerksam zu, wenn sie mit unerschütterlichem Glauben an einen Wandel von ihren Fällen erzählen. Für westliche Augen mögen bereits die Bilder der Angeketteten nur schwer erträglich sein, der wahre Schrecken über das Ausmaß des Aberglaubens stellt sich erst bei Guitangas und Tindanos Berichten ein. Der geschilderte Fall einer Epileptikerin, die bei einem Anfall ins Feuer fiel und von ihrer Familie dort liegengelassen wurde, brennt sich wie kein zweites Bild dieses Films tief ins Gedächtnis des Publikums ein.

Der in nur 18 Tagen gedrehte, von der Regisseurin selbst produzierte und zum Teil durch Crowdfunding finanzierte Film räumt auch mit einem anderen Irrglauben auf. Oftmals finden die Familien der Erkrankten nur in Gebetszentren Hilfe. Diese lehnen Medikamente jedoch kategorisch ab. Nur Beten helfe gegen die Krankheit. Pfarrer Guitanga sieht das anders, formuliert seine Kritik an dieser Praxis aber dezent und verständnisvoll. In Momenten wie diesen versäumt es Kugler, ebenso dezent nachzuhaken.

Gern hätte man mehr über die Erkrankten, deren Familien und ihre Sicht auf die Dinge erfahren. Hier wird Kuglers zurückhaltende Beobachterposition ihrem Film ein wenig zum Hemmschuh. Insgesamt gelingt La Maladie du Démon – Die Krankheit der Dämonen jedoch der schwierige Spagat, sowohl in Burkina Faso und anderen afrikanischen Staaten als auch in Deutschland ein Stück Aufklärungsarbeit zu leisten, ohne die im Film gezeigte Praxis zu verteufeln.

La Maladie du Démon - Die Krankheit der Dämonen (2018)

Menschen an Bäume gekettet. Eine Frau fällt ins Feuer und niemand hilft ihr. In Burkina Faso gibt es in der traditionellen Gesellschaft keinen Platz für Menschen mit psychischen Krankheiten und Epilepsie. Dämonen werden als Grund der Erkrankungen gesehen, vor deren Ansteckung sich viele Menschen fürchten. Betroffene leben am Rande der Dörfer, in Gebetszentren oder irren unbeachtet umher, oftmals sind sie angekettet oder werden geschlagen. Doch Pfarrer Guitanga und Krankenpfleger Tindano engagieren sich im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten mutig entgegen dem Glauben einer ganzen Gesellschaft für medizinische Behandlung, Freiheit und Menschenwürde.

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