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Anfang des 18. Jahrhunderts soll eine Doppelhochzeit den Frieden zwischen Frankreich und Spanien sichern. Regisseur Marc Dugain macht aus Chantal Thomas‘ Roman, der auf wahren Begebenheiten beruht, ein pointiertes Ränkespiel.

Ein königlicher Tausch (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Zweimal Monarchin und zurück

Kostümfilmfans bietet das Frühjahr 2019 reichlich Gelegenheit für einen Kinobesuch. Nach „Maria Stuart, Königin von Schottland und „The Favourite“ geht es auch bei Marc Dugain an einen europäischen Hof. Dort haben allerdings die Männer das Sagen. Auf den Mund gefallen sind die Frauen an ihrer Seite trotzdem nicht.

Gleich in der ersten Szene weist Madame de Ventadour (Catherine Mouchet) die Abgesandten des Königs in die Schranken. Deren Klopfen zerreißt die Nachtruhe der adligen Gouvernante, die gemeinsam mit einer Zofe am Bett ihres Schützlings eingenickt war. Kameramann Gilles Porte arrangiert die Schlafenden wie ein Gruppenbild. Eine Momentaufnahme aus Versailles im Jahre 1712. Weitere Tableaus werden folgen. Der Herzog der Bretagne ist soeben verstorben. Sein Bruder, der zweijährige Herzog von Anjou, der im Hintergrund schlummert, ist dadurch Thronfolger. Sein Urgroßvater, Ludwig XIV., verlangt nach ihm. Doch Ventadour fährt höflich, aber bestimmt dazwischen und gibt damit die Richtung vor. Dugain setzt auf die menschlichen Abgründe hinter der höfischen Etikette.

Zehn Jahre später rollt eine royale Kutsche durch den Dreck. Marc Tomasis barocke Klänge konterkarieren die Szene. Nach sieben Jahren in Paris kehrt Ludwig XV. (Igor van Dessel) nach Versailles zurück. Herbstlaub weht durch die Eingangshalle. Laken verhängen die Möbel. Ein zarter Knabe, der verloren durch das schwere Erbe seiner Vorfahren wandelt. Madame de Ventadour ist weiterhin an seiner Seite. Doch sein Zirkel hat sich erweitert. Überall Günstlinge, die auf Ludwigs 13. Geburtstag, den Tag seiner Volljährigkeit, gieren. Bis dahin führt der Herzog von Orléans (Olivier Gourmet), ein Neffe des 1715 verschiedenen Sonnenkönigs, die Geschäfte.

Olivier Gourmet spielt den Regenten als abgeklärten Arroganzling, als kühlen Strategen, der kurz vor dem Machtwechsel seinen größten Coup einfädelt. Um den Frieden mit Spanien zu sichern, vereinbart er eine Doppelhochzeit. Die vierjährige spanische Infantin Maria Anna Viktoria (Juliane Lepoureau) wird Ludwigs Gemahlin. Im Gegenzug heiratet der spanische Thronfolger Don Luis (Kacey Mottet Klein) des Regenten eigene Tochter, die zwölfjährige Louise Élisabeth (Anamaria Vartolomei). Zwei machtpolitische Kinderehen und ein inzestuöser Tausch, denn auch auf Spaniens Thron sitzt ein Verwandter: Philipp V., ein Enkel Ludwigs XIV., den Lambert Wilson als gottesfürchtigen Pragmatiker mit spitzer Zunge und Hang zum öffentlichkeitswirksamen Auftritt gibt.

Regisseur Marc Dugain kam spät zum Kino. 1957 in Dakar geboren und in Grenoble aufgewachsen, arbeitete er zunächst in der Finanzbranche und der freien Wirtschaft, bevor er sich mit 35 Jahren ganz der Schriftstellerei verschrieb. Seinen ersten Spielfilm Une exécution ordinaire, die Adaption seines gleichnamigen Romans, realisierte er 2010. In seinem vierten Drama, das auf einem Roman von Chantal Thomas basiert, entführt er sein Publikum in eine Zeit, in der Frauen reine Verhandlungsmasse waren. Den überforderten jungen Monarchen ergeht es indes kaum besser. Auch Ludwig XV. und Don Luis bleiben Marionetten der erwachsenen Strippenzieher.

