Julia und die Geister

Eine Filmkritik von Jean Lüdeke

Fellini at his best

Ein vierzigjähriges Highlight neu aufgelegt: Kaum ein Regisseur konnte das pralle Leben so in noch opulentere Kadren packen wie Federico Fellini (1920 – 1993): In seinen Filmen gerierte die Provinz zum Welttheater, die Straße zur Bühne, die Historie zur Traumsequenz. Dreh- und Angelpunkte seiner Stoffe waren sein Geburtsort Rimini, seine Wahlheimat Rom und natürlich er selbst: seine Krisen, seine Sehnsüchte und Wunschträume.
Giulietta (Giulietta Masina, die Ehefrau Fellinis) vegetiert als Frau des reichen Publicrelations-Managers Giorgio (Mario Pisù) in Luxus, Langeweile und isoliertem Kollektiv. Als sich ihr Hochzeitstag wieder einmal jährt, fällt Giorgio ihr abends überraschend mit zahlreichen Gästen ins Haus, obwohl sie ihn lieber für sich allein gehabt hätte. Unter ihnen ist ein viel gefragtes Medium (Valeska Gert). Flugs darauf bekommt Giulietta guten Grund, an der Treue ihres Mannes zu zweifeln. Der Verdacht, dass er sie betrügt, wird bald zur fatalen Gewissheit: Nahezu nihilistisch stellt Giulietta tiefe Zweifel an ihrem bisherigen Leben als stets treue Ehefrau und verliert sich in Phobien und Paranoia. Ihre Ängste, Komplexe und Hoffnungen und Wünsche gewinnen ein schimärisches, geisterhaftes Leben in vielschichtigen Tagträumen, verkörpern sich in Fantasiefiguren und Gestalten aus Giuliettas Vergangenheit und gegenwärtiger Umgebung. Vom toten Großvater (Lou Gilbert) bis zur erogenen Nachbarin Susy (Sandra Milo) treiben sie ihr facettiertes Spiel mit Giulietta. Aber es wird auch zum Akt von Befreiung: Obwohl die Begegnungen mit ihren „Geistern“ auch schmerzhaft und Furcht einflößend sind, erlangt sie dadurch ein völlig geläutertes neues Selbstbewusstsein, um letztlich die Kraft zu finden, sich vom Druck der gesellschaftlichen Zwänge und Erwartungen vollends zu lösen..

Völlig losgelöst schien Federico Fellini selbst zeit seines Lebens zu sein: Er erzeugt mit eindrucksvollen Bildern eine Welt zwischen Wirklichkeit und Schein. Dabei ließ er sich stark von Freudscher Psychologie der Symbolik inspirieren. Abgesehen von seinem Beitrag zu dem Episodenfilm Boccaccio 70 (1961, die anderen Regisseure waren Mario Monicelli, Luchino Visconti und Vittorio de Sica), war dies Fellinis erster Farbfilm. Die Farbe setzte er artifiziell ein, um Julias Emotionen bildlich zu untermauern. Eine skurrile Wirrwarr-Welt,(siehe auch Schiff der Träume), in der sich bis heute nur die wenigsten zurechtfinden.

Julia und die Geister wurde seitens der Kritik sehr ambivalent aufgenommen. Die Bandbreite reichte von heller Euphorie bis unverständlicher Apathie. Wie ihre Geister mit Giulietta spielt Fellini hier mit zwei Realitätsebenen, so daß ein psychedelisches Kaleidoskop mit vielfältig eingeflochtenen Realitätsfragmenten entsteht. Die „wahre Realität“ des Filmwesens belohnte den mehrfach preisgekrönten Trip in Traum- und Terrorwelten mit einem güldenen Golden Globe als „Bester Fremdsprachiger Film“: Wenigstens einige „Film-Intellektuelle“, die den wahren Wert dieses einzigartigen italienischen Zelluloid-Urgesteins erkannten um adäquat zu handeln…

Julia und die Geister

Ein vierzigjähriges Highlight neu aufgelegt: Kaum ein Regisseur konnte das pralle Leben so in noch opulentere Kadren packen wie Federico Fellini.
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