Kuma

Eine Filmkritik von Patrick Thülig

Türkisches Familiengefüge auf wienerisch

Kuma lief letztes Jahr als Eröffnungsfilm der Panorama-Sektion auf der Berlinale. Nun bekommt der österreichische Film auch einen regulären deutschen Kinostart. Der Regisseur Umut Dag hat kurdische Wurzeln, wuchs aber in Wien auf und feiert mit diesem Film sein Langfilmdebüt.
Der Film beginnt mit einer Hochzeit in der Türkei, bei der auch die Familie Yilmaz aus Wien anwesend ist. Nach außen wirkt es so, als solle der Sohn Hasan (Murathan Muslu) mit der Türkin Ayse (Begüm Akkaya) verheiratet werden. Wieder in Österreich zurück, wird dem Zuschauer allerdings klar, dass nicht Hasan mit Ayse verheiratet wurde, sondern der Vater der Familie (Vedat Erincin) sie als Zweitfrau angenommen hat. Seine Erstfrau Fatma (Nihal Koldaş) bestand darauf, da sie an Krebs erkrankt ist und Ayse als Hausfrau für ihre Familie „anlernen“ möchte, für den Fall, dass sie sterben sollte. So ist es auch sie, mit der Ayse sich am besten versteht. Die schon erwachsenen Kinder der Familie hingegen hegen große Antipathien gegen den „Familienzuwachs“.

Kuma überrascht immer wieder mit Wendungen und Twists, die für einige Überraschungen sorgen.. Aufgrund der kammerspielartigen Inszenierung aber wirken diese Story-Entwicklungen an einigen Stellen ein wenig aufgesetzt und können den Zuschauer durchaus aus dem Film reißen. Andererseits aber macht der Film dadurch deutlich, dass er seine Geschichte fernab aller Klischees erzählen möchte. So ist die Auseinandersetzung mit dem Thema der Polygamie durchaus gelungen, eben weil gängige Rollenklischees umgangen wurden. Die Erstfrau ist nicht eifersüchtig auf die Zweitfrau und der Mann wollte die Zweitfrau eigentlich auch gar nicht, aber hat es aus Liebe zu seiner Erstfrau auf sich genommen.

Darstellerisch muss man die beiden Frauen herausstellen, die entschlossene Erstfrau und die unerfahrene Zweitfrau. Beide Schauspielerinnen agieren exzellent, ihre Chemie auf der Leinwand erweist sich als essentiell, um die Geschichte voranzutreiben. Trotz dieses Fokus stehen aber nicht sie allein im Mittelpunkt, auch die anderen Charaktere bekommen genug Zeit eingeräumt, was für ein Familienporträt auch nötig ist. Einige Entwicklungen in ihrem Verhalten sind aber zu plötzlich oder gar aus der Luft gegriffen. Die zweitälteste Tochter zum Beispiel freundet sich plötzlich mit der Zweitfrau an, weil diese den Willen zeigt, Deutsch zu lernen. Da aber gerade diese Tochter vorher die meisten Antipathien gegen die Zweitfrau zeigte, wirkt diese Annäherung ein wenig aufgesetzt. Auch wünscht man sich bei einigen Konflikten ein wenig mehr Tiefgang. Die Homosexualität in einer türkischen Familie hätte ruhig etwas mehr beleuchtet werden können. Sie wird in einer Szene zwar gut inszeniert, dann aber leider sehr schnell wieder fallen gelassen.

Insgesamt aber machen diese kleinen Makel den Film nicht kaputt. Er wird getragen von der Empathie und einer starken Hauptdarstellerin, die sich in der Familie und auch in der westlichen Welt zu behaupten versucht. Niemals wird bei den Konflikten innerhalb der Familie auf die Tränendüse gedrückt. Auf diese Weise entsteht ein sehr ehrliches und authentisches Drama, das allenfalls ein wenig seines Potenzials verliert durch missglückte Story-Twists oder versäumten Tiefgang.

Seinen Höhepunkt erreicht der Film in den letzten fünf Minuten, wenn sich noch einmal das Blatt wendet, wenn am Ende der leere Flur der schönen Wiener Altbauwohnung gezeigt wird und man die Familie in der Küche reden hört. Die Familie hat sich geändert und neue Vorzeichen bekommen. Und vielleicht gilt das nicht nur die Familie Yilmaz, sondern auch für das türkische Familienbild in einer westlichen Umgebung.

Kuma

„Kuma“ lief letztes Jahr als Eröffnungsfilm der Panorama-Sektion auf der Berlinale. Nun bekommt der österreichische Film auch einen regulären deutschen Kinostart. Der Regisseur Umut Dag hat kurdische Wurzeln, wuchs aber in Wien auf und feiert mit diesem Film sein Langfilmdebüt.
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