Kidnapped

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Bis zum bitteren Ende

Das Böse lauert überall und nicht einmal zuhause ist man vor ihm sicher. Die ist mit wenigen Worten beschrieben der Plot von Kidnapped / Secuestrados, dem Debüt des spanischen Regisseurs Miguel Ángel Vivas, das bereits auf den Fantasy Filmfest Nights 2011 für schweißnasse Hände und geweitete Pupillen sorgte und das nun auch auf DVD erschienen ist.
Gerade erst sind sie in ihr neues Eigenheim am Rande von Madrid in einer ruhigen Gegend eingezogen: Jaime (Fernando Cayo) und Marta (Ana Wagener) und die 18 Jahre alte Tochter Isa (Manuela Vellés) sind allem Anschein nach vermögend und damit die idealen Opfer für die Einbrecherbande, die ihr Haus zum Zielobjekt auserkoren hat. Wobei „Einbruch“ eine viel zu harmlose Beschreibung ist für das Vorgehen der Bande. Was diese tatsächlich abziehen, ist ein äußerst brutal durchgeführter Raubüberfall mit Geiselnahme, der zudem im Laufe der Zeit immer mehr eskaliert und sich schließlich in blutigen und brutalen Terror der allerübelsten Sorte verwandelt.

Im Prinzip erinnert Kidnapped aufgrund der Ausgangssituation ein klein wenig an Michael Hanekes Funny Games, doch die vielfach gezogenen Vergleiche zwischen den beiden Filmen, die meist zu Ungunsten des Regiedebütanten Miguel Ángel Vivas ausfallen, gehen am eigentlichen Kern des Films vorbei, weil sie im übertragenen Sinne einen Philosophen mit einem Boxer vergleichen: Während Haneke dezidiert Subtexte und Metaebenen in sein Werk mit einfließen lässt, die das Medium Film an sich und den Voyeurismus des Zuschauers thematisieren, geht es dem Spanier vor allem um schnelle, harte Schläge, um gezielte Wirkungstreffer an Stellen, wo es wirklich weh tut.

Formal gekonnt und teilweise beinahe schon experimentell umgesetzt (die gesamte Handlung ist in 12 Szenen unterteilt die jeweils ohne Schnitt auskommen, dazu doppeln „split screens“ die Handlung und bauen parallele Spannungsbögen auf) liegt der Fokus bei Kidnapped weniger auf dem Inhaltlichen als vielmehr auf der reinen Phänomenologie des Bösen und Grausamen. Keine Sympathien, sonst die Grundvoraussetzung jeder funktionierenden Thriller-Dramaturgie, lenken hier von der Spirale der Eskalation ab, die Miguel Ángel Vivas in seinem beinharten und verstörenden Debütfilm mit schrecklicher Konsequenz bis zum bitteren Ende durchzieht.

Trotz der in manchen Kritiken bemängelten fehlenden Identifikationsmöglichkeiten mit den Opfern, von denen einzig der Vater einigermaßen sympathisch erscheint, und mancher Situationen, in denen eine Flucht der Opfer durchaus möglich gewesen wäre (andererseits: Ist nicht gerade das nachvollziehbar, dass man in solch einen Moment vor Angst wie gelähmt ist?), lässt einen der Film aufgrund seiner Intensität und Unmittelbarkeit kaum je von der Angel.

Definitiv ist dies kein Film für Zartbesaitete und erst recht keine leichte Kost für einen netten DVD-Abend zuhause, sondern ein fieses kleines Monstrum, dessen Unerbittlichkeit und eiskaltes Kalkül man nicht so schnell aus dem Kopf bekommt. Besser, man überprüft nach diesem Film noch einmal die Schlösser an der Tür und scannt die Umgebung nach verdächtigen Gestalten ab. Wobei: Das Böse findet immer einen Weg. Seien Sie auf der Hut.

Kidnapped

Das Böse lauert überall und nicht einmal zuhause ist man vor ihm sicher. Die ist mit wenigen Worten beschrieben der Plot von „Kidnapped“ / „Secuestrados“, dem Debüt des spanischen Regisseurs Miguel Ángel Vivas, das bereits auf den Fantasy Filmfest Nights 2011 für schweißnasse Hände und geweitete Pupillen sorgte und das nun auch auf DVD erschienen ist.
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