La Isla - Archive einer Tragödie

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der vergessene Völkermord in Guatemala

Unfassbare 36 Jahre lang dauerte der Bürgerkrieg in Guatemala an, der sich vom Jahre 1960 bis ins Jahr 1996 erstreckte. In ihm kämpften vier linke Guerillagruppen (zusammengeschlossen in der Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca) gegen die wechselnden Militärjuntas, die im Laufe der Auseinandersetzungen zwischen 150.000 bis 250.000 Menschen (meist indigene Zivilisten) verschleppten und ermordeten. Trotz dieser Tragödie ungeheuren Ausmaßes sind die Verbrechen bis heute ungesühnt, weil eine Mauer des Schweigens um die Gräueltaten errichtet und Beweise für den Völkermord systematisch unterdrückt wurden. Dies änderte sich erst, als im Jahre 2005 eine gewaltige Explosion Guatemala-Stadt erschütterte. Als sich die Staubwolke legte, wurde in den Trümmern das geheime Archiv der Nationalpolizei entdeckt, in der die Verbrechen minutiös festgehalten worden waren. Das Gelände der heutigen Polizeiakademie, auf dem sich die Explosion ereignete, beherbergte früher „La Isla“, das Geheimgefängnis der Policia Nacional, das der zentrale Ort eines Jahrzehnte währenden Unrechtsregimes war.
Seit diesem Zeitpunkt hat sich eine Gruppe junger Leute – die meisten von ihnen sind die Hinterbliebenen von Ermordeten und Verschwundenen – daran gemacht, die 80 Mio. zum Teil zerstörten Akten zu sichten und so die Mauer des Schweigens und den Fluch des Vergessens abzuschütteln. Und zugleich erschüttert die Suche nach der Wahrheit und die Dokumentation die Grundfeste der Gesellschaft des Landes, denn viele der damaligen Täter sind auch heute noch in Amt und Würden und gehören nach wie vor zur Elite des Landes. Der Filmemacher Uli Stenzel, der als erster Regisseur überhaupt Zutritt zu dem Archiv erhielt, hat dem unermüdlichen Kampf um die Wahrheit seinen Film La Isla – Archive einer Tragödie gewidmet. Es ist ein sehr eindrücklicher Film geworden, der zeigt, welche aufklärerische Kraft auch heute noch in Dokumentarfilmen stecken kann.

In manchmal beinahe poetisch anmutenden Bildern macht Stelzner das Grauen und den Schmerz, aber auch die Aufbruchsstimmung und den unermüdlichen Kampf der Nachkommen der Guerilleros deutlich spürbar, er gibt den unzähligen Opfern der Unterdrückung ihr Gesicht und ihre Stimme und dem ganzen Land damit sein kollektives Gedächtnis zurück.

Wie sehr der Film an einem Tabuthema kratzt, das in Guatemala nach wie vor von vielen Beteiligten am liebsten totgeschwiegen würde, zeigen auch die Umstände, die sich bei der Premiere in Guatemala ereigneten: Im Vorfeld des Films kam es zu Bombendrohungen und massiven Behinderungen wie der Kappung der Stromzufuhr für das Kino, die die Uraufführung aber nicht verhindern konnten. Mit dem breiten Medienecho, das La Isla in Guatemala findet, setzt hoffentlich eine Umdenken in der gesamten Bevölkerung ein, schon allein deshalb ist dieser Film für das kleine mittelamerikanische Land wahrhaftig „der wichtigste Film in Guatemala seit Jahrzehnten“, wie die Zeitschrift Siglo XXI schreibt.

La Isla - Archive einer Tragödie

Unfassbare 36 Jahre lang dauerte der Bürgerkrieg in Guatemala an, der sich vom Jahre 1960 bis ins Jahr 1996 erstreckte. In ihm kämpften vier linke Guerillagruppen (zusammengeschlossen in der Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca) gegen die wechselnden Militärjuntas, die im Laufe der Auseinandersetzungen zwischen 150.000 bis 250.000 Menschen (meist indigene Zivilisten) verschleppten und ermordeten.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Veronika Katterbe · 05.11.2014

Ich war selbst bei der Premiere in Guatemala dabei. Heute habe ich mir den Film erneut auf DvD angesehen und war erneut sehr bewegt.
Uli, wie geht es weiter mit einem neuem Film über die politische Lage in Guatemala??

Meyer Christina · 31.03.2011

Wo kann man diesen Film ansehen bzw. als DVD kaufen?

Frank Sputh · 10.12.2010

Der Film gehört zum Besten, was Film leisten kann. Ein wahres Meisterwerk!

Nicoletta Pini · 01.07.2010

ein wichtiger Film - nicht nur für Guatemala. Stark, präzis und menschlich. Uli, hast du sehr gut gemacht!

der nikolaus · 21.06.2010

Incredible story