Könige der Welt (2017)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Drugs & Rock'n'Roll

Dies ist, daran sollte man keinen Zweifel lassen, ein Drogenfilm. Ebenso klar aber ist auch: Dies ist ein Musikfilm, eine Bandbiographie. Und es ist ein Freundschaftsdrama. Ein Drama, bei dem die Hybris ganz am Anfang steht: Als Könige der Welt fühlen sich die vier jungen Typen, die mit der Band Union Youth ab 2001 immer mehr Erfolge feiern, bis hin zur Möglichkeit, direkt in den USA einen Plattenvertrag zu bekommen.

Doch einiges geht schief. Vor allem der Drogenkonsum von Frontman Maze. Über eineinhalb Jahre haben Christian von Brockhausen und Timo Großpietsch die Musiker begleitet, die einst mit Union Youth solch große Hoffnungen hatten. Und die jetzt nochmal von vorn anfangen wollen …

Pictures heißt die neue Band. Die Freunde treffen sich wieder. Sie reden wieder miteinander. Sie machen wieder Musik miteinander. Doch Maze ist noch immer am Arsch. Er bricht zusammen. Schon wieder. Er geht für sieben Monate in die Entzugsklinik. Denn da ist nicht nur das Heroin, das an seinem Körper saugt. Da sind immer auch diese Erinnerungen an den Ruhm früherer Tage … Sehr geschickt gehen von Brockhausen und Großpietsch vor. Alte Videobilder von Auftritten um 2001/2002 zeigen eine wilde, energetische, wütende Band, eine ehrgeizige Band, die ihre Musik raushaut, grungig angehaucht, mit einem Weltschmerz-Sänger à la Cobain selig. Eine Band auf dem Weg nach oben – eine deutsche Band mit richtig echtem Indie-Rock. Sie spielen mit Bush, sie spielen mit den Ärzten. Und Maze weiß: Wenn der Erfolg kommt, wenn das Geld kommt, dann wird er sich so richtig zugrunde richten …

Diese Bilder von damals sind eingebaut wie Rückblenden, raffiniert aus dem Heute geschnitten. Denn Maze hat bestenfalls verschwommene Erinnerungen an die Zeit vor 15 Jahren, so verschwommen wie die privaten Videoaufnahmen verwackelt sind. Aus Gesprächen mit ihm ergeben sich die Zeitsprünge in die glorreiche Vergangenheit. Während Maze im Jetzt in einer Klinik in Brandenburg versucht, clean zu werden und zu bleiben. Und während seine Freunde das Mögliche tun, ihn einerseits zu unterstützen – andererseits aber auch das neue Projekt auf einigermaßen sichere Beine zu stellen. Denn Musik ist noch immer ihr Leben.

Die Band wieder zusammenbringen: Das ist die Mission. Eine Mission, die gleich zu Beginn den Rückschlag von Mazes Sucht verkraften muss. Musik als Kitt der Freundschaft wirkt auch als Therapie – so ist dies eine ganz eigene Version des persönlichen, ganz nahen Bandporträts, nicht unähnlich Some Kind of Monster, in dem Metallica so viel von sich preisgeben und das Risiko auf sich nehmen, hinterher als ganz erbärmliche, lächerliche Würmer dazustehen. Oder eben die Chance ergreifen, persönlich gereift, freundschaftlich vereint, nach außen gewachsen zu sein …

Der Film ist Teil des Projekts „Pictures“, das ist klar: Gezeigt wird nicht nur der Ruhm vergangener Tage, gezeigt werden soll auch der Neuanfang, dokumentiert wird ebenfalls der Alltag der passionierten Musiker, der Frust und die Freude beim Aufnehmen im Studio, die Schwierigkeiten der Akquise von Auftritten und Plattenvertrag, schließlich die kleine Tour durch kleine Clubs im klapprigen Bus, mit Übernachtungen in schäbigen Billighostels … „Da fährt man fünf Stunden her, baut dann eine Stunde auf für einen 40 Minuten-Auftritt, muss dann wieder schnell weiter – das lohnt sich fast nicht. Aber es macht solchen Spaß!“, heißt es mal im Film, und auch das wird gezeigt: Die Musik als Obsession, als notwendigen Weg, sich künstlerisch auszudrücken, um das Leben zu ertragen.

Insofern ist Könige der Welt die ultimative Verdichtung von Drugs und Rock’n’Roll: Ein spannender Film um eine spannende Band, die eigentlich nur eine kleine Fußnote in der deutschen Rockgeschichte ist – für die aber das Spielen, das Auftreten das Wichtigste der Welt ist. Ein Lebensanker. Und auch wer nie etwas von Union Youth gehört hat oder wer nie etwas von Pictures hören wird: Auch der wird sich hier nicht abwenden können, nicht mit den Augen, nicht mit den Ohren.

Könige der Welt (2017)

Dies ist, daran sollte man keinen Zweifel lassen, ein Drogenfilm. Ebenso klar aber ist auch: Dies ist ein Musikfilm, eine Bandbiographie. Und es ist ein Freundschaftsdrama. Ein Drama, bei dem die Hybris ganz am Anfang steht: Als Könige der Welt fühlen sich die vier jungen Typen, die mit der Band Union Youth ab 2001 immer mehr Erfolge feiern, bis hin zur Möglichkeit, direkt in den USA einen Plattenvertrag zu bekommen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Martin Jochem · 02.09.2018

Intim, berührend, nie voyeuristisch - tolle Geschichte über eine Band, die mit ihrem Erfolg nicht klarkommt und über Drogensucht.