Kinatay

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Ein düsteres Abbild der Realität

Sorglos, hell, voller Lebensfreude sprudelnd – so beginnt Kinatay, der aufgrund seiner Brutalität einer der umstrittensten Filme beim letzten Festival in Cannes war. Das mag man zunächst nicht glauben. Brillante Mendoza, der philippinische Regisseur des Films, führt uns am Anfang des Films mitten in das lebendige, geschäftige, chaotische Manila. Wir lernen den jungen Polizeischüler Peping kennen (Coco Martin in seiner fünften Zusammenarbeit mit Brillante Mendoza), der am Morgen seine Verlobte Cecile heiratet, mit der er einen kleinen Sohn hat.
Doch die leichte, sorglose Stimmung schlägt um als wir erfahren, dass sich Peping nebenbei als Schutzgeldeintreiber einer Kleinganovenbande verdingt. Bislang hat er auf diesem Weg problemlos die Familienkasse aufbessern können. Doch am Abend seiner Hochzeit wird er aufgefordert, bei einer Spezialaktion dabei zu sein. Peping weiß nicht, was auf ihn zukommt. Erst nach und nach wird ihm bewusst, in welch dunklen Abgrund er hineingeraten ist. Es geht um die Entführung der Prostituierten Madonna. Ihr Vergehen ist so schwerwiegend, dass sie dafür büßen muss – und zwar bitter.

Madonna wird an den Stadtrand Manilas geschafft. Je weiter sich der Bus mit den Entführern von der Stadtgrenze entfernt, desto düster wird die Stimmung, desto unheimlicher die Tonspur, desto dunkler die Bilder. Dass Madonna nicht lebend in die Stadt zurückkehrt, kann man sich mit Peping denken. Doch welch grausamen Tod sie erlebt, will man lieber nicht zu Papier bringen. Madonna wird nicht getötet. Sie wird geschlachtet, zerstückelt, zerhackt. Der Film, der so locker angefangen hat, wird zur Qual. Weder Peping noch der Zuschauer kann dieser grausigen Situation entfliehen. Man will wissen, wie es ausgeht und ist trotzdem kaum in der Lage, dem Grauen zuzusehen.

Noch ungeheuerlicher ist, dass die Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht. Brillante Mendoza hat sie von einem Polizeischüler erfahren. Es ist eine Geschichte über einen Menschen, der sich und seine Seele verkauft. Peping ist in das Auto gestiegen und ist damit nicht nur zum Komplizen, sondern gleichzeitig zum Opfer des Verbrechens geworden. Peping kann zu keinem Zeitpunkt entfliehen. Großartig ist das Ende des Films: Peping fährt mit einem Taxi zurück in die Stadt, in sein normales Leben. Ihn erfüllt eine unglaubliche Leere. Er weiß, dass er zu weit gegangen ist, die Grenze weit überschritten hat.

Brillante Mendoza ist einer der interessantesten und international erfolgreichsten Protagonisten des philippinischen Gegenwartskinos. Mendozas Filme entstehen weitgehend außerhalb der kommerziellen Filmindustrie und fühlen sich einer ungeschönten und realistischen Darstellung der zeitgenössischen philippinischen Gesellschaft verpflichtet. Die meisten seiner Filme bewegen sich in einem sehr genau umrissenen Raum und spielen sich oft an einem einzigen Tag ab, an dem sie mit großer Genauigkeit das Leben ihrer Protagonisten durchdringen. Mendoza arbeitet unglaublich produktiv. Seit 2005 hat der ehemalige Werbefilmer insgesamt acht Kinofilme gedreht, darunter auch Lola, der ebenfalls bald in den deutschen Kinos startet.

Kinatay wirft die Frage auf, wie viel Gewalt man im Kino zeigen darf. Bei Mendoza geht es jedoch nicht um die Gewalt an sich, es ist eher die psychologische Ebene dahinter. Dieses Dilemma, in dem der junge Peping steckt und wie sehr ihn dies für sein weiteres Leben prägen wird. Es ist ein starker Film, dessen Anziehungskraft und Sog man sich trotz aller Brutalität nicht entziehen kann. Im Gegensatz zu Quentin Tarantino zielt Brillante Mendoza auch nicht auf Gewalt als Mittel der Unterhaltung ab. Für ihn ist die Gewalt vielmehr ein Abbild der Realität, eine Studie vom Straßenleben in Manila. Da sieht sich Mendoza wohl ganz als Dokumentarist. Das ist traurig, aber wahr. Und dafür muss man sein Werk loben.

Kinatay

Sorglos, hell, voller Lebensfreude sprudelnd – so beginnt „Kinatay“, der aufgrund seiner Brutalität einer der umstrittensten Filme beim letzten Festival in Cannes war. Das mag man zunächst nicht glauben. Brillante Mendoza, der philippinische Regisseur des Films, führt uns am Anfang des Films mitten in das lebendige, geschäftige, chaotische Manila. Wir lernen den jungen Polizeischüler Peping kennen (Coco Martin in seiner fünften Zusammenarbeit mit Brillante Mendoza), der am Morgen seine Verlobte Cecile heiratet, mit der er einen kleinen Sohn hat.
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