Kochen ist Chefsache (2012)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Es ist angerichtet...

Warum nicht den heutigen Alexandre Lagarde mit dem alten kombinieren? Warum nicht mal eine Neukreation ausprobieren? Warum nicht dem Kalb diese Sauce von damals zugeben, die aus dem Reh-Rezept, abgeschmeckt mit Zimt und etwas Lotus?

Darum: Weil Alexandre Lagarde, Drei-Sterne-Koch, gesegnet mit einer TV-Kochsendung und den meisten Sternerestaurants der Welt, kreativ ausgepowert ist. Inspiration fehlt, keine Ideen mehr. Aber ein Ruf ist zu verlieren, ein Michelin-Stern gar… Kann man da Neues wagen, zumal das Neue von diesem Grünschnabel kommt, der zuvor ein Bistrokoch war, einen Malerjob hatte – einer, der zum Vergnügen kocht, ohne jegliche professionelle Erfahrung?

Lagarde ist der Meister der Küche, von allen geachtet, ein Gott in Frankreich. Jacky Bonnot dagegen wird bei einem Küchenjob nach dem anderen rausgeschmissen, er ist ein lukullischer Tausendsassa, doch sein radikaler Idealismus zwingt Gästen im Restaurant Weine auf zu ihrem Essen, die sie nicht wollen, er droht Prügel demjenigen an, der Senfsauce zu Kabeljau nimmt, und im Imbiss streicht er Pommes kurzerhand ganz von der Karte. Zu diesem Duo kommt Stanislas Matter, Lagardes Boss mit einer ganz eigenen, hypermodernen Vorstellung von Küche, die zudem Synergieeffekte freisetzen kann: indem er Molekularküche aus dem Chemielabor auch für die Fertiggerichte benutzen will, mit denen sein Konzern Geld verdient. Was Lagarde, der Handarbeiter, mit seiner Drei-Sterne-Kochmanufaktur natürlich nicht leisten kann; weshalb Matter ihn sich nicht mehr leisten will.

Drei Koch- und Küchenpersönlichkeiten, der Gesättigte, der Wilde, der Jung-Dynamische, treffen aufeinander in dieser Komödie, die typisch französisch ist: eine Typencomedy, die starke gegensätzliche Charaktere zu konfrontativ-komischen Situationen zusammenzwingt; die Witz konstruiert und Charaktere zugleich menschlich erscheinen lässt.

Lagarde hat eine Tochter, die kurz vor der Promotionsprüfung steht und die er kaum beachtet vor lauter Kochkunst; Jacky eine schwangere Freundin, die ihn drängt, endlich bezahlte Arbeit anzunehmen – und sie zu behalten. Diese Hintergründe sind fein eingewoben, wenn auch wenig subtil – umso mehr fällt das Fehlen einer solchen Backstory bei Matter auf, dem dritten im Bunde, der zunächst als reines Feindbild gezeichnet ist.

Überhaupt wirkt der Film in seinem Verlauf unterspielt, er reitet nicht auf den Situationen und Pointen herum – manchmal so sehr, dass er zuwenig bringt. Lagardes Live-Kochshows direkt vom Markt (wo gibt es so was schon!) werden zunächst kaum als Gagplattform genutzt, die Handlungskomplikationen nehmen eher mit angezogener Handbremse Fahrt auf. Wenn’s dann aber losgeht, dann explodiert der Film geradezu in einem Slapstickfeuerwerk. Die Verkleidung von Jean Renos Lagarde und Michaël Youns Bonnot als älteres japanisches Ehepaar ist des Guten viel zu viel. Und wenn sie Molekularküche ausprobieren und ein exzentrischer spanischer Experte Ente in ekelhaft geleeartige Würfel mit Fischgeschmack verwandelt, wenn in der Küche Pipette, Kolben, farbige dampfende Flüssigkeiten und Explosionen die Funken ersetzen, die in so mancher Passage des Films fehlen: Dann wird deutlich, dass weder Reno noch Youn die Extraklasse eines Louis de Funès haben. Hysterischer Hyperventilationswitz hatte dessen Filme in durchgängiger Steigerung durchzogen – während er hier nur eruptiv ausbricht. Dabei ist Kochen ist Chefsache zumindest in seinen Superlativ-Spaßszenen ganz offensichtlich orientiert an de Funès’ Brust oder Keule

So fehlt dem Film die finale Raffinesse — ein bisschen Zimt, etwas Lotus hätten ihm gut getan. Dennoch ist dies ein Kinomenü, das durchaus mundet.
 

Kochen ist Chefsache (2012)

Warum nicht den heutigen Alexandre Lagarde mit dem alten kombinieren? Warum nicht mal eine Neukreation ausprobieren? Warum nicht dem Kalb diese Sauce von damals zugeben, die aus dem Reh-Rezept, abgeschmeckt mit Zimt und etwas Lotus?

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