Was ihnen bleibt, ist passiver Widerstand. Louise Élisabeth, die lieber in der Hölle schmorte als die Zeit nach ihrem Ableben im Himmel in lästiger Gesellschaft zu verbringen, spielt die Gelangweilte. Sie interessiert sich weder für die Jagd noch für Musik oder Literatur. Die ersten Wochen in Spanien verbringt sie im Bett, das sie lieber mit ihrer Zofe als mit dem Thronfolger teilt. Für Don Luis erwärmt sie sich erst, als er denselben jugendlichen Trotz gegenüber seinen Eltern an den Tag legt, den auch sie gegenüber ihrem Vater zeigte. Doch da ist es bereits zu spät. Die Pocken raffen Don Luis dahin. Sein Vater schickt die ungeliebte Schwiegertochter zurück. Ein Schicksal, das Anna Maria Viktoria mit Louise Élisabeth teilt, weil sie freilich viel zu jung ist, um Ludwig XV. Kinder zu schenken. Ein bitterböser Treppenwitz der Geschichte.

Dugain inszeniert dieses Ränkespiel in exquisiten Bildern voll trockenen Humors. Technische Spielereien, wie beispielsweise die schwindelerregenden Weitwinkelaufnahmen in The Favourite, liegen ihm fern. Er setzt auf wohlkomponierte Einstellungen, die Monica Coleman zu ruhigen Bildfolgen montiert. Darin leuchten die Kostüme selbst an den unscheinbarsten Orten, etwa wenn Louise Élisabeth während der Reise nach Spanien majestätisch durch den Wald schreitet, um im Schutz der Bäume ihr Geschäft zu verrichten. Es ist köstlich, wie Dugain fortgesetzt das Profane neben das Mondäne und das Sakrale stellt. Eine herrlich scheinheilige Welt.

Mehr noch als über die messerscharfen Dialoge erzählt Dugain dieses traurige historische Kapitel über die Blicke seiner bewundernswerten Nachwuchsdarsteller. Anamaria Vartolomei packt all die Langeweile ihrer Figur hinein, Kacey Mottet Klein all das tölpelhafte sexuelle Verlangen der seinen. Igor Van Dessel genügt ein Augenaufschlag, um die Traurigkeit und die schwere Bürde, die auf seinen viel zu schmalen Schultern lastet, in den Kinosaal zu übertragen. Ein wahrer Höhepunkt ist schließlich Juliane Lepoureau. Ihre Neugierde und Aufgewecktheit sind phänomenal. Trotz des zarten Alters ihrer Figur ist diese die reifste und damit würdigste am Hof. Ein Hoffnungsschimmer in einer düsteren Epoche.

Ein königlicher Tausch (2017)

Frankreich im Jahre 1721: Um den Frieden mit Spanien zu besiegeln, arrangiert der französische König eine Hochzeit seines 11-jährigen Sohnes Louis XV mit der spanischen Infantin Maria Anna Victoria. Außerdem bietet er eine weitere Liaison an: Seine eigene 12-jährige Tochter Mademoiselle de Montpensier soll dem 14 Jahre alten Thronfolger, dem Prinz von Asturien zur Gemahlin gegeben werden. Die Reaktionen aus Spanien auf die französischen Offerten sind begeistert und schnell beginnen die Vorbereitungen für den Austausch der beiden Prinzessinnen, der auf einer kleinen Insel in jenem Fluss, der beiden Ländern voneinander trennt, vorgenommen werden soll.Doch dann kommt alles anders als geplant.

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