The Killer Inside Me (2010)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der Psychokiller mit dem Sheriffstern und dem Engelsgesicht

Deputy Sheriff Lou Ford (Casey Affleck) hat ein Engelsgesicht, sein Chef hält ihn für nett und behutsam und in dem Teil von Texas, in dem er lebt, ist ein Mann entweder ein Gentleman oder gar nichts. Doch er hat auch eine andere Seite, ein zweites Gesicht oder besser gesagt eine hässliche Fratze. Denn Ford ist von frühester Kindheit an ein überaus gewalttätiger und gestörter Charakter, der mit Vorliebe Frauen schlägt, misshandelt, vergewaltigt und selbst vor Mord nicht zurückschreckt.

Diese dunkle Seite Lous kommt endgültig zum Ausbruch, als er auf die Hure Joyce Lakeland (Jessica Alba) trifft, mit der er ein Verhältnis beginnt. Die junge Frau, die in der wohlanständig bigotten Gesellschaft von Central City eine Aussätzige ist, die weit außerhalb der Stadt lebt, sehnt sich nach Anerkennung. Die Stadtoberen hingegen wollen das leichte Mädchen möglichst bald loswerden, denn Joyce betätigt sich nebenbei als Erpresserin. Ausgerechnet Lou soll den Willen der Mächtigen von Central City vollstrecken. Der hat aber seine ganz eigenen Pläne, um seinem alten Widersacher Chester Conway (Ned Beatty) eines auszuwischen. Und diese Pläne zieht er mit aller Entschlossenheit und Rücksichtslosigkeit durch…

Leider geht nicht nur Lou mit aller Brutalität vor, sondern auch der Regisseur Michael Winterbottom, der sonst eigentlich eher ein Meister der leisen Zwischentöne ist. Seine Verfilmung des gleichnamigen Pulp-Romans von Jim Thompson sorgte bereits in Sundance und dann wenig später auf der Berlinale aufgrund der überaus expliziten Gewalttätigkeiten für einige Kontroversen, die aber nicht verdecken konnten, dass der Film im Oeuvre von Winterbottom den bisherigen Tiefpunkt markiert.

Trotz eines formidablen Casey Affleck, einer sehenswerten Besetzung mit Ned Beatty, Elias Koteas, Jessica Alba und Bill Pullman, stilsicher in Szene gesetzter Fünfzigerjahre-Atmosphäre und schockartig eingesetzten Gewaltausbrüchen, lässt einen die Geschichte von The Killer Inside Me merkwürdig kalt, empfindet man niemals so etwas wie Mitleid oder Empathie mit dem offensichtlich schwer gestörten, aber dennoch stets kühl kalkulierenden und manipulierenden Lou oder mit den Opfern.

Über die Gründe für den bemerkenswerten Fehlgriff Winterbottoms kann man nur spekulieren. Vermutlich dürfte aber die literarische Vorlage nicht ganz schuldlos sein. Beinahe schon sklavisch hält sich der Film an den Ton und die Struktur des Buches, ohne dabei dessen Fähigkeit zum Einblick in eine zutiefst gestörte Seele adäquat umzusetzen. Der Killer mit dem Engelsgesicht bleibt so trotz des Off-Kommentars des Killers eine reine Behauptung, die niemals psychologisch plausibel wird, sondern bis zuletzt als reines Konstrukt erkennbar bleibt, als Monster, das weniger den eigenen Trieben als vielmehr allein dem Willen seines Schöpfers folgt.

Der mit deutlich sichtbaren Digitaleffekte realisierte Schluss, der zumindest versucht, ein emotionales Schlussbild zu setzen, das man nicht so schnell vergisst, verpufft angesichts dieser deutlichen Schwächen nahezu wirkungslos und verfestigt den Eindruck, dass Neo-Noir nicht unbedingt zu Winterbottoms Stärken gehört.
 

The Killer Inside Me (2010)

Von wegen „Das waren noch Zeiten“. Zwar spielt Michael Winterbottoms neuer, mit Spannung erwarteter Film „The Killer Inside Me“ in einer Zeit, als die Männer noch echte Kerle waren und angesichts holder Weiblichkeit den Hut lüfteten. Derlei gute Umgangsformen sind in dem Film aber eher von sekundärem Belang. Denn in dem Neo-Noir-Thriller nach einem Roman von Jim Thompson geht es eher rüde und ganz und gar nicht wohlerzogen zu.

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Meinungen

Dirk · 12.07.2011

Widerlich grausam, weswegen ich abschaltete und sonst nichts über diesen Film sagen kann, ausser, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie man sich das als Cutter oder Regisseur x-mal angucken kann. Mir war speiübel und der Schock, der sich keineswegs gut anfühlte, führt nur zu Albträumen. P.S.: Und wenn es Männer gewesen wären, wäre meine Kritik nicht anders ausgefallen. Aber ich finde auch Tarantino-Filme widerlich brutal und verstanden hab ich dessen Mist auch nie.

Loki · 07.12.2010

"An alle die sich diesen Schmutz trotzdem antun möchten"

Furchtbar, immer diese reflexartige Empörung. Wenn in einem Film reihenweise Männer gemeuchelt werden und dabei noch deren Gliedmaßen durch die Luft fliegen ist es großes (Acton)Kino oder ein "echter Tarantino". Wenn die Opfer eines aber hauptsächlich Frauen sind, schießt allen gleich das Moralin ein.
Von Bigotterie muss ich viel eher kotzen.

Friedrich · 01.09.2010

Ekelhaft und schockierend. Flache Story und Low Budget. Es wird gezeigt, wie zwei Frauen totgeschlagen werden und elendig sterben. Für so ein Drehbuch wäre imho höchstens Quentin Tarantino der passende Regisseur gewesen, der wohl nicht ohne Grund ca. 2002 wieder die Finger von dem Werk gelassen hat. Das sich Winterbottom an diesem Werk vergriffen hat, spricht nicht gerade für ihn. An alle die sich diesen Schmutz trotzdem antun möchten: Nehmt eine Kotztüte mit!