Kalt wie Eis

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Berlin – Stadt der Antihelden

In Westberlin hatte sich Anfang der 1980er Jahre aufgrund der isolierten Lage eine düstere Atmosphäre breitgemacht, auf die die Menschen entweder mit gleichgültigem Stillstand, Depression, Widerstand oder kreativem Ausstoß reagierten. Carl Schenkels Kalt wie Eis nutzt die spezielle Berlin-Stimmung der damaligen Zeit für eine intensive Mischung aus Thriller und Jugenddrama.
Der Mechaniker Dave (Dave Balko) sitzt im Jugendknast Plötzensee, weil er an gestohlenen Motorrädern herumgeschraubt hat. Er selbst sagt, dass er nur seine Arbeit gemacht habe, die illegale Herkunft der Maschinen aber nicht kannte. Entsprechend wütend reagiert er, als ihm klar wird, dass er das nicht beweisen kann. Um nicht im Knast zu versauern, inszeniert er einen Selbstmordversuch und bricht anschließend auf dem Transport ins Krankenhaus aus. Dabei kommt ein Staatsdiener zu Schaden. Dave flüchtet zu einem Bekannten (Hans Zischler), der einen Punk- und New-Wave-Klub leitet. Dieser verspricht, ihm zu helfen, aber die Gewalt rückt Dave bereits auf die Pelle. Ein paar Schergen des zwielichtigen Kowalskys (Otto Sander), für den Dave als Mechaniker gearbeitet hatte, wollen den jungen Mann aus dem Weg räumen. Kowalsky fürchtet Daves Rache, der tatsächlich ein Hühnchen mit seinem Ex-Arbeitgeber rupfen will. Außerdem sucht Dave seine Freundin Corinna (Brigitte Wöllner), die ihn seit ein paar Wochen nicht mehr besucht hat und jetzt im Nachtklub des schmierigen Unternehmers Hoffmann (Rolf Eden) arbeitet. Auf der Flucht vor der Polizei will Dave seine Sehnsucht vom ruhigen Leben mit Corinna verwirklichen, aber die Hürden sind hoch.

Schenkels Inszenierung greift immer wieder auf das Gefängnisleitmotiv zurück, das er gleich zu Beginn auf steril-ungemütliche Weise etabliert. Die karge Zelle, in der Dave sein Dasein fristet, strahlt mit ihren Wandschmierereien die Verzweiflung aus, die den jungen Mann im Griff hat. Die Sprüche, zu denen unter anderem auch „Kalt wie Eis“ gehört, drücken die inneren Qualen angesichts der Enge aus, mit der Dave leben muss. Konsequenterweise bricht er aus dem Gefängnis aus, ohne aber in der Freiheit zu landen. Denn Westberlin ist damals selbst eine Art Gefängnis gewesen. Die düsteren Grenzanlagen der Mauer, die Ost und West teilten, rückt Schenkel mehr als einmal prominent in den Blick der Kamera. Die Fenster eines Schlupfwinkels, in den sich Dave zeitweise zurückzieht, erinnern an die Gitterstäbe eines Knastes. Der eisige Hauch der Gefangenschaft umweht Dave während des gesamten Films. Verzweifelt versucht er, dem zu entkommen.

Dabei wandelt er durch eine Stadt, die ihn mit einem kreativ-künstlerischen Schaffen konfrontiert, dass aus der Enge eine subversive Kraft schöpft oder sich an die bürgerlichen Kreise verkauft. Während im Klub seines Bekannten Bands wie „Tempo“ knackige Stücke zwischen Punk und New Wave intonieren, brüllt ein scheinbarer Avantgardekünstler (Blixa Bargeld) bei einer Performance für höhere Kreise den „Skorbut“-Song in die abgeschlossene Welt einer kleinen Galerie. In ihrer hermetischen Welt feiert der klammheimliche Pakt zwischen der gespielten Subversivität des Künstlers, der Geld haben möchte, und den bürgerlichen Kreisen, die Geld geben können, einen absurden Triumph. So weit ist es mit den Bands im Klub noch nicht gekommen, aber ihr kommerzielles Potenzial schimmert durch.

