Krzysztof Kieslowski Kurzfilm Collection

Eine Filmkritik von Falk Straub

Zwischen Zufall und Schicksal

Stanley Kubrick feierte seinen Fernsehfilmzyklus Dekalog. Den Durchbruch im Westen schaffte der Pole Krzysztof Kieslowski allerdings erst danach. Ein kurzer Film über das Töten, die längere Kinofassung von Dekalog V, machte den Regisseur 1988 bei den Filmfestspielen in Cannes über Nacht auch jenseits des Eisernen Vorhangs berühmt. Der Film erhielt den FIPRESCI Preis und den Preis der Jury und ebnete Kieslowski den Weg für internationale Produktionen. Gemeinsam mit Ein kurzer Film über die Liebe, der Kinofassung von Dekalog VI, wird er in der „Krzysztof Kieslowski Kurzfilm Collection“ als Doppel-DVD neu aufgelegt.
In Ein kurzer Film über das Töten folgt der Zuschauer dem jungen Herumstreuner Jacek (Miroslaw Baka), dem frischgebackenen Anwalt Piotr (Krzysztof Globisz) und dem Taxifahrer Waldemar (Jan Tesarz), deren Wege sich in Warschau mehrfach kreuzen, jedoch erst später schicksalhaft berühren. Nachdem Jacek Waldemar scheinbar ohne Grund ermordet hat, verteidigt ihn Piotr vor Gericht, kann die Todesstrafe und schließlich Jaceks Hinrichtung jedoch nicht verhindern.

Seit Der Zufall möglicherweise (1981) nehmen zufällige Entscheidungen und metaphysische Verbindungen in Kieslowskis Filmen immer größeren Raum ein, ohne jedoch endgültige Antworten zu liefern. Und so bewegt sich auch die Welt in Ein kurzer Film über das Töten irgendwo zwischen den Polen Zufall und Schicksal. Hätte der Mord verhindert werden können, wenn sich die Wege der drei Protagonisten früher gekreuzt hätten? War Jaceks Tat nicht spontan, sondern vom Schuldgefühl am Tod der eigenen Schwester getrieben? Fragen, die der Film aufwirft, deren Antworten er aber offen lässt.

Erzählerisch ist Ein kurzer Film über das Töten klar in zwei Hälften geteilt, die jeweils mit einem Mord enden – die erste mit Jaceks hektischem Verbrechen, die zweite mit der vom Staat routiniert vollstreckten Strafe. Slawomir Idziaks Kamera verfolgt beide Taten minutiös, geradezu dokumentarisch und in quälender Länge. Jaceks Mord an Waldemar dauert sieben Minuten, vor Jaceks Hinrichtung ist der Zuschauer schon bei den Vorbereitungen der Vollzugsbeamten mit dabei. Zwei Tötungen, die gerade aufgrund eines Minimums an Effekten bis heute zu den grausamsten der Filmgeschichte gehören.

Bei der Gestaltung weicht Idziak allerdings von einem dokumentarischen Stil ab, nimmt sich viele Freiheiten. So verleiht er durch abgedunkelte Ränder Warschau einen schmutzigen Touch. Farbfilter tauchen die Bilder zusätzlich in einen starken Grünton – ein Look, den Idziak in Die zwei Leben der Veronika (1991) perfektionieren wird und der viele Regisseure – von Jean-Pierre Jeunet bis Tom Tykwer – beeinflusst.

Auch in Ein kurzer Film über die Liebe geht es um einen jungen Erwachsenen, der mit Gesetz und Moral in Konflikt gerät – allerdings in weit geringerer Schwere. Der 19-jährige Waise Tomek (Olaf Lubaszenko) bricht in eine Schule ein und stiehlt ein Fernrohr, um damit heimlich seine Nachbarin Magda (Grazyna Szapolowska) zu beobachten. Bereits in der ersten Szene, die das Ende vorwegnimmt, sind die Themen des Films eingeschrieben: Einsamkeit, Sehnsucht nach Nähe und Distanz.

Mit einem Voyeur im Mittelpunkt greift Ein kurzer Film über die Liebe das Kinodispositiv direkt auf, ist auch immer ein Film über den Zuschauerblick. Im Gegensatz zu Alfred Hitchcocks Das Fenster zum Hof (1954) geht es Kieslowski jedoch weniger um den schuldhaften Blick als vielmehr um den fürsorglichen. Tomeks Voyeurismus ist nicht (primär) sexuell motiviert, hat etwas kindliches. Als Waise sucht Tomek in Magda nicht nur die Liebe einer Partnerin, sondern auch Mutterliebe.

Wie schon in Ein kurzer Film über das Töten arbeitet Ein kurzer Film über die Liebe mit viel Symbolik, bietet dem Zuschauer ein geschlossenes Universum, in dem die Handlungen zufällig und dennoch unausweichlich scheinen, bei aller Determinierung aber dennoch genug Raum zu Interpretation lassen.

Krzysztof Kieslowski Kurzfilm Collection

Stanley Kubrick feierte seinen Fernsehfilmzyklus „Dekalog“. Den Durchbruch im Westen schaffte der Pole Krzysztof Kieslowski allerdings erst danach. „Ein kurzer Film über das Töten“, die längere Kinofassung von „Dekalog V“, machte den Regisseur 1988 bei den Filmfestspielen in Cannes über Nacht auch jenseits des Eisernen Vorhangs berühmt. Der Film erhielt den FIPRESCI Preis und den Preis der Jury und ebnete Kieslowski den Weg für internationale Produktionen.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen