Kaiserschmarrn

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Heimat, Hardcore, Homer Simpson oder: Alles auf Zucker

Mögen US-amerikanische Serien gerade auch noch so sehr die Bewunderung auf sich ziehen, die deutsche Fernsehlandschaft ist von solchen Qualitäten mehr als nur einen Ozean entfernt und produziert statt epischen Dramen allenfalls öde Bergschmonzetten vor alpiner Kulisse. Daniel Krauss hat sich in seiner grellbunt-schrillen Mediensatire Kaiserschmarrn der deutschen Fernsehlandschaft angenommen und versucht den Zuständen mit Trash, Sex und Kalauern aus Großvaters Klamottenkiste zu Leibe zu rücken – ein waghalsiges Unternehmen, das nur in ganz wenigen Momenten aufblitzen lässt, was dabei eigentlich möglich gewesen wäre.
Alex Gaul (Antoine Monot jr.) ist ein echt naiver Pornodarsteller schlichten Gemüts (na, Groschen im Bezug auf den Nachnamen des Mannes gefallen?), der natürlich von den höheren Weihen der Schauspielkunst träumt, wobei die Ambition durchaus auf den Wunsch seiner Oma (Grit Böttcher) zurückgeht, bei der der Waise aufgewachsen ist. Allerdings gibt es zwischen den Vorstellungen der krebskranken Großmutter und den Wünschen des jungen Mannes durchaus einige Unterschiede. Während letzterer vom Globe Theatre und einer Rolle in einem Stück von Shakespeare träumt, wäre es für seine Oma schon genug, wenn sie ihren Jungen in einem Heimatfilm im Fernsehen anschauen könnte. Welch glückliche Fügung, dass der große Star dieser Schmonzetten Zacharias Zucker (ebenfalls Antoine Monot jr.) ihrem Enkel wie aus dem Gesicht geschnitten ist, wenn man von dem Schnauzbart einmal absieht.

Als nun ein Dreh der Pornofilmproduktion „Fickluder International“ im gleichen Hotel am Wörthersee stattfindet wie die Arbeiten an einem neuen Werk mit Zacharias Zucker, sieht Gaul seine große Chance gekommen, der kränkelnden Großmutter ihren mutmaßlich letzten Wunsch zu erfüllen. Kurzerhand wird der entsetzlich unsympathische Fernsehstar mit dem albernen Schweizer Akzent ausgeknockt, so dass Gaul fortan zwischen Porno-Dreh und Heimatfilm hin und her eilen muss, um beiden Rollen gerecht zu werden. Dabei lernt er, wie man sich als richtiger Star in der großen bunten Welt des TV-Entertainments zu benehmen hat – am besten vollkommen unberechenbar, cholerisch und überwiegend betrunken oder unter Drogen stehend. Wie man denn so werde wie der „Zachi“, fragt der Porno-Recke an einer Stelle verzweifelt das Supermodel in spe Silke (Anne Eger). Deren lakonische Antwort: Indem man Stalin, Homer Simpson und Guido Westerwelle zusammenrühre. Irgendwie tun einem die beiden letztgenannten bei dieser Aufzählung schon ein wenig leid (wobei, wenn man es sich recht überlegt, vielleicht doch nur einer).

Aber natürlich ist der Gaul Alex in Wahrheit und trotz seines Berufs ein herzensguter Mensch, der überdies noch die Öko-Bäuerin Yve (Anna Julia Kapfelsberger) kennen und lieben lernt, die mit dem Job als Servierkraft das Geld für die Renovierung ihres Hofes zusammenspart. Und so kommt es, wie es kommen muss: Bald schon herrscht bei beiden Drehs das nackte Chaos, das dadurch weiter angeheizt wird, dass sowohl eine neurotische Fernsehredakteurin (Gerit Kling) als auch der mindestens ebenso durchgeknallte Senderchef (Ilja Richter) am Set auftauchen. Außerdem mit von der Landpartie: Zwei unfähige Jungproduzenten (Lars Montag und Tobias Schönenberg), eine weitere Hotelangestellte mit Kurpfälzer Dialekt und Supermodel-Ambitionen, ein Regisseur am Rande des Nervenzusammenbruchs (Heinrich Schafmeister), der hyperaktive Pornofilmer Edwin Hammersau (Franz Meiler) und jede Menge weiteres Filmvolk.

Kaiserschmarrn, bei dem sich der doppelte Hauptdarsteller Antoine Monot jr. mit seiner eigenen Produktionsfirma beteiligte, hat bei aller Schrillheit und Willen zum bedingungslosen Trash durchaus seine Momente: Bei aller Übertreibung gehören vor allem die Szenen, die die Hierarchien des Fernsehbetriebs entlarven, zu den Highlights des Films, während die eigentlich auf Höhepunkte fixierte Porno-Industrie vergleichsweise blass bleibt. Wenn beispielsweise die Redakteurin ständig versucht, Brechtsche Verfremdungseffekte in den Film einzubauen (sie nennt ihn nur den „V-Effekt“) und immer wieder durchblicken lässt, dass sie viel lieber „Kunst“ machen würde, wenn der Regisseur vor den Zornesausbrüchen seines vermeintlichen Stars wieder einmal einknickt und den Druck dann sofort nach unten weitergibt und der Senderchef gottgleich aus einer Sänfte steigt, spürt man eines sofort: Hier haben sich Daniel Krauss und seine Crew auch den Frust von der Seele geschrieben und in ihre Figuren gelegt.

Leider drohen solche Szenen in dem schrägen Sammelsurium aus (angedeutetem) Sex und Klamauk, aus schlimmen Kalauern und peinlichen Witzen über Verdauungs- und Sexualfunktionen, aus (vermutlich bewusst) hölzernem Schauspiel und wildem Grimassieren, aus farblich überzeichneter Alpenkulisse und der Lust an scheinbarer Tabuverletzung vollkommen unterzugehen.

Dass am Ende vor allem der Überdruss überwiegt, liegt hauptsächlich an dem wahren Füllhorn an unterschiedlichsten Ingredienzien, die hier zusammengerührt werden, ohne dass daraus ein gelungenes Gericht entstünde: Ein wenig Mediensatire à la Whisky mit Wodka, ein wenig campy Trash wie bei Rosa von Praunheims Die Bettwurst, Sexfilmchen wie aus der Feder von Ernst Hofbauer (allerdings ohne deren anarchischen Impetus), boulevardeske Verwechslungskomödie ohne jeglichen Anspruch,eine Überdosis Heimatfilm und Witze aus der hinterletzten Schublade ergeben eine Mehlspeise, der auf halbem Weg der Imperator abhanden gekommen ist. Übrig bleibt – richtig – ein echter Schmarrn!

Kaiserschmarrn

Mögen US-amerikanische Serien gerade auch noch so sehr die Bewunderung auf sich ziehen, die deutsche Fernsehlandschaft ist von solchen Qualitäten mehr als nur einen Ozean entfernt und produziert statt epischen Dramen allenfalls öde Bergschmonzetten vor alpiner Kulisse. Daniel Krauss hat sich in seiner grellbunt-schrillen Mediensatire „Kaiserschmarrn“ der deutschen Fernsehlandschaft angenommen und versucht den Zuständen mit Trash, Sex und Kalauern aus Großvaters Klamottenkiste zu Leibe zu rücken.
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Meinungen

Hank B · 18.05.2014

Ich habe Abi und bin studiert mit Abschluss, und hab mich fast totgelacht.

Kultfilm!

Henry · 23.11.2013

Dem deutschen RTL-Gucker wirds gefallen.