Dave gehört zu keiner Gruppe. Er ist der totale, reine Außenseiter, dessen Seele noch unbefleckt von solchen Einflüssen märchenhafte Sehnsüchte träumt. Er möchte mit seiner Freundin Corinna in Ruhe leben und von den Problemen der Welt nichts wissen. Als tragische Figur bündelt er den Wunsch nach einem unverfälschten Dasein, das nicht existiert. Schenkels melancholische Nachtaufnahmen zwischen romantischer Neonoptik und kalter Brutalität, wenn die Gewalt zuschlägt, reflektieren Daves isolierten Zustand.

Darsteller Dave Balko, Mitglied der im Film auftauchenden Band „Tempo“, verkörpert die Figur mit perfekter Naivität. Er macht das irreale Sehnsuchtsgebäude, in dem Dave leben möchte, und die Wut angesichts der Welt, die ihm das nicht ermöglichen will, sichtbar. Immer wieder scheint er ungläubig auf das zu gucken, was sich vor ihm abspielt. Seine innere Verfassung verschlechtert sich zunehmend, was sich übrigens auch in den körperlichen Schäden widerspiegelt, die er im Laufe des Films davonträgt.

Kalt wie Eis reflektiert die düstere Gefängnissituation Westberlins Anfang der 1980er Jahre und gießt sie als Mischung aus Depression und Verzweiflung in ein kraftvolles Jugenddrama. Gleichzeitig ist der Film ein wunderbares Zeitdokument der Punk-, New-Wave- und NDW-Kultur, die damals einen Teil der Musikszene dominierte.

Die DVD präsentiert den Film in guter Bildqualität. Einzelne Schwächen, wie das gelegentliche Auftreten milchiger Bilder im Dunkel der Nacht oder leichte Farbverfälschungen hängen mit dem damals verwendeten Filmmaterial zusammen, das sicher nicht das teuerste gewesen ist. Die Schärfe liegt in einem sehr ordentlichen Bereich, der die authentische Atmosphäre der Filmkopie widerspiegelt. Bildhintergründe sehen manchmal etwas matschig aus, aber das stört nicht. Die Farben geben die kühle Tonlage sehr gut wieder, die Kameramann Horst Knechtel auf hervorragende Weise komponiert hat. Manches wirkt leicht ausgebleicht und der Kontrast ist hier und da etwas steil. Verschmutzungen und Bildfehler sind nur noch selten vorhanden. Insgesamt handelt es sich um einen sehr ordentlichen bis guten Transfer.

Der deutsche Monoton leistet sich auch keine bedeutenden Schwächen. Die Dialoge sind gut verständlich und klingen nur gelegentlich etwas dumpf. Nennenswerte Verzerrungen gibt es nicht.

Kalt wie Eis überzeugt als düsteres Jugenddrama, das die Enge der Westberliner Atmosphäre Anfang der 1980er Jahre auf perfekte Weise einfängt, um die Verzweiflung einer Hauptfigur zu reflektieren, die sich ein Leben ohne Probleme wünscht. Ihr Außenseiterstatus, der sich auf einen schwer erreichbaren Sehnsuchtstraum gründet, wird immer wieder mit der Begrenzung der Westberliner Realität konfrontiert. Daraus resultiert eine Kraft, die entweder in kreativer Energie oder Zerstörung mündet. Technisch ist die DVD sehr ordentlich bis gut.

Kalt wie Eis

In Westberlin hatte sich Anfang der 1980er Jahre aufgrund der isolierten Lage eine düstere Atmosphäre breitgemacht, auf die die Menschen entweder mit gleichgültigem Stillstand, Depression, Widerstand oder kreativem Ausstoß reagierten. Carl Schenkels „Kalt wie Eis“ nutzt die spezielle Berlin-Stimmung der damaligen Zeit für eine intensive Mischung aus Thriller und Jugenddrama.